Stadt Visionen – Wissen, Kreativität und Kultur in der Innenstadt der Zukunft | Page 47

Wissensraum Innenstadt
Im Workshop „ Zukunftswerkstatt“ wurde anhand des MP Tribal Museums herausgearbeitet, dass gleich mehrere strategisch-konzeptionelle Ansätze für den Erfolg des indischen Museumsbeispiels als „ Dritter Ort“ verantwortlich sind:
Regelmäßige Veränderung statt Permanenz: Das neuartige Museum ist bei der einheimischen Bevölkerung ein großer Erfolg. Diese halten sich in der Regel drei bis fünf Stunden während ihres Museumsbesuches auf. Die Besonderheit des Museums liegt darin, dass der Ort wortwörtlich von den Besucherinnen und Besuchern genutzt werden kann und soll. Das Museum verfügt über keine Sammlung oder Originale und damit auch keine Permanenz. Alle „ Ausstellungsstücke“ werden vor Ort hergestellt und sind in einem permanenten Wandel, eng verzahnt mit lokalem( Kunst) Handwerk und lokaler Kultur. So entsteht ein permanenter Wandel: Kreationen werden vor Ort erstellt und teilweise wieder verändert oder gar komplett durch neue Exponate ersetzt. Beispielsweise werden manche Artefakte, Wände, Bilder etc. übermalt, sodass immer wieder etwas Neues entsteht und es folglich bei jedem Besuch etwas Neues zu entdecken gibt. Durch die permanente Veränderung werden die Besucherinnen und Besucher dazu angeregt, wieder und wieder zu kommen.
Multifunktionalität und offenes Zeitangebot: Abends verwandelt sich das Museum in ein Kulturzentrum. Hier werden auf zwei Bühnen regelmäßig Theaterstücke oder Ähnliches aufgeführt.
Gesamtästhetik /-kunstwerk: Das Museum ist ein Gesamtkunstwerk, in dem jeder Bereich, jedes Element gestaltet ist. So sind beispielsweise Lichtschalter Teil einer künstlerischen Wandgestaltung. Räume, die nicht zur Ausstellung genutzt werden, wie Flure, untere Etagen, Café, Außenbereiche ziehen durch ihr Design an, einschließlich eines Gartens. Sie bieten Raum für „ Selbstgestaltung“ durch Besucherinnen und Besucher. Diese freien Entfaltungsmöglichkeiten tragen zu einem starken Wohlfühlfaktor bei. Qualitätsentfaltung als „ Dritter Ort“, der unterschiedliche Bedürfnisse bedient und entsprechende Nutzungstypologien nach sich zieht:
1. Dating-Ort Das Museum bietet für junge Paare einen geschützten Raum; gerade in der indischen Kultur sind Treffen unverheirateter Paare im häuslichen Umfeld nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Das Museum stellt eine geordnete Freiheit dar, als Schutzraum bringt er, im Gegensatz zu den öffentlichen Räumen in Indien, keine Regularien mit sich, wodurch ein ungezwungenes Zusammentreffen möglich wird.
2. „ Adda-Ort – Lieblingsort‘‘ Das Museum lädt zum Treffen und Verweilen ein, ist ein Ort zum Verbringen gemeinsamer Zeit, beispielsweise durch ein Picknick und das Mitbringen und den gemeinsamen Verzehr von eigenem, selbstgemachtem Essen( von großer Bedeutung in der indischen Kultur). Insbesondere für Frauen bietet das Museum zudem Sicherheit und ist für alle Gesellschaftsschichten offen. Viele kommen in das Museum und verbringen den ganzen Tag dort. Wenngleich geprägt durch die kulturellen und standortspezifischen Gegebenheiten in Indien, verdeutlicht das Beispiel sehr anschaulich, dass dieses Museum vielmehr ein sozialer Ort, als ein Raum für die Betrachtung von Objekten ist. Das Museum gleicht die Defizite der Stadt und deren Sozialräume aus. Die Besucherinnen und Besucher kommen und können im Museum Sub-Territorien abstecken. Verschiedene Gruppen, wie z. B. Familien, Freundeskreise, Lernkreise, junge Paare etc., nutzen diese Möglichkeit und „ besetzen“ einen gewissen Raum, was für sie im restlichen Indien schwer bis gar nicht möglich ist.
In der Übertragung bedeutet dies, dass die Auseinandersetzung mit den in der Stadt – der Stadtgesellschaft – stehenden Bedürfnisse zentrale Basis für die Gestaltung des Wissensraums sein sollte, um dessen Attraktivität und Nutzung zu fördern.
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