+3 Magazin Februar 2020 | Page 14

+2 14 › Kirsten Kappert-Gonther, Bundestagsabgeordnete Bündnis 90/Die Grünen und Obfrau im Gesundheitsausschuss des Bundestags Noch viel zu tun Bis Menschen mit seltenen Erkran- kungen richtig diagnostiziert wer- den, haben sie häufig schon einen langen Leidensweg hinter sich. Und auch nach der Diagnose gibt es viel zu selten eine angemessene Thera- pie. Sowohl die Diagnosestellung als auch die Erforschung der Krankhei- ten sind aufgrund ihrer Seltenheit schwierig und bedürfen eines hohen Grads der Vernetzung. Unser Ge- sundheitssystem reagiert darauf zu starr, indem die fachübergreifende Zusammenarbeit der Gesundheits- berufe erschwert und an der strik- ten Trennung zwischen Praxen und Kliniken festgehalten wird. Sympto- matisch hierfür ist der weitgehende Stillstand beim Aufbau von Zent- ren für seltene Erkrankungen, wie sie vom Nationalen Aktionsbündnis vorgesehen sind. Zwar hat der Ge- meinsame Bundesausschuss jüngst einheitliche Qualitätsanforderungen für einen Teil dieser Zentren festge- legt und definiert, wofür Mittel im Rahmen der stationären Versorgung vergeben werden können. Unange- tastet bleibt aber weiterhin die Ver- sorgung im ambulanten Bereich, die einen Großteil der Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankun- gen ausmacht. Auch fehlen bislang politische Impulse, wie Zentren hier- zulande sinnvoll mit den Referenz- netzwerken auf europäischer Ebene verknüpft werden können. Mehr Ko- operation, Vernetzung und sektoren- übergreifende Versorgungsmodelle sind aus diesen Gründen unerlässli- che Schritte, um die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankun- gen zu verbessern. ORPHAN DRUGS Medikamente gegen die seltensten unter den Seltenen gegen Muskel-/Skele-Erkrankungen 4 Leben mit Bestimmung gegen Augenkrankheiten 4 gegen Infektionskrankheiten 8 gegen neurologische Erkrankungen 10 gegen Atemwegserkrankungen* 6 gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten 9 gegen Blutgerinnungsstörungen 7 gegen Stoffwechselerkrankungen Jonas Leyendorf, Leser Marktfrage Der Staat muss mehr gegen seltene Krankheiten tun, da sich für Phar- mafirmen die Erforschung oftmals nicht lohnt. Ich hoffe, dass mehr Leu- ten geholfen wird. 45 gegen Krebserkrankungen 85 gegen sonstige Krankheiten 10 *ohne Krebs- und Infektionskrankheiten Zulassungen, die unter die Orphan-Drug- Verordnung der EU von 2000 fallen oder fielen, ohne Generika; Stand: 2. Januar 2019 Quelle: vfa Martina Rauner und Lorenz Hofbauer, Wissenschaftliche Direktorin und Ärztlicher Direktor Forschungslabor „Bone Lab“, Universitätsklinikum der TU Dresden Von den Seltenen lernen In unserer Forschung haben wir uns in den letzten Jahren zunehmend mit Fibrodysplasia ossificans pro- gressiva (FOP) beschäftigt. Diese Erkrankung gehört zu den extrem seltenen Erkrankungen, in Deutsch- land sind nur etwa 30 Patienten da- von betroffen. Bei FOP wandeln sich Muskeln und Sehnen in harten Kno- chen um und „versteinern“ die Be- troffenen regelrecht. Wo und wann diese Verknöcherungen auftreten, lässt sich nicht vorhersagen. Faszi- niert haben uns im Zuge unserer Re- cherchen vor allem die Berichte der Betroffenen. Ihr Lebensmut und ihre Kreativität, den Alltag trotz körper- licher Einschränkungen zu meistern, haben uns zutiefst beeindruckt und motivieren uns, weiter zu forschen. Die Vorstellung, sich plötzlich nur sehr eingeschränkt bewegen zu kön- nen, ist für uns als ambitionierte Freizeitsportler nur schwer vorstell- Nadine Großmann, FOP-Betroffene und Mitarbeiterin Forschungslabor „Signaltransduktion“ Freie Universität Berlin bar. Seltene Erkrankungen besser zu verstehen, ist dabei auch für die The- rapie häufiger Krankheiten wichtig. So können beispielsweise Therapien gegen FOP auch gegen andere Ver- knöcherungsprozesse der Weichtei- le, wie sie nach dem Einbringen von Hüftprothesen entstehen, genutzt werden. Auch bei der Therapie der Osteoporose sind neue Therapien aus der Erforschung der seltenen Er- krankungen Osteopetrose oder dem Van-Buchem-Syndrom entwickelt worden. Die Auseinandersetzung mit seltenen Erkrankungen ist daher wichtig. Unsere stärkste Motivation schöpfen wir dabei aus der Empathie für die Betroffenen. Als ich 1991 mit einem verkürzten großen Zeh auf die Welt kam, ahn- te keiner, dass dieser ein wichtiges Früherkennungsmerkmal für die seltene Erkrankung Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP) ist, bei der Muskeln, Binde- und Stützge- webe fortschreitend verknöchern. Weltweit sind rund 800 Erkrankte bekannt. 2005 hatte ich meinen ers- ten Schub in der linken Hüfte. Nach einem Ärztemarathon erhielt ich die Diagnose FOP. Ich wurde dreimal operiert, was zum Glück aber keine weiteren Schübe auslöste. Erst 2014 bekam ich meinen zweiten Schub, diesmal im Kiefer. Obwohl ich als Vorerkrankung FOP angab, wurde ich ein viertes Mal operiert, was dazu führte, dass ich meinen Mund nur noch zwei Millimeter öffnen konn- te. Mein dritter Schub in der rechten Schulter im Jahr 2017 raubte mir am meisten Selbstständigkeit und Le- bensqualität. Trotz allem lasse ich mich von meinen Einschränkungen nicht unterkriegen und gehe mit großer Freude meinen Hobbys nach: Querflöte spielen, singen, stricken, reisen, lesen und Fahrrad fahren. Privat engagiere ich mich als stell- vertretende Vorsitzende im Verein FOP, um Aufmerksamkeit für die Erkrankung zu wecken. Außerdem ist es mir beruflich ein großes Anlie- gen geworden, die FOP-Forschung weiter voranzutreiben. So kam es, dass ich erst meine Masterarbeit und nun auch meine Doktorarbeit über ein FOP-bezogenes Thema schreibe. FOP hat mich noch stärker gemacht und ist für mich kein Schicksals- schlag, sondern eine Bestimmung. DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE GEWISSHEIT FÜR EIN NEUES LEBEN: DER BABY HEALTH CHECK Ein glückliches und gesundes Leben – das ist der Wunsch aller Eltern für ihr Neugeborenes. Mit dem „Baby Health Check Premium Programm“ bietet die amedes-Gruppe, der deutsche Spezialist für Labormedizin, in Kooperation mit dem Wiener Labor ARCHIMEDlife eine wegwei- sende Gesundheitsuntersuchung an, die Familien diesem Ziel einen großen Schritt näherbringt. Etwa eines von 800 Kindern leidet an einer seltenen Erkrankung. Unbehandelt kön- nen diese zu geistigen und körperlichen Einschränkungen führen. Im schlimms- ten Fall sind sie lebensbedrohlich. Die Lebensqualität betroffener Kinder und ihrer Familien kann durch zeitgerecht eingeleitete Therapien nachweislich ver- bessert werden. Dafür ist ein möglichst früher und sicherer Nachweis der Erkran- kung zwingend notwendig. Seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland ein erfolgreiches Vor- sorgeprogramm zur Früherkennung angebore- ner seltener Stoffwechselerkrankungen für Kinder. 17 dieser Erkrankungen können damit momentan innerhalb der ersten Lebenstage diagnostiziert werden. Dem Wie- ner Wissenschaftler David Kasper und seinem Team ist es gelungen, diese frühe Diagnostik auszubauen und Neugeborenen aber auch älteren Kindern damit bereits heute ein Screening der „nächsten Gene- ration“ zu ermöglichen: Das „Baby Health Check Premium Programm“ deckt aktuell knapp 60 angeborene Störungen des Stoffwechsels, der Organfunktion und Hormonmangelerkran- kungen diagnostisch ab und wird in einem dynamischen Prozess laufend an neue medi- zinische Entwicklungen angepasst. Mit Ex- pertise und Überzeugung begleitet Kasper das Programm, von dem er sagt: „Als ehemaliger Leiter des Österreichischen Neugeborenen- Screening-Programms ist es mir heute eine Herzensangelegenheit, den Baby Health Check mit führenden Expertinnen und Experten auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln und Familien damit mehr Sicherheit zu geben.“ Besuchen Sie uns auf: www.babyhealthcheck.com