Välkommen in Nr. 1 | 2013 | Page 9

EIN TAG IN MEINEM LEBEN | von  den  Noten  abhängigen  Geld‐ summe. Zurück im Klassenzimmer offerieren  die  Lehrpersonen  korv  och  bröd,  in  anderen  Ländern  als  Hotdog  bekannt.  Bei  dieser  Gelegenheit  bekommen  die  Schülerinnen  und  Schüler  der  Klasse  SPKUSK10  ihre  Zeugnisse. Mit dem Ergebnis ist Tove zufrie‐ den.  Sie  hat  ihre  gymnasiale  Ausbildung  als  eine  der  Besten  ihrer  Klasse  abgeschlossen.  Die Noten haben für ein Stipendium gereicht.  Was  Tove  mit  dem  Geld  machen  will,  weiss  sie noch nicht. Ähnlich sieht es mit ihren Zu‐ kunftsplänen  aus.  In  einem  aber  sind  sich  viele  schwedische  junge  Erwachsene  einig:  Bloss  nicht  gleich  weiterstudieren.  Für  eine  Ausbildung  sei  später  noch  Zeit,  an  so  was  wolle  man  noch  nicht  denken.  So  will  auch  Tove einfach den Moment geniessen, im Hier  und  Jetzt.  Denn  jetzt  steht  der  grosse  Mo‐ ment im wahrsten Sinne des Wortes vor der  Tür.  Alle  Klassen  des  Jämtlands  Gymnasium  machen  sich  im  Eingangsbereich  der  Schule  bereit, bis die ersten aus der Türe treten und   sich klassenweise auf die Treppe stellen.     5. Juni 2013, 12 Uhr, Schulschluss    In  ihren  weissen  Sommerkleidern  und  Anzügen  singen  sie  den  studentsången  und  lassen  sich  von  der  aus  Eltern,  Verwandten  und Freunden bestehenden Menge bejubeln.  Toves  Klasse  hat  die  Nummer  10.  Sie  spürt  die  feierliche  Anspannung,  die  sich  unsichtbar  auf  alle  zu  übertragen  scheint.  Um  12  Uhr  tritt  auch  sie  hinaus.  „Es  ist  ein  herrliches  Gefühl  über  die  Schwelle  zu  gehen.  Aber  irgendwie  fühlt  es  sich  auch  unwirklich  an,  dass  es  schon  so  weit  ist“,  meint  Tove,  als  sie  an  diesen  Moment  zu‐ rückdenkt.  Draussen  warten  die  Mama,  der  Papa  und  die  Verwandten  mit  einem  selbstgebastelten  Schild  im  Platzregen.  Eigentlich  sollte  es  ein  warmer  Sommertag  werden,  aber  die  Sonne  hat  sich  noch  nicht  blicken  lassen,  was  sich  für  den  restlichen  Tag  nicht  ändern  soll.  Tove  nimmt  Glückwünsche  von  links  und  rechts  entgegen,  während  man  ihr  Blumen,  kleine  Studentenmützchen  und  Teddybären  um  den Hals hängt.   Für den nächsten Höhepunkt muss sich Tove  warm  anziehen.  Die  letzte  Woche  hat  die  ganze  Klasse  einen  Lastwagen  mit  be‐ schriebenen  Leintüchern,  Fähnchen,  Birken  und  einer  Musikanlage  geschmückt.  Jetzt  klettert  einer  nach  dem  andern  auf  die  Ladefläche,  die  stolzen  Eltern  zu  ihren  Füs‐ sen  schiessen  Fotos.  Musik  und  Motor  wer‐ den angelassen, der Partywagen fährt davon.  Immer  mehr  bunte  Gefährte  kommen  dazu,  es  bildet  sich  ein  Strom,  der  schliesslich  in  einer Rundfahrt durch die Hauptstrassen der  Stadt  endet.  Die  Autofahrer  wissen  diese  Strassen  einmal  jährlich  zu  meiden,  denn  wer in den Strom reinkommt, kommt weder  vor‐ noch rückwärts. Während der nächsten  zweieinhalb  Stunden  tanzen,  singen  und  trinken  die  frischgebackenen  Studenten.  Die  Regenponchos  und  die  neun  Grad  dämpfen  die  Stimmung  nicht.  „Im  Gegenteil,  ich  fand  es  lustig  im  Regen  zu  tanzen“,  antwortet  Tove auf die Frage, ob es nicht schade gewe‐ sen sei, dass so schlechtes Wetter war. „Klar  9