Sonntagsblatt 6/2016 | Page 28

• Leserbriefe •
Geteilte Halbinsel Fähren von und nach Deutschland( Kiel), Dänemark und Schwe- den( Karlshamn) können selbst im Winter in den eisfreien Hafen von Memel einlaufen. Wir steuern den Hafen zum Übersetzen auf die Kurische Nehrung an. An der schmalsten Stelle bewältigt das Fährschiff die 380 Meter in wenigen Minuten. Wegen des sommerlichen Andrangs ist die Zahl der Personen und Pkws pro Tag begrenzt, denn die Halbinsel ist ein Naturschutzgebiet im UNES- CO Welterbe. Von der Gesamtlänge von 98 Kilometern gehören 52 zu Litauen und 46 zu Russland. Litauische Fischerboote sind mit einem Wimpel versehen, der die Zugehörigkeit des Bootes markiert. Bei Sturm oder Nebel kann es vorkommen, dass man die Orientierung verliert. Wer dann in fremden Gewässern landet, zahlt doppelt Bußgeld: an den fremden und an den eigenen Staat.
Das „ wilde Volk” der Kuren(„ Hüte dich vor Kuren”!) bewohnte einst die Insel und vermengte sich mit den Deutsch-Balten. Ab dem Zweiten Weltkrieg sind jedoch kaum noch deutsche Spuren auszumachen. Wandernde Sanddünen haben im Laufe der Zeit 14 Orte verschlungen. Der 50 Meter hohen Großen Düne wurde durch Aufforstung Einhalt geboten. Auf dem „ Dünenhaupt” steht eine Sonnenuhr, die ihren Schatten auf eine mit Runen versehene Marmorplatte wirft. Der unfruchtbare Sandboden lässt nur be- grenzte landwirtschaftliche Nutzung zu, so dass Tierfutter( Heu), Obst und Gemüse vom Festland auf die Nehrung gebracht werden.
Nidden an der Großen Düne
Nidden / Nida nahe der Großen Düne ist mit seinen 1500 Einwoh- nern der Hauptort auf dem litauischen Teil der Nehrung. Der Ort ist auch historisch, kulturell und landschaftlich von besonderer Bedeutung. Von Memel aus setzten Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise hier über und bezogen Quartier in einem Gebäude, an dessen Stelle heute das Hotel Jurate( Meeresgöttin) steht. Die malerischen, im Nidden-Blau gehaltenen Fischerhäuser werden über den Sommer als Ferienhäuser vermietet. Die langgestreckte Uferpromenade lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein. In Nidden sollte man keineswegs das Bernstein-Museum verpassen. Der Foto- graf und Besitzer des Museums, Kazimie- ras Miz giris, sammelte am Strand unzählige angespülte Bernsteinreste. Sehens wert
Die Große Düne bei Nidden sind auch Kirche und Fried hof. Auf letzterem stößt man auf heidnische Bestattungs- relikte: Neben den Kreuzen finden sich auch im Boden befestigte Bretter mit den Daten der Verblichenen. Die im Oktober 1888 eingeweihte Kirche wurde dank Spenden evangelischer Institutio- nen aus dem ganzen Deut schen Reich errichtet. In der Sowjetzeit durften Gottesdienste nur bis 1962 gefeiert werden. Danach wur- de die Kirche vom Staat konfisziert und durch Plünderungen schwer beschädigt. 1992, nach der Unabhängigkeit Litauens, wur- de sie der evangelisch – lutherischen Kirche von Litauen zurückerstattet. Die Tochter des Malers Ernst Mollenhauer( 1892 – 1963), die Kunsthistorikerin Ma ja Ehlermann-Mollenhauer( 1925 – 2012), sorgte für die Reno vierung des Gotteshauses, wo im Sommer Konzerte mit klassischer Musik dargeboten werden.
Zu Beginn des 20. Jh. hat der Hotelier, Kunstsammler und Mä- zen Hermann Blode( 1862 – 1934) in Nidden expressionistischen Künstlern kostenlos Logis geboten – und bei der Verabschiedung je ein künstlerisches Werk einbehalten: So entstand die Künstler- ko lo nie, die sich mit Namen wie Max Pechstein, Karl Schmidt- Rottluff, Lovis Corinth, Ernst Bischoff und Ernst Mollenhauer schmückt. Auch die Schriftsteller Thomas Mann und Carl Zuck- mayer besuchten die Kolonie, die heute als Museum zum Hotel „ NidosSmilte” gehört.
Auf den Spuren von Thomas Mann Thomas Mann besuchte die Nehrung 1929 nach einem Vortrag in Königsberg, Ernst Mollenhauer empfing und begleitete die Fa- milie. Die Fischer staunten nur, wer wohl dieser wichtige Gast sei, um den so viel Aufhebens gemacht wurde. Mann erwarb ein Grund stück auf dem „ Schwiegermutterberg” und ließ dort ein Sommerhaus mit Fließwasser und Strom – damals „ revolutionär” – errichten. Vormittags schrieb er im Arbeitszimmer im 1. Stock, während seine Familie am Strand lag, nachmittags gesellte sich auch er zu ihnen. Wenige Schritte vom Haus entfernt befindet sich noch heute sein Lieblingsplatz, „ mein Italien” genannt. Und wahr lich: Den Blick von hier aus über das Haff gleiten zu lassen, entschädigt für vieles – sogar für eine nicht stattgefundene Reise nach Italien.
Die Idylle währte nur kurz: 1933 musste Familie Mann Deutsch land verlas sen und sah das Sommer domizil nie wieder. Im Zwei ten Weltkrieg erholten sich dort deutsche Offiziere, danach sowjetische Kommunis- tenbonzen. Die Nehrung wur- de zum Sperrge biet erklärt, und als man sich schließlich 1965 dazu aufraffen konnte, dem Dich ter eine Gedenkstätte einzurichten, war es für dessen in den USA lebenden Sohn unverständlich, wieso die Fa mi lienmitglieder zur Eröffnung nicht eingeladen wurden. Dafür stürmen jetzt Touristen das Museum, das kaum Originalge genstände enthält – ausgenommen ein Lehnstuhl. Kopien von Briefen, Fotos der Familie Mann sowie ein Bild von Ernst Mollenhauer, das Eh ren- doktordiplom von 1919 und – groteskerweise – dessen „ Entzug” aus dem Jahre 1936 zieren karge Wände.
Fotos: der Verfasser

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Das Thomas-Mann-Sommerhaus in Nidden
An das Sonntagsblatt – für das Sonntagsblatt MERKWÜRDIG dass ich im letzten Sonntagsblatt( 5 / 2016) nicht finde was ich suche. Ich wollte nämlich über die „ Tagung für deutsch sprachige Minderheiten aus dem östlichen Europa”, ge- hal ten in Berlin im September, die Meinung des Sonntagsblattes erfahren. Die Neue Zeitung hat in der Nummer vom 16. Sep- tember ausführlich darüber berichtet, wonach ich annehme, dass die NZ an dieser Tagung teilgenommen hat. Weil das Sonntags- blatt jedoch kein Wort zur Sache verliert halte ich es für wahrscheinlech, dass die Redaktion des Blattes nicht vertreten war, d. h. es nicht für nötig hielt, bei einer so wichtigen Tagung dabeizusein. Warum? Ich meine, d. h. aus Erfahrung weiß ich, dass das Sonntagsblatt nicht weit und breit bekannt ist, was es aber doch sein sollte und sicherlich auch möchte. Ich finde leider auch nirgends( in Zeit- schriften im In- und Ausland, im Kalender, in Büchern) eine Notiz über das Sonntagsblatt als Sprachrohr für ein deutsches Ungarn- deutschtum, was so den Anschein erweckt, als würde es dieses Blatt überhaupt nicht geben. Was ich dann im Internet über das Sonntagsblatt der Ungarndeutschen( denn es gibt weltweit gar sehr viele Sonntagsblätter) sehe, das finde ich für ziemlich blutarm. Mein Rat an die Redaktion des Blattes: Halten sie sich an das Motto „ Mit WAHRHEIT UND MUT für die Zukunft des Ungarndeutschtums!” Und vergessen sie auch nicht das alte und allbekannte Sprichwort: Wer nichts aus sich macht, aus dem wird auch nichts.
Dr. Wenzel Bohner
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