Suchtreport 2019 – CRAFT Neue Wege in der Suchttherapie 2019-08-26_suchtreport_2019 | Page 9
Eingeübte Kommunikationsstrategien
Zur Erreichung der auf den IP bezogenen Ziele Reduktion des Substanz-
missbrauchs und Inanspruchnahme von Hilfen werde mittels funktionaler
Verhaltensanalysen Konsumverhalten und funktionales Verhalten des IP ana-
lysiert und damit die Verstärkerbedingungen des Verhaltens nachvollziehbar.
Auf dieser Grundlage können Angehörige gezielt Möglichkeiten der Verhal-
tensbeeinflussung auswählen, die ihnen sinnvoll und machbar erscheinen.
Hierzu zählen positive Verstärkung bei gesundem Verhalten (z. B. Zuwendung
bei Abstinenz) und eine Beendigung negativer Verstärkung bei Konsum
(z. B. Beseitigen von Erbrochenem im Badezimmer). Die Verhaltensänderungen
der Angehörigen werden dabei nach Möglichkeit im Vorfeld angekündigt;
hierfür werden positive Kommunikationstrategien in der CRAFT-Behandlung
mittels Rollenspielen eingeübt.
Sämtliche CRAFT-Module werden in Form von Hausaufgaben zwischen den
Therapiesitzungen angewendet und die Effekte dann in den Sitzungen be-
sprochen. Die zentrale Maxime ist, sich auf Bewältigungsstrategien zu begren-
zen, die als zielführend (hinsichtlich eigener Entlastung oder Beeinflussung
des IP) gewertet werden.
Belegte Wirksamkeit
Neben spezifischen Paar- und Familienbehandlungen, die bereits eine Be-
handlung des suchtkranken Familienmitglieds zur Voraussetzung haben,
ist CRAFT als die am besten evaluierte Intervention für Angehörige unbe-
handelter Suchtkranker anzusehen. Es liegen mittlerweile fünf publizierte
randomisiert-kontrollierte Studien vor, in denen die Wirksamkeit von CRAFT
sowohl bei Alkohol als auch bei anderen illegalen Drogen belegen. Die Raten
der Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfen durch vormals nicht behand-
lungsbereite IPs betrugen dabei je nach Studie nach 12 Monaten zwischen
40 und 80 Prozent. Zudem konnte ein signifikanter Rückgang an psychoso-
zialen Belastungen bei den teilnehmenden Angehörigen festgestellt werden.
Zusammenfassend liegt mit CRAFT ein wirksames, handlungsorientiertes
und den Bedürfnissen vieler Angehöriger entgegenkommendes Konzept vor.
Eine Implementierung und ggf. Refinanzierung entsprechender Angebote
erscheint dringend geboten.
Von Gallus Bischof