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Nicolas Lorente,
Ansprechpartner SCN2A
Europe und Mitglied im
Selbsthilfe-Dachverband
Kindernetzwerk e. V.
Pionierarbeit
Als ob wir nicht genug mit der Diagno-
se Frühkindlicher Autismus zu tun hät-
ten, bekam unser Sohn mit fünf Jahren
auch noch epileptische Anfälle. Das ist
eigentlich nichts Außergewöhnliches.
Viele Autisten sind auch Epileptiker.
Zum Glück war ein Gentest Teil des
Protokolls im Krankenhaus, wo man
versuchte, seine Epilepsie unter Kont-
rolle zu bekommen. Bald wussten wir
den Grund dafür: eine Mutation im
Gen SCN2A. Wenn wir mehr wissen
wollten, sollten wir googeln, meinte der
Arzt. So ist es halt bei seltenen Krank-
heiten: Man darf nicht erwarten, dass
der Arzt weiß, welche Medikamente
und Therapien am besten funktionie-
ren. Aber wir waren zumindest erleich-
tert, die Ursache der Probleme endlich
zu kennen. Bald lieferte Google erste
Ergebnisse: Einer der Vorreiter auf
dem Gebiet ist die US-amerikanische
Stiftung „FamilieSCN2A Foundation“.
Mitglieder sind betroffene Eltern mit
demselben Ziel: ein Heilmittel zu fin-
Tina Leistner,
Mutter eines Sohnes mit
dem CDG-Syndrom
den. Dafür werden Forscher vernetzt,
Projekte mitfinanziert, Konferenzen
organisiert. SCN2A Europe möchte,
dass auch Kinder mit SCN2A-Muta-
tionen in Europa von den Ergebnis-
sen der Forschung profitieren. Wenn
SCN2A bei Ärzten, Krankenhäusern
und Förderzentren sichtbarer wird,
können mehr Fälle diagnostiziert
werden. Dadurch erwacht das Inte-
resse der Forschung, die Forscher
vernetzen sich und bringen bessere
Forschungsergebnisse hervor. Nur so
können wir sicherstellen, dass Euro-
pa bereit ist, wenn die ersten klini-
schen Tests genehmigt werden.
Hilfe nach dem
Schock
Zwar waren die ersten Lebensmo-
nate unseres Kindes etwas holprig,
aber was noch kommen würde, war
noch lange nicht abzusehen. Zum
ersten Geburtstag kam die Diagnose
AKTIV DABEI Betroffene sind ein wichtiger Teil der Forschung
Top drei der Hindernisse
bei der Erforschung
seltener Erkrankungen
Top drei
der Prioritäten
von Patienten
Mangel an
öffentlichen Mieln 1 Therapie
entwickeln
Mangel an
privater Finanzierung 2 Diagnose
verbessern
Kleine
Patientenpopulation 3 Mechanismen und Ursachen seltener
Krankheiten identifizieren
An welcher Art von Forschung
nehmen Patienten teil?
Was ist Patienten
wichtig?
Gregor Klein, Leser
Der Umgang mit seltenen Krank-
heiten ist unsere gesellschaftliche
Aufgabe, die durch unsere Kranken-
kassen, private wie gesetzliche, finan-
ziert werden muss.
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Erhalt klarer
Informationen zum
Forschungsprojekt
der Patienten mit seltenen
Erkrankungen haben an
medizinischer Forschung
teilgenommen, darunter:
Gute Beziehung
zu den Forschern
GESPONSERTE ANTWORT, ALSO EINE ANZEIGE
Prof. Dr. Arndt Rolfs,
Gründer und
Vorstandsvorsitzender
CENTOGENE
Die Seltenen sind eine
globale Aufgabe
Seltene Erkrankungen – schon der
Name ist irreführend, denn diese
sind nicht selten: Mehr als 350 Mil-
lionen Betroffene gibt es weltweit,
es versterben mehr Menschen an
diesen Erkrankungen als an allen
Tumorerkrankungen zusammen, 30
Prozent erleben nicht ihren fünften
Geburtstag. Richtiger sollten wir
diese Erkrankungsgruppe „Häufig
fehldiagnostizierte Erkrankungen“
nennen. Wir müssen alles dafür tun,
dass diese Patienten viel früher dia-
gnostiziert werden. Derzeit vergehen
bei den meisten Patienten wertvolle
fünf bis zehn Jahre bis zur richti-
gen Diagnose. CENTOGENE wur-
de 2006 in Rostock genau mit dem
Ziel gegründet, diese Suche nach der
Krankheitsursache möglichst schnell
mit modernsten Methoden erfolg-
reich zu beenden. Inzwischen hat
das Unternehmen Niederlassungen
in Berlin, Boston, Delhi, Dubai und
59% an der Entwicklung
von Behandlungen
und Therapien
52% an der Forschung
zum Thema
Lebensqualität
16% an der Entwicklung
genetischer Therapien
Teilnahme an der
Forschung, um der
Wissenschaft und der
Gemeinschaft zu helfen
Umfrage unter 3.213 Personen mit seltener Erkrankung und
deren Angehörigen aus 42 Ländern; August-November 2017
Quelle: EURORDIS
Wien und ist globaler Marktführer –
nur nicht in Deutschland, da sich die
ambulanten Finanzierungssysteme
hierzulande mit Innovation schwer-
tun. Dabei gelingt es mittlerweile,
für über 55 Prozent dieser Patienten
eine Diagnose zu stellen. Endlich hat
die Erkrankung einen Namen. Auch
die Vernetzung mit anderen Betrof-
fenen gelingt nun und die Chance
auf eine kausale Therapie steigt.
In Zeiten personalisierter Medizin
kommt der genetischen Diagnostik
eine zentrale Rolle zu. Der Tag der
Seltenen Erkrankungen am 29. Fe-
bruar hilft, die Aufmerksamkeit auf
diese weltweite Herausforderung zu
erhöhen.
Max Prigge,
Vorstand Deutsche
Gesellschaft für
Osteogenesis imperfecta
(Glasknochen) Betroffene
Normal leben
Osteogenesis imperfecta (Oi) ist vie-
len in Deutschland als Glasknochen
bekannt. Bei dieser genetisch be-
dingten seltenen Erkrankung bre-
chen die Knochen häufiger als bei
gesunden Menschen. Ich persönlich
kenne es nicht anders, da Glaskno-
chen von Geburt an auftritt. Abgese-
hen von den Krankenhausaufenthal-
ten und OPs verläuft mein Leben wie
bei einem Durchschnittsdeutschen.
CDG – Congenital Disorders of Gly-
cosylation – mit Paukenschlag in
unser Leben. Nun erklärten sich die
starke Entwicklungsverzögerung, die
schwierige Nahrungsaufnahme, die
schlechten Blutwerte. Den Kinderarzt
vor Ort brauchten wir nicht um Erklä-
rungen bemühen, da es sich um eine
seltene genetisch-bedingte Stoffwech-
selerkrankung handelt. Der Termin
beim einzigen Facharzt in Deutsch-
land war erst sechs Monate später, da
dieser trotz der Seltenheit von CDG am
Limit arbeitet. Für leichte Beruhigung
sorgte in der Zeit des Wartens der El-
ternverein Glycokids. Kurz nach An-
meldung folgte ein Anruf einer Mutter,
die selbst Jahre vorher in der gleichen
aufwühlenden Situation wie wir war.
Wir bekamen erste lebenswichtige In-
formationen. Unser Kind darf unter
keinen Umständen fiebern oder eine
Infektion bekommen. Dieses Wissen
ist für CDG-Patienten essenziell, denn
beides kann lebensbedrohliche Kom-
plikationen auslösen. Mittlerweile sind
wir angekommen. Unser Kind ist ein
freundlicher Junge von sechs Jahren,
der tapfer gegen die Widrigkeiten sei-
nes Gendefektes kämpft. Den Kontakt
zu anderen betroffenen Familien pfle-
gen wir bei Glycokids durch Treffen
und den Austausch in einer Whatsapp-
Gruppe. Neue Familien werden hier
aufgefangen und unterstützt – und
dieser Austausch ist für uns Gold wert.
www.cdg-syndrom.de
Paula Mitterer, Leserin
Für mich sind seltene Krankheiten
nichts völlig Neues mehr. Ich habe
durch die geniale Serie „Dr. House“
erfahren, wie schwierig es ist, heraus-
zufinden, woran jemand leidet und
wie man hilft. Ich bewundere alle, die
sich hier engagieren.
Ich habe mein Abitur an einem Gym-
nasium abgelegt und anschließend
eine Ausbildung zum Kaufmann im
Gesundheitswesen
abgeschlossen.
Ich lebe mit meiner Freundin zusam-
men. In meiner Freizeit bin ich lei-
denschaftlicher Schütze und möchte
Schützenkönig werden. Schwierig ist
es im Alltag hauptsächlich mit den
Behörden, die einem häufig Steine
in den Weg legen und den Auftrag
der Unterstützung nicht erfüllen. Oft
merke ich, dass die Kenntnisse über
Glasknochen noch zu gering sind. Da-
bei gehört meine Erkrankung noch zu
den bekannteren unter den seltenen
Krankheiten. Ich wünsche mir dahin-
gehend mehr Verständnis. Wir Betrof-
fenen stellen keine Anträge, weil wir
Spaß daran haben. Wir benötigen die
Unterstützung, um unser Leben leben
zu können. Damit sich etwas ändert,
bin ich in der Deutschen Gesellschaft
für Osteogenesis imperfecta (Glaskno-
chen) Betroffene aktiv. Auch gesell-
schaftlich muss noch viel passieren.
Deshalb sind meine Freundin und ich
#inkluencer geworden und erzählen
auf unserem Kanal @brittlebonesking
auf Instagram und Youtube aus unse-
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rem Alltag.