Sonntagsblatt 6/2016 | Page 26

ständnisse. Ein Beispiel, unlängst gelesen: …die heidnischen Un - garn brachten im 8. Jh. viel Leid in westliche Länder… Nun, das waren damals die Madjaren, zu der Zeit gab es noch keinen unga- rischen Staat, somit auch keine Ungarn. Die Schlussfolgerung in obigem Beitrag „Die Antwort ist einfach. Also beide. Ich bin Ungar und ich bin Deutscher, ich bin Ungarndeut - scher” ist nur formell richtig, weil inhaltlich will man damit etwas anderes ausdrücken, nämlich „én magyar és német vagyok”, was ins Deut sche übersetzt „ich bin Madjare und Deutscher” heißt. Und da ist der Hund begraben! Denn: Das Problem Identität (Volkzugehörigkeit) zieht auch die Frage Muttersprache nach sich. Eigentlich das wichtigste Merkmal eines Volkes (Volkssplitters, Nationalität) ist doch die Sprache. Die Muttersprache als teuerstes, höchstes Erbe! Das Erbe, das unsere Ahnen Jahrhunderte hindurch gepflegt und weitergegeben haben, ist uns, den Deutschen in Ungarn entschwunden. Es wieder zu er - langen, dafür müssten wir kämpfen. Doch in diesem Kampf versa- gen die „Ungarndeutschen”. Wie mir unlängst ein junger Lands - mann erklärte: „Ich bin kein Deutscher in Ungarn, ich bin Un - garndeutscher. Als Deutscher sollte auch meine Mutterspra che Deutsch sein, doch als Ungarndeutscher ist die Muttersprache Nebensache.” Eine solche Einstellung bedeutet den Volkstod! Georg Krix • Zum Feierabend • GIECK/KÉTY – ein interessantes Dörflein in der Tolnau Allein schon Volkszählungsergebnisse geben uns Erklärung zur Geschichte des Ortes. 1941 – Damals lebten in Gieck: 1113 Personen, davon Deutsche 1019 Personen. – Ein sauberes, blühendes, aufstrebendes Dorf 2001 – Einwohnerzahl: 758 Personen, davon 9 Deutsche. – Ein heruntergekommenes „Geisterdorf” 2011 – Im Ort leben 597 Madjaren und 18 Deutsche. – Dank „betuchter Neusiedler” befindet sich der Ort im Aufblühen Dazu aus vergangener Zeit: Kirchweihgebräuche in der Gemeinde Kéty Von Dr. Johann Weidlein Unter den vielen althergebrachten Sitten und Bräuche unseres Volkes spielt wohl die Kirchweih die bedeutendste Rolle. Sie heißt bei uns in den lutherischen Dörfern der mittleren Tolnau: Khärp. Es handelt sich bei diesem allbekannten Volksfest um die mit rei- chem Schmaus verbundene Feier des germanischen Erntefestes, das die alte Kirche in den Rahmen des christlichen Festkalenders einbezog, indem sie es mit dem Patroziniumstag des Kirchen - heiligen, bzw. dem Tag der Weihung der Ortskirche verband. In den obengenannten Dörfern beginnt die Zeit der Kirchwei - hen zu Michaeli (in Gyönk), die letzte Khärp ist in Szárazd und fällt auf Katharina. In Kéty ist sie am ersten Tag in der Woche der Allerheiligen. In den meisten dieser lutherischen Dörfern kann man noch interessante Kirchweihgebräuche beobachten, deren Ursprung in die alte Heimat zurückführt, wo sie teilweise auch heute noch aufzufinden sind. Die eigentlichen Träger des Kirch - weihbrauchs sind die Khärweburschen und Khärwemenscher, die kameradschaftlich zusammengeschlossene männliche und weibli- che Dorfjugend. Am Vormittag ist Gottesdienst, am Nachmittag 26 gleich nach dem reichlichen Mittagessen holen die Burschen, de - ren Hüte schon vorher von ihren Menschen mit Strauß und Bän - dern geschmückt wurden, die Khärwemenscher vom Elternhaus ab. Der betreffende Bursch sagt hier einen kleinen höflichen Spruch: „Ich habe mir vorgenommen meine Tanzmensch hier abzuholen; da tue ich Vater und Mutter bitten, ob Ihr eure Tochter mit mir an die Kirch weih wollt gehen lassen.” Dann fragt er auch die Tochter, „ob sie gehen wollte mit, dann soll sie sich schicken nach ihrem Fleiß, dass wir kommen zu unserm Preis.” Wenn nun jeder Bursch sein Mensch abgeholt hat, ziehen sie alle samt den Kirchweihgästen in den Pharehop, wo ihrer schon ein Glas Wein auf einem runden Tisch harrt. Dort in dem Pfarrer - hof spielen zuerst die Musikanten, dann aber sagt der älteste Bursch einen ernsten, oft auch spaßigen Spruch, während dessen die Paare wiederholt um den Tisch einen Reigen, einen kurzen Polka tanzen. Der nachfolgende ernste Spruch stammt aus Kéty (1929), wir besitzen aber ähnliche Sprüche schon aus dem Jahr 1865 und auch aus den übrigen lutherischen Gemeinden, ausge- nommen die Dörfer Gyönk und Udvari mit ihrer gemischten Be - völkerung, wo dieser Kirchweigebrauch seit einigen Jahrzehnten schon gänzlich verschwunden ist. Der Spruch selbst lautet folgendermaßen: „Es ist bekannt, ihr lieben Leute, Dass wir unsere Kirchweih feiern heute, Denn nach der Arbeit ist ja gut die Ruh, Und ich denk wir haben auch das Recht dazu.” O Nach der Vertreibung aus Ungarn – Neubeginn in Deutschland Erste Erkundungen II. von Johann Wachtelschneider Entlang der Werksanlagen spazierten wir in Richtung Ortszent - rum. Am Ende des Betriebsareals waren gerade Rangierarbeiten im Gange, und eine kleine Dampflok fauchte vor sich hin. Sie zog eine ganze Reihe von beladenen Waggons in das Werk, dessen Name SHW in großen Buchstaben am Ende der Fabrik ange- bracht war. Großvater ließ sich das Kürzel von einem ortskundigen Passan - ten erklären. Er wusste jetzt offensichtlich Bescheid und zog Parallelen mit der WMF in Csepel. Bald gelangten wir auf den Kirchplatz und betraten durch das Hauptportal die Kirche. Sie war sehr kahl (Neoromanik),aber von fast monumentaler Größe. Großvater fand heraus, dass sie dem Hl. Stefan geweiht war. Dies gefiel ihm irgendwie, hieß doch sein Sohn, mein Onkel, auch Stefan, und dieser Vorname hatte in unserer Heimat (!) Un - garn schon einen recht hohen Stellenwert. Na