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HOFFNUNG GENSTILLLEGUNG
Alnylam setzt auf die RNA-Interferenz, um genetisch bedingte Krankheiten zu therapieren.
Manche Leiden kommen besonders tückisch da-
her – sie lauern bereits in unseren Genen. Ob
Krebs, Hauterkrankungen oder Herzprobleme:
Zahlreiche gesundheitliche Risiken sind im Men-
schen durch fehlprogrammierte Gene angelegt.
Eine Methode, mit diesen Risiken umzugehen, ist
die Genstilllegung. Betrachtet man deren Anwen-
dungsmöglichkeiten, wird klar, warum das US-
Unternehmen Alnylam an diese Methode glaubt.
So können perspektivisch etwa Herz- und Stoff-
wechselerkrankungen,
Infektionskrankhei-
ten der Leber und
Erkrankungen
des zentralen
überwunden werden. Die größte Schwierigkeit be-
stand darin, spezielle RNA-Moleküle in diejenigen
Zellen zu bringen, in denen die fehlerhaften Prote-
ine produziert werden, etwa in Leberzellen. Auch
war die Stabilität der RNA-Moleküle nach Eintritt
in die Zielzellen eine weitere Aufgabe, die nach
etwa zehnjähriger Forschung gelöst wurde. Ein ent-
scheidender Vorteil der Genstilllegung: Im Unter-
schied zu einer Gentherapie findet kein dauerhafter
Eingriff in das Erbgut statt. Stillgelegte Gene können
wieder aktiviert werden. Mögliche langfristige Ne-
benwirkungen, die potenziell bei einer Gentherapie
auch noch Jahre später auftreten können, kommen
bei der RNA-Interferenz nicht vor. Wissenschaft-
ler und Mediziner haben deshalb vor gut 20 Jahren
weiterzumachen. Warum Alnylam gegen den damals
herrschenden Trend weiterforschte, fasst Maier so
zusammen: „Wir wissen, dass unsere Forschungen
das Potenzial haben, das Leben von Patientinnen
und Patienten entscheidend zu verbessern.“
Die Vision wird Realität
Alnylam wurde 2002 in Cambridge im US-Bundes-
staat Massachusetts gegründet. Seither hat das bio-
pharmazeutische Unternehmen mehr als drei Milliar-
den US-Dollar in Forschung investiert. Das war laut
Maier auch deshalb möglich, weil der Standort USA
hier einen großen Vorteil bietet. Während die Quali-
tät der Forschung auch in Europa sehr hoch sei, fehle
So funktioniert
RNA-Interferenz
Mit der RNA-Interferenz kann die Funktion
von Genen „deaktiviert“ werden, indem gezielt
in die Informationsübertragung zwischen
dem Erbgut (DNA) und den für die Produktion
von Proteinen verantwortlichen Ribosomen
eingegriffen wird. In den Zellen gibt es spezielle
Boten-Moleküle (mRNA), die den „Bauplan“
für Proteine, der in der DNA gespeichert ist, zu
den Ribosomen übermitteln. Diese Boten-Mo-
leküle lassen sich „abfangen“ und abbauen,
bevor sie die Ribosomen erreichen. Verant-
wortlich dafür ist ein weiteres, in den Zellen
natürlich vorkommendes Molekül namens
RISC (hier weiß dargestellt). Mithilfe kurzer
RNA-Stränge (siRNA, hier orange dargestellt)
können diese RISC-Moleküle gezielt zu den
Boten-Molekülen gelenkt werden und diese
abbauen. Der Transport der Baupläne wird so
unterbrochen. Das kommt einer Deaktivierung
des dahinterstehenden Gens gleich. Stoppt
man die Zugabe dieser siRNA, wird die Infor-
mation wieder vom Gen zu den Ribosomen
übermittelt und das jeweilige Protein
produziert. Das Gen ist wieder aktiv.
Nervensystems sowie Augenerkrankungen behan-
delt werden. In der Fachsprache heißt die Gen-
stilllegung RNA-Interferenz (RNAi). Vereinfacht
gesagt handelt es sich dabei um einen natürlichen
Prozess, mit dem einzelne Gene an- oder abgeschal-
tet werden können. Das ist wichtig, da zahlreiche
Krankheiten auf Mutationen im menschlichen Erb-
gut (DNA) zurückgehen. In der DNA sind die Bau-
pläne für Proteine, die Werkzeuge unseres Körpers,
gespeichert. Der Prozess ist vergleichbar mit einem
Hausbau: Sind die Baupläne falsch, wird auch
das Haus nicht stabil geraten. Mithilfe der RNA-
Interferenz ist ein natürlicher biologischer Eingriff
möglich. Der Baufehler – also die spätere Krank-
heit – kann so aufgehalten werden. Obwohl die
Methode der RNAi verhältnismäßig simpel ist und
sich im Labor einfach handhaben lässt, mussten
im Laufe der Entwicklung eine Reihe von Hürden
euphorisch auf die Entdeckung der Genstilllegung
reagiert. Für ihren Forschungserfolg wurden die US-
Wissenschaftler Andrew Z. Fire und Craig C. Mello
im Jahr 2006 sogar mit dem Nobelpreis ausgezeich-
net. Doch es sollten noch viele Jahre vergehen, bis
2018 das erste weltweit zugelassene Medikament auf
den Markt kam, das diese Entdeckung nutzte. Alny-
lam brauchte also einen langen Atem. Zu Beginn
der 2010er-Jahre stiegen zahlreiche Firmen aus der
Forschung und Entwicklung rund um die RNAi-
Technologie wieder aus. Das lag vor allem daran,
dass „die technologischen Herausforderungen, die
es zu meistern galt, anfangs unterschätzt wurden“,
erklärt Dr. Martin Maier, Vizepräsident der For-
schungsabteilung von Alnylam, und ergänzt: „Viele
vielversprechende Technologien scheitern schluss-
endlich an ihrer Komplexität.“ Es war viel Ausdau-
er, Forschergeist und natürlich auch Geld nötig, um
es dort manchmal an nötigem Risikokapital. Das sei
in den USA anders. Für die Umsetzung von Visionen
braucht es eben oft viel Geld. Die Vision der Forscher
von Alnylam ist es, die Entdeckung der RNA-Inter-
ferenz zu nutzen und so eine völlig neue Arzneimittel-
klasse zu begründen. Patienten mit schwerwiegenden
und seltenen Erkrankungen, für die es bislang keine
Therapien gab, können so neue Hoffnung schöpfen.
Mehr Informationen unter: www.alnylam.com