Sonntagsblatt 6/2016 | Page 6

austausch bot sich für Vertreter deutscher Minderheiten im Rah- men der diesjährigen Tagung der AGDM in Berlin: Angela Merkel empfing sie im Bundeskanzleramt. Die Bundeskanzlerin gratulierte zum 25. Jubiläum der AGDM und sprach ihre Aner- kennung für die geleistete Arbeit und für die wertvolle Brücken- funktion der deutschen Minderheiten aus. „ Frau Dr. Merkel zeigte großes Interesse für unsere Arbeit, betonte die Wichtigkeit unserer Vermittlerrolle, und sie ermutigte uns alle, die deutsche Kultur und die deutsche Identität zu pflegen.”, führte Otto Heinek, Vorsitzender der Landesselbstverwaltung der Ungarn- deut schen aus. „ Sie versicherte uns der weiteren Unterstützung seitens der Bundesregierung. Wir hatten die Möglichkeit, uns eine halbe Stunde lang mit ihr zu unterhalten, und bei dieser Ge- legenheit zeigte sie großes Interesse an unserer Arbeit. Unse- rerseits habe ich beispielsweise den Hinweis gegeben, dass in Ungarn die Nachfrage nach der deutschen Sprache wachse, und dieser Umstand für die Bundesrepublik Deutschland eine gute Möglichkeit biete, den Bildungsbereich noch mehr zu fördern”. ❖
„ Von seinen Klassenkameraden hat er gehört: Die Madjaren seien doof”
Diána Marosz über die „ madjarischen Migranten” in der Slowakei, über „ die slowakischen Patienten” von Gockern / Šturovo / Párkány und über die ausgebliebene Entschuldigung von Fico
Von Fruzsina Lázár. Erschienen am 18. September 2016 auf dem Portal mno. hu( Ma- gyar Nemzet Online; Printversion erschienen in der konservativen Tageszeitung „ Magyar Nemzet” am 17. Sep tember 2016; Deutsche Übersetzung: Richard Guth
Die alteingesessene Budapesterin, Diána Marosz, lebt seit mehr als zehn Jahren in Sillein / Žilina / Zsolna mit ihrem slowakischen Mann und ihren Kindern. In ihrem Blog – auf der Seite der slowakischen Tageszeitung Sme – bemüht sie sich etwas gegen die Vor- urteile der Slowaken gegenüber den Madjaren / Ungarn zu unternehmen, und meint, dass auch wir vor der eigenen Haustür einiges zu kehren hätten. – Wann haben Sie die slowakische Sprache erlernt? – Als ich das Gymnasium besucht habe. Mit meiner Mutter machten wir uns oft auf in die Slowakei zum Skifahren. Es hat mich überrascht, dass die Ungarn / Madjaren mit jedem ungarisch sprechen wollten, und böse waren, dass die Slowaken sie nicht verstanden haben. Die Slowaken waren wiederum verärgert, weil die Madjaren / Ungarn nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass sie nicht ungarisch sprechen. Bereits als Heranwachsende hat es mich betrübt, dass zwei Nachbarnationen den gemeinsamen Nenner nicht finden können. Ich habe mich entschlossen, dass ich die slowakische Sprache erlerne. Ich habe ein Slowakischkursbuch für Gymnasiasten angeschafft und morgens in der Straßenbahn, auf dem Weg zur Schule slowakisch gelernt. – Hätten Sie jemals gedacht, dass Sie in der Slowakei leben werden?
– Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass mein Leben eine solche Wendung nimmt. Die Sprache ist mir lieb geworden, nach dem Abitur studierte ich Slowakisch, später nahm ich das Fach Polnisch auf. Man konnte ein-zwei Semester als Auslandssemester in der Slowakei studieren. Ich habe mich für Neutra / Nyitra entschieden, hier habe ich meinen späteren Mann, Ján Marosz, der aus Sillein / Zsolna stammt, kennen gelernt, der Deutsch und Religion studiert hat. – Sillein galt lange als Hochburg des slowakischen Chauvinismus, der madjarophobe Ján Slota war 16 Jahre lang Bürgermeister der Stadt. Hatte ihr Mann keine Vorurteile gegenüber den Madjaren / Ungarn? – Zum Glück ist mein Mann ein offener Mensch, der väterlicherseits polnischer Abstammung ist, er hatte kein Problem damit, dass ich Madjarin / Ungarin bin, heute spricht er ausgezeichnet ungarisch. Seitens seiner Eltern meinte ich ein wenig Distanz zu spüren. All ihre Schwiegertöchter – sie haben fünf Kinder – haben sie sofort in ihr Vertrauen geschlossen, mich jedoch nur einige Jahre später. Dies, obwohl die Mutter meiner Schwiegermutter Madjarin war, auch wenn sie einen Slowaken heiratete und mit ihren Kindern kein Ungarisch mehr sprach. Sie erzählte, dass in der Zeit des Bevölkerungsaustausches / der Vertreibung viele Madjaren der Meinung waren, dass sie ihren Kindern nur schaden würden, wenn man ihnen die ungarische Sprache beibringt. – Hat Ihre Familie nicht beanstandet, dass Sie sich einen slowakischen Mann ausgesucht haben? – Meiner Oma gefiel es nicht. Sie ist Anfang der 30er Jahre geboren, wuchs in der Horthy-Ära auf, und obwohl sie nie einem Slowaken begegnete, wurde in ihr Gedächtnis eingeprägt, dass „ der Slowake kein Mensch ist, die Kartoffel keine Speise”. Gegen die Vorurteile ist der Mensch leider machtlos. – Ich als Madjarin / Ungarin hätte wahrscheinlich nicht den Mut gehabt, nach Sillein / Zsolna zu ziehen. – Ursprünglich hatten wir auch andere Pläne. Wir wollten in Ungarn leben, aber nach der Universität habe ich keine Arbeit in Ungarn bekommen, er hingegen in der Slowakei ja. Wir zogen nach Sillein, und ich dachte naiv, dass die Einheimischen uns mit offenen Armen empfangen, uns lieben werden, weil ich die slowakische Sprache gelernt habe und die slowakische Kultur kenne. Den ersten Rückschlag bedeutete die Erkenntnis, dass die dort lebenden Slowaken nicht wirklich einen Unterschied machen können zwischen den Slowakeimadjaren und den Madjaren in Un- garn / den Ungarn. Für sie ist es selbstverständlich, dass ein Mad- jare, der in der Slowakei lebt, slowakisch kann. Anstelle, dass sie sich freuten, dass ich ihre Sprache spreche, gab es welche, die mich verhöhnt, meinen Akzent nachgemacht haben. Da ich auch dort keine Arbeit fand, habe ich in einer Zeitschrift eine Anzeige geschaltet, dass ich Ungarischunterricht erteile. Am nächsten Tag kam eine Kurzmitteilung, deren Verfasser mir unterstellte, ein Provokateur zu sein. Eine ältere Dame rief mich an und zog mich zur Rechenschaft, warum ich die Slowaken mit Gewalt „ madjarisieren” wolle. Nach all dem begann ich zu realisieren, dass die Situation viel komplizierter ist als gedacht. – Was ist der Grund, dass es für viele Slowaken selbstverständlich ist, dass jeder Madjare, der in der Slowakei lebt, ihre Sprache spricht? – Das ist vordergründig ein Fehler des Geschichtsunterrichts. Man macht es den Schülern nicht bewusst, dass in der Slowakei mehrere Nationalitäten wohnen. Man bringt ihnen sogar bei, dass die Slowakei die Heimat der slowakischen Nation( sic!, R. G.) sei, und alle anderen Einwanderer wären. Von den Slowakeimadjaren denkt man, dass sie sich in der Slowakei angesiedelt hätten. Nicht nur solche Menschen sind davon überzeugt, die eine niedrige Schulbildung haben, sondern auch Akademiker. – Wird ein Mensch, der in der Nordslowakei lebt und ungarisch spricht, in den Augen der Einheimischen leicht zum Provokateur?
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