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Kirsten Kappert-Gonther,
Bundestagsabgeordnete
Bündnis 90/Die Grünen
und Obfrau im
Gesundheitsausschuss
des Bundestags
Noch viel zu tun
Bis Menschen mit seltenen Erkran-
kungen richtig diagnostiziert wer-
den, haben sie häufig schon einen
langen Leidensweg hinter sich. Und
auch nach der Diagnose gibt es viel
zu selten eine angemessene Thera-
pie. Sowohl die Diagnosestellung als
auch die Erforschung der Krankhei-
ten sind aufgrund ihrer Seltenheit
schwierig und bedürfen eines hohen
Grads der Vernetzung. Unser Ge-
sundheitssystem reagiert darauf zu
starr, indem die fachübergreifende
Zusammenarbeit der Gesundheits-
berufe erschwert und an der strik-
ten Trennung zwischen Praxen und
Kliniken festgehalten wird. Sympto-
matisch hierfür ist der weitgehende
Stillstand beim Aufbau von Zent-
ren für seltene Erkrankungen, wie
sie vom Nationalen Aktionsbündnis
vorgesehen sind. Zwar hat der Ge-
meinsame Bundesausschuss jüngst
einheitliche Qualitätsanforderungen
für einen Teil dieser Zentren festge-
legt und definiert, wofür Mittel im
Rahmen der stationären Versorgung
vergeben werden können. Unange-
tastet bleibt aber weiterhin die Ver-
sorgung im ambulanten Bereich, die
einen Großteil der Versorgung von
Menschen mit seltenen Erkrankun-
gen ausmacht. Auch fehlen bislang
politische Impulse, wie Zentren hier-
zulande sinnvoll mit den Referenz-
netzwerken auf europäischer Ebene
verknüpft werden können. Mehr Ko-
operation, Vernetzung und sektoren-
übergreifende Versorgungsmodelle
sind aus diesen Gründen unerlässli-
che Schritte, um die Versorgung von
Menschen mit seltenen Erkrankun-
gen zu verbessern.
ORPHAN DRUGS
Medikamente gegen die seltensten
unter den Seltenen
gegen Muskel-/Skele-Erkrankungen
4
Leben mit
Bestimmung
gegen Augenkrankheiten
4
gegen Infektionskrankheiten
8
gegen neurologische Erkrankungen
10
gegen Atemwegserkrankungen*
6
gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten
9
gegen Blutgerinnungsstörungen
7
gegen Stoffwechselerkrankungen
Jonas Leyendorf, Leser
Marktfrage
Der Staat muss mehr gegen seltene
Krankheiten tun, da sich für Phar-
mafirmen die Erforschung oftmals
nicht lohnt. Ich hoffe, dass mehr Leu-
ten geholfen wird.
45
gegen Krebserkrankungen
85
gegen sonstige Krankheiten
10
*ohne Krebs- und Infektionskrankheiten
Zulassungen, die unter die Orphan-Drug-
Verordnung der EU von 2000 fallen oder fielen,
ohne Generika; Stand: 2. Januar 2019
Quelle: vfa
Martina Rauner und Lorenz Hofbauer,
Wissenschaftliche Direktorin und Ärztlicher
Direktor Forschungslabor „Bone Lab“,
Universitätsklinikum der TU Dresden
Von den Seltenen
lernen
In unserer Forschung haben wir uns
in den letzten Jahren zunehmend
mit Fibrodysplasia ossificans pro-
gressiva (FOP) beschäftigt. Diese
Erkrankung gehört zu den extrem
seltenen Erkrankungen, in Deutsch-
land sind nur etwa 30 Patienten da-
von betroffen. Bei FOP wandeln sich
Muskeln und Sehnen in harten Kno-
chen um und „versteinern“ die Be-
troffenen regelrecht. Wo und wann
diese Verknöcherungen auftreten,
lässt sich nicht vorhersagen. Faszi-
niert haben uns im Zuge unserer Re-
cherchen vor allem die Berichte der
Betroffenen. Ihr Lebensmut und ihre
Kreativität, den Alltag trotz körper-
licher Einschränkungen zu meistern,
haben uns zutiefst beeindruckt und
motivieren uns, weiter zu forschen.
Die Vorstellung, sich plötzlich nur
sehr eingeschränkt bewegen zu kön-
nen, ist für uns als ambitionierte
Freizeitsportler nur schwer vorstell-
Nadine Großmann,
FOP-Betroffene
und Mitarbeiterin
Forschungslabor
„Signaltransduktion“
Freie Universität Berlin
bar. Seltene Erkrankungen besser zu
verstehen, ist dabei auch für die The-
rapie häufiger Krankheiten wichtig.
So können beispielsweise Therapien
gegen FOP auch gegen andere Ver-
knöcherungsprozesse der Weichtei-
le, wie sie nach dem Einbringen von
Hüftprothesen entstehen, genutzt
werden. Auch bei der Therapie der
Osteoporose sind neue Therapien
aus der Erforschung der seltenen Er-
krankungen Osteopetrose oder dem
Van-Buchem-Syndrom entwickelt
worden. Die Auseinandersetzung
mit seltenen Erkrankungen ist daher
wichtig. Unsere stärkste Motivation
schöpfen wir dabei aus der Empathie
für die Betroffenen.
Als ich 1991 mit einem verkürzten
großen Zeh auf die Welt kam, ahn-
te keiner, dass dieser ein wichtiges
Früherkennungsmerkmal für die
seltene Erkrankung Fibrodysplasia
ossificans progressiva (FOP) ist, bei
der Muskeln, Binde- und Stützge-
webe fortschreitend verknöchern.
Weltweit sind rund 800 Erkrankte
bekannt. 2005 hatte ich meinen ers-
ten Schub in der linken Hüfte. Nach
einem Ärztemarathon erhielt ich die
Diagnose FOP. Ich wurde dreimal
operiert, was zum Glück aber keine
weiteren Schübe auslöste. Erst 2014
bekam ich meinen zweiten Schub,
diesmal im Kiefer. Obwohl ich als
Vorerkrankung FOP angab, wurde
ich ein viertes Mal operiert, was dazu
führte, dass ich meinen Mund nur
noch zwei Millimeter öffnen konn-
te. Mein dritter Schub in der rechten
Schulter im Jahr 2017 raubte mir am
meisten Selbstständigkeit und Le-
bensqualität. Trotz allem lasse ich
mich von meinen Einschränkungen
nicht unterkriegen und gehe mit
großer Freude meinen Hobbys nach:
Querflöte spielen, singen, stricken,
reisen, lesen und Fahrrad fahren.
Privat engagiere ich mich als stell-
vertretende Vorsitzende im Verein
FOP, um Aufmerksamkeit für die
Erkrankung zu wecken. Außerdem
ist es mir beruflich ein großes Anlie-
gen geworden, die FOP-Forschung
weiter voranzutreiben. So kam es,
dass ich erst meine Masterarbeit und
nun auch meine Doktorarbeit über
ein FOP-bezogenes Thema schreibe.
FOP hat mich noch stärker gemacht
und ist für mich kein Schicksals-
schlag, sondern eine Bestimmung.
DIES IST EINE GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
GEWISSHEIT FÜR EIN NEUES LEBEN: DER BABY HEALTH CHECK
Ein glückliches und gesundes Leben – das ist der Wunsch aller
Eltern für ihr Neugeborenes. Mit dem „Baby Health Check
Premium Programm“ bietet die amedes-Gruppe, der
deutsche Spezialist für Labormedizin, in Kooperation
mit dem Wiener Labor ARCHIMEDlife eine wegwei-
sende Gesundheitsuntersuchung an, die Familien
diesem Ziel einen großen Schritt näherbringt.
Etwa eines von 800 Kindern leidet an einer
seltenen Erkrankung. Unbehandelt kön-
nen diese zu geistigen und körperlichen
Einschränkungen führen. Im schlimms-
ten Fall sind sie lebensbedrohlich. Die
Lebensqualität betroffener Kinder und
ihrer Familien kann durch zeitgerecht
eingeleitete Therapien nachweislich ver-
bessert werden. Dafür ist ein möglichst
früher und sicherer Nachweis der Erkran-
kung zwingend notwendig. Seit Jahrzehnten
gibt es in Deutschland ein erfolgreiches Vor-
sorgeprogramm zur Früherkennung angebore-
ner seltener Stoffwechselerkrankungen für Kinder.
17 dieser Erkrankungen können damit momentan innerhalb
der ersten Lebenstage diagnostiziert werden. Dem Wie-
ner Wissenschaftler David Kasper und seinem Team ist
es gelungen, diese frühe Diagnostik auszubauen und
Neugeborenen aber auch älteren Kindern damit
bereits heute ein Screening der „nächsten Gene-
ration“ zu ermöglichen: Das „Baby Health Check
Premium Programm“ deckt aktuell knapp 60
angeborene Störungen des Stoffwechsels, der
Organfunktion und Hormonmangelerkran-
kungen diagnostisch ab und wird in einem
dynamischen Prozess laufend an neue medi-
zinische Entwicklungen angepasst. Mit Ex-
pertise und Überzeugung begleitet Kasper das
Programm, von dem er sagt: „Als ehemaliger
Leiter des Österreichischen Neugeborenen-
Screening-Programms ist es mir heute eine
Herzensangelegenheit, den Baby Health Check
mit führenden Expertinnen und Experten auf
höchstem Niveau weiterzuentwickeln und Familien
damit mehr Sicherheit zu geben.“
Besuchen Sie uns auf: www.babyhealthcheck.com