Suchtreport 2019 – CRAFT Neue Wege in der Suchttherapie 2019-08-26_suchtreport_2019 | Page 11

aus den 70er Jahren, wonach Merkmale wie Substanz, Person und Umwelt interagieren. Auch wenn die Hirnforschung da weitreichende Erklärungsan- sprüche angemeldet hat, überzeugen mich diese in methodischer Hinsicht nicht. Vielleicht liesse sich da noch eine spannendere Alternative finden. Ich habe z.B. zum Themenfeld «Ausstiegsprozesse aus der Alkoholabhängigkeit mit und ohne Inanspruchnahme von Hilfen» promoviert, vielleicht könnte das ein Themenfeld sein…? Die Angehörigen von Alkoholkranken werden bis heute häufig als Co-Alkoholiker bezeichnet und aus den therapeutischen Bemühungen für die Patienten herausgehalten. Was hat das für Auswirkungen? Die Auswirkungen solcher pathologisierender Zuschreibungen sind, dass oft- mals nicht mehr versucht wird, die Motive und Bedürfnisse der Angehörigen zu verstehen und dass dementsprechend Angehörige Opfer einer doppelten Stigmatisierung werden. Sucht ist ja bereits ein «Schmuddelthema», und dann noch unter den Folgen der Suchterkrankung einer anderen Person zu leiden oder sich gar Sorgen um diesen Menschen zu machen gilt schnell als unvernünftig – schliesslich sei Abgrenzung die einzige Möglichkeit. Das ist aber empirisch falsch, denn auch viele Suchtpatienten in Therapien beginnen die Therapien aufgrund von Druck durch das familiäre Umfeld. Und es blendet alles aus, was wir bindungstheoretisch wissen. Schliesslich ist gut belegt, dass die Einbeziehung von Angehörigen in die Behandlung von Suchtkranken die Behandlungsergebnisse deutlich verbessern kann, gerade mit Blick auf Rückfallprophylaxe. Sie gehören zu den namhaften Wissenschaftlern, welche den CRAFT-Ansatz im deutschsprachigen Raum unermüdlich verbreiten. Was überzeugt sie an diesem Therapieansatz und wodurch unterscheidet sich dieser von den übrigen Ansätzen? Zunächst hat mich an dem Ansatz überzeugt, dass sämtlich Studien eine klare Wirksamkeit belegen, dass mir die einzelnen Elemente alle folgerichtig erschienen und vor allem, dass der Ansatz flexibel hinsichtlich der Zielfindung ist. Der Ansatz gibt Angehörigen konkrete Handlungsmöglichkeiten an die Hand. Darin unterscheidet er sich von den meisten anderen Ansätzen der Angehörigenarbeit. Er kombiniert Methoden des Motivational Interviewings mit einer systemisch gewendeten Verhaltenstherapie, wie ich es gerne nenne – allesamt Ansätze, mit denen ich gerne arbeite. Aus der klinischen Arbeit überzeugt mich zudem, dass eine auch gelegentlich beobachtbare Folge der 11