Sonntagsblatt 6/2015 | Page 12

ken , die mit der Nationalitätensprache vertraut sind , stellte des Gesetz scheinbar strenge Maßnahmen in Aussicht .
Um die Wende der 30er Jahre war die Nationalitätenfrage u . a . eine Schulfrage . Die Leiter der Nationalitäten – in erster Linie die der Deutschen – waren bestrebt , die Schulen des Typs C , in denen die Muttersprache nur ein Fach unter vielen war , zu dem Schultyp B ( gemischte Unterrichtssprache ), bzw . zum Schultyp A ( nur Muttersprachenunterricht ) umzugestalten . Im Schuljahr 1929 / 30 gelang es in der Frage der Typenverteilung grundlegende Verän - derung zu erreichen : der bedeutende Teil der Schulen des Typs C bildete sich zum Typ B um .
Das Netz der Nationalitätenschulen nach Typen zeigt im Schuljahr 1932 / 33 folgendes Bild :
Typ A
Typ B
Typ C
Insgesamt
Deutsch
46
139
263
448
Slowakisch
2
51
53
Rumänisch
1
10
11
Südslawisch
15
11
27
53
Insgesamt
61
153
351
565
Ab Anfang der 30er Jahre zeigten sich ungünstige Tendenzen im Nationalitätenschulwesen . Die Umgestaltung der Schulen des Typs C in Typ B wurde eingestellt , und damit geriet der ganze Nationalitätenunterricht in Krise . Die Lage verschärfte sich auch noch dadurch , dass in der Nationalitätenbewegung radikale Strö - mungen auftraten , die sich nicht mehr mit mäßigen sprachlich kulturellen Rechten begnügten , sondern politische Rechte forderten und danach trachteten , ihre Nationalitätenidentität voll zur Gel - tung zu bringen . Diese radikale Richtung trat auch bei den anderen Nationalitäten auf , so z . B . auch bei den Slowaken , doch ihre volle Entfaltung erreichte sie bei der deutschen Minderheit unter der Führung des nationalsozialistisch ( sic .) eingestellten Vereins - sekretär , Franz Basch .
Die Regierung von Gyula Gömbös begegnete dieser erstarkten Bewegung teils mit Zugeständnissen , teils mit Strenge . Diese doppelseitige Politik brachte vor Weihnachten 1935 die Schulverord - nung Nr . 11 000 / 1935 ME heraus , welche mit dem Klebergsberg - schen 3- Typen-System der Nationalitätenschulen brach und einen einheitlichen Typus einführte , der im wesentlichen dem Typ B entsprach , also gemischtsprachig war . Die mit der Verordnung ins Leben gerufene Nationalitätenschule einheitlichen Typs ( Typ B ) war dem verbreiteten Typ C gegenüber ein Zugeständnis , dem ra - ren Typ A gegenüber aber Strenge . Der Übergang zum neuen Typ musste bis zum Schuljahr 1938 / 39 beendet werden .
Wenn die Verordnung mit ihrer ursprünglichen Intention bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführt wird , nimmt die Spannung um die Nationalitätenschulen sicherlich ab . Doch die Durchführung nahm eine verkehrte Richtung ein . Der Idealtyp des Nationa li - tätenunterrichts , der Typ A mit der Muttersprache als Unterrichts - sprache ist eilends abgeschafft worden , doch gleichzeitig bemühte man sich nicht gerade , die Schulen des Typs C umzugestalten . Die Nationalitäten fühlten sich deshalb betrogen : Mit dem einheitlichen Schultyp haben sie nur verloren – nämlich die Schulen des Typs A –‚ doch gewonnen haben sie nichts , weil der herrschende weiterhin der Typ C blieb , welchen man wirklich nicht als Natio - nalitätenschultyp betrachten konnte . Die radikalen Mitglieder der deutschen Bewegung haben aber nicht bloß den Typ C nicht als solchen anerkannt , sondern auch schon den gemischtsprachigen einheitlichen Typ nicht . In ihren Augen galt eine Schule nur dann als Nationalitätenschule , wenn die Unterrichtsprache die Mutter - sprache war . Ihr Skepsis gegenüber dem gemischtsprachigen Un - ter richt unterstützten auch pädagogische Argumente : Sándor Imre , einer der angesehensten Pädagogen der Horthy-Periode , ein Apostel der „ Nationalerziehung ” schätzt die Aussichten des gemischtsprachigen Unterrichts auch noch 1936 ziemlich düster ein : „ Es ist klar , schreibt er , dass der Unterricht mancher Fächer in einer fremden Sprache genausowenig zu einem Ergebnis führt , als wenn der ganze Unterricht in dieser Sprache gehalten würde . Einzelne Fächer können auch nur dann mit Hoffnung auf Erfolg in der Fremdsprache gelehrt werden , wenn der Schüler auch in der fremden Sprache bereits ausreichenden Wortschatz hat , wenn er den Unterricht versteht und auch im Sprechen etwas Übung hat .” Den Standpunkt von Imre unterstützten auch die Kongresse europäischer Minderheiten , welche ihren Sitz in Genf hatten . Der Fachinspektor für Deutsch , Franz Anton Bittenbinder , mit seinem madjarisierten Namen Ferenc Balázs , setzte sich gegenüber dem Muttersprachenunterricht für den zweisprachigen Un - ter richt ein . Seiner Meinung nach wird den sprachlichen Inte - ressen der Deutschen , ihrem Vorwärtskommen im wirtschaftlichen , politischen und kulturellen Leben am erfolgreichsten durch den zweisprachigen Unterricht gedient . Die von Zuhause ge - brachten Kenntnisse in der Muttersprache sollen in deutschsprachigen Kindergärten weiterentwickelt werden , was eine gute Grund lage wäre , um darauf die nach einheitlichem Unterrichts - system funktionierenden Nationalitätenschulen aufzubauen . Ferenc Balázs verkündet unermüdlich : „... unserem Deutschtum muss ... sein wichtigster Volksbesitz , die eigene Sprache wiedergegeben werden . Und dies ist mit den in ganz Europa in Ungarn am modernsten ausgearbeiteten Schulen des einheitlichen Lehrsys - tems zu erreichen .”
Der einheitliche Nationalitätenschultyp nach Gömbös ist letzt - endlich durch jene Veränderungen umgestürzt worden , welche sich zwischen 1938 / 41 anhand der territorialen Zurückgliederung in der Anzahl , im Selbstbewusstsein und im politischen Gewicht der Nationalitäten Ungarns ergaben , und um welchen auch das Nationalitätenschulwesen keinen Bogen machen konnte . Besondere Bedeutung kam aus dieser Hinsicht dem am 30 . August 1940 unterschriebenen ungarisch – deutschen Minderheitsabkommen zu , im Zusammenhang mit der Zurückgliederung Nord-Sieben - bür gens mit deutscher Hilfe , nachdem man auch Ostungarn zu - rückgegliedert hat . In diesem Abkommen sichert die ungarische Regierung der deutschen Volksgruppe in Ungarn volle Organi sie - rungsfreiheit und die Freiheit , die nationalsozialistische Weltan - schauung zu bekunden . Die deutsche Volksgruppe wird ausschließlich durch die nationalsozialistische ( sic .) Organisation , dem Volksbund der Deutschen in Ungarn vertreten . Die Regie - rung von Graf Pál Teleki stellte die Einrichtung von deutschen Volksschulen , die Ernennung deutscher Beamten auf deutschbewohnten Gebieten und die Möglichkeit freier kultureller Kon - takte zum Deutschen Reich in Aussicht .
Das Wiener Protokoll hatte auch auf das Unterrichtswesen der Nationalitäten , u . a . auf das Deutsche großen Einfluss gehabt . Auf grund des Protokolls , welches das Abkommen enthielt , und dessen Text unter der Nr . 8490 / 1940 veröffentlicht wurde , muss den Kindern der zur deutschen Volksgruppe gehörenden Per - sonen die Möglichkeit geboten werden , in deutschen Volksschulen ( in Mittel- , Fach- und Grundschulen ) zu lernen , die die gleichen Voraussetzungen haben wie die ungarischen . In den von Deut - schen bewohnten Gebieten muss der Muttersprachenunterricht eingeführt werden . Die Einführung des Muttersprachenunterrichts war nicht nur der Wunsch der deutschen Nationalität , sondern auch der der anderen Nationalitäten Ungarns ; umsonst wollte die Regierung die das Unterrichtswesen betreffenden Vorschriften des Wiener Protokolls nur auf die deutsche Minderheit beschränken . Die sich fortsetzenden territorialen Zurückgliederungen haben nicht nur
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