Wissensraum Innenstadt
3. Wichtige Wesenszüge der MP Tribal Museums als „ Dritter Ort“
Besonders wichtig, für die Rolle des MP Tribal Museums als „ Dritter Ort“ sind die Komplementarität des Museums mit der umgebenden Stadt und der Bottom-Up-Zugang in Bezug auf die Besucher * innen.
Komplementarität des Museums mit der umgebenden Stadt Im urbanen Kontext hierzulande werden Museen oder überhaupt Kultureinrichtungen als „ Dritte Orte“ als eine Antwort auf das Krisenportfolio leerstehender und verödeter Innenstädte sowie zunehmender Vereinsamung und psychischer Problembelastung der Stadtbevölkerung diskutiert. Auch das MP Tribal Museum und die Stadt Bhopal stehen in einer engen wechselseitigen Beziehung, in der das Museum Alternativen auf Defizite der umgebenden Stadt reagiert und Kompensationsangebote macht. Und die Herausforderungen in Bhopal sind vielzählig. Nicht Leerstand oder psychosoziale Isolation prägen das Bild, sondern überwältigende Fülle, lautstarkes Gedränge auf Marktplätzen und Straßen, dichter Verkehr und sichtbare Armut. Denn indische Städte sind so gennannte „ Ankunftsorte“, für eine starke innerindische Migration vom Land, d. h. den Dörfern, in die Stadt. Ein schwerwiegendes Problem der meisten indischen Städte ist zudem die Sicherheitslage für Frauen im öffentlichen Raum. Frauen sind ständigen Belästigungen und Kommentierungen ausgesetzt. Damit sind für Frauen jedes Alters Treffen im Freundeskreis traditionellerweise fast ausschließlich zu Hause möglich.
Zugleich hat sich seit dem Beginn der ökonomischen Liberalisierung Indiens in den 1990er Jahren viel verändert. Traditionelle „ Dritte Orte“ wie z. B. Kaffeehäuser, preiswerte Treffpunkte für alle sozialen Schichten, wurden verdrängt von neuen kommerziell ausgerichteten Orte, wie etwa Coffee Shops, Shopping Malls, Multiplex- Kinos mit geräumig-plüschigen Foyers. Im Vergleich zu anderen öffentlichen Orten sind diese zwar sicher und klimatisiert, aber nicht für alle Städter * innen gleichermaßen zu nutzen. Gerade für Angehörige der unteren Mittelschicht ist der Aufenthalt dort finanziell kaum erschwinglich, außerdem setzt er einen gewissen Klassenstatus( z. B. in Shopping Malls) voraus, der durch Kleidung und Verhaltensmuster auszuweisen ist. Die üblichen Sicherheitskontrollen am Eingang stellen soziale Barrieren dar und garantieren eine sozial homogene Klientel.
Neben den Frauen hat eine weitere Gruppe besonders prekären Status in der Stadt: junge unverheiratete Paare. Auch die Großstadt, in geläufiger westlicher Vorstellung „ anonym“ und damit der Inbegriff individueller Unabhängigkeit und Freiheit, ist für Paare in Indien ein überwachter Raum. Hier wird die Überwachung nicht von Familienmitgliedern oder Verwandten, sondern von unbekannten Mit-Nutzer * innen des öffentlichen Raums ausgeübt, sobald die Paare ihre Vertrautheit in Gesten und Verhaltensweisen demonstrieren. Die Spanne der selbstermächtigten Kontroll- und Missbilligungsaktionen reicht von einem voyeurhaften Starren bis hin zu konkreten Belästigungen der Paare. In einzelnen Fällen kann dies auch zu Gewalttätigkeiten durch( organisierte) Gruppen führen, die versuchen, die Paare öffentlich zu beschämen und zu bedrohen. Einige Fälle von Sittlichkeitsterror haben internationale Aufmerksamkeit erregt, vor allem hindunationalistische Aktionen gegen den Valentinstag, bei denen Ideologie und moralischer Eifer oft mit gewaltbereitem Rowdytum verschmelzen.
Hier bietet das MP Tribal Museum eine Alternative, der den großen Besucher * innenzuspruch miterklärt. Die Zugangsbarrieren sind gering – mit einem Eintrittspreis von 20 Rupien( ca. 22
44 Stadt Visionen – Wissen, Kreativität und Kultur in der Innenstadt der Zukunft