scharer „Superschweine” erzählt… Die Zubereitung des Futters,
die Fütterung und das Ausmisten hatte er ja in der Heimat seit sei-
ner späten Kinderzeit gelernt. Mutter sollte bei der Haus-, Feld-
und Gartenarbeit eingesetzt werden, aber auch Stallarbeiten
waren für sie vorgesehen.
Mit Vater begab ich mich nun in unser vergittertes „Keller -
domizil”, wo Mutter bereits Wasser in einem Behälter für die
abendliche Toilette bereitgestellt hatte. Der „Weidling” stand auf
dem Waschtisch, auf dem wir vor zwei Stunden schon „gevespert”
hatten. Er sollte für die nächste Zeit mit zwei einfachen, unla-
ckierten Holzhockern der Mittelpunkt unseres „Landlebens” wer-
den.
Nachdem wir uns gewaschen hatten, richtete Mutter unsere
Schlafstätten für die Nacht her. Mittlerweile war ich natürlich
nochmals hungrig geworden und erbat von meiner Mutter ein
Schmalzbrot – mit unserem mitgebrachten Schmalz. Mutter konn-
te meiner Bitte nicht nachkommen, denn die „Oberhoheit” über
das tägliche Brot hatte die Altbäuerin, und meine Mutter traute
sich noch nicht, zusätzliches Brot für uns zu verlangen. Ich war
über diese „Lage” sehr enttäuscht, und legte mich erstmals in mei-
nem jungen Leben mit Hunger ins „Bett” bzw. auf mein Weiden -
korblager. Ich konnte, ob der vielen Eindrücke dieses Tages, nur
sehr schlecht einschlafen, zumal sich meine Eltern noch lange im
Dunkeln über die Ereignisse des Tages und im Besonderen über
den schriftlich nicht fixierten „Arbeitsvertrag” unterhielten. End -
lich konnte dann die erste „Tanyanacht” beginnen .
O
Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum
1956 Peter Mansfeld:
Ein ungarndeutscher Märtyrer
Das Ungarndeutschtum war in seiner
Geschichte immer zu seiner ungari-
schen Heimat loyal. Auch während der
Revolution in 1956 und den Vergeltun -
gen war das der Fall. Péter Mansfeld
war noch nicht einmal 16, als die Kämp -
fe ausgebrochen waren, aber er bekann-
te sich tapfer zu der ungarischen Frei -
heit. Zur Zeit seiner Hinrichtung 1958
war er bloß 18 Jahre alt. Die Legende,
dass er wegen seinen Tätigkeiten in
1956 hingerichtet wurde und dass man nur darauf wartete, dass er
volljährig wird, um exekutiert werden zu können, ist nur zum Teil
wahr, Mansfeld wurde der Mär tyrer der gemeinsamen ungari-
schen und deutschen Geschichte.
Die Familie Mansfeld siedelte während des 19. Jahrhunderts
aus Wien nach Ungarn. Sein Vater betrieb bis zur Verstaatlichung
einen Friseursalon, seine Mutter war hier Angestellte. 1945 wur-
den fast alle Männer der Familie zur Malenkij Robot verschleppt,
sein Großvater starb in der Gefangenschaft. Der am 10. März
1941 geborene Péter hatte eine Schwester und einen Bruder. Seit
seinem 10. Lebensjahr lebten seine Eltern getrennt, die Scheidung
wurde zwei Jahre später ausgesagt. Peter Mansfeld war nicht gut
im Lernen, dagegen hatte er ausgezeichnete Ergebnisse als
Drechs lerlehrling.
Am 25. Oktober 1956 wurde auf dem Széna Platz in Buda eine
der bestbekannten Widerstandsgruppen gegründet, am nächsten
Tag übernahm die Leitung János Szabó („Szabó bácsi”). Dieser
Gruppe schloss sich auch Peter an. Szabó bácsi schickte den Halb -
wüchsigen zuerst weg, aber später wurde er doch einer der Mit -
glieder. Er hatte wegen seinem Alter
noch keinen Führerschein, aber er erfüll-
te Aufgaben mit PKW, unter anderem lie-
ferte er Waffen für die Revolutionären.
Im Laufe der russischen Invasion am 4.
November wurde der Widerstand auch
auf dem Széna Platz eliminiert. Peter
Mans feld versuchte in der kommenden
Periode die angehäuften Waffen zu sam-
meln, für den Fall eines möglichen neuen
militärischen Konf likts. Das Motto „Im
März fangen wir wieder an” wurde nicht wahr. Peter lernte weiter
und arbeitete bei Magyar Optikai Mûvek. Ein weniger prächtiger
Teil seines Lebens ist es – anhand der Prozessakte – dass er klei-
nere Diebstähle beging, was natürlich an der Verhandlung ge gen
ihn angeführt wurde. Am 4. Oktober 1957 erwischte ihn die
Polizei, aber er konnte fliehen. Mansfeld wurde aber wieder er -
wischt, bis Ende Januar 1958 war er in der Strafanstalt in der Mar -
kó Straße. Während seiner Ver haftung ist seine „Systemfeind lich -
keit” stärker geworden.
Kurz nach seiner Befreiung gründete er mit einigen Freunden
und Bekannten eine bewaffnete Gruppe. Ihre Ziele waren nicht
klar, neben dem Erteilen von Gerechtigkeit, war für sie der einfa-
che Gelderwerb eine mögliche Motivation. Eine seiner schwers-
ten Straftaten war der Überfall und das Entwaffnen eines Poli -
zisten, aber sie stahlen auch Autos. Bei ihren Aktionen ist die
„Gangsterbande” nur drohend vorgegangen, niemand wurde ver-
letzt. Nicht einmal Frau Kalló – die Frau von József Kalló, einem
Zellenkameraden von Mansfeld –, die ihren Mann wegen dem
Verbergen von 1956er Fotos anzeigte, um die Geliebte eines
Offiziers zu werden. Die Gruppe plante die Frau zu töten, aber
das Verbrechen wurde nicht begangen, weil Kalló selbst auch zu
Hause war.
Die Bande wurde kurz danach verhaftet, Mansfeld musste sich
mit fünf Gefährten den Anschuldigungen stellen. Am 30. April
1958 beging Mansfeld bei einer Tatrekonstruktion während der
Ermittlung einen Fluchtversuch, aber er ist nicht gelungen. Am
13. September wurde die Anklage gegen „József Blaski (Mans -
felds Freund) und seinen Gefährten” eingereicht. Obwohl Blaski
schon volljährig war, wurde Mansfeld während des ganzen Prozess
als gefährlicher wegen seinen „konterrevolutionären” Ansichten
eingestuft. Am 21. November wurde er im Urteil in erster Instanz
zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, aber vom Volksgerichtsrat des
Obersten Gerichtshofs unter der Leitung vom Vorsitzenden Tibor
Vágó wurde ihm der Tod durch sen Strang auferlegt. Sein Gna -
dengesuch wurde abgelehnt, das Urteil wurde am 21. März voll-
streckt.
Nach der Wende wurden mehrere Legenden über Peter Mans -
feld verbreitet. Viele behaupten auch heute, dass er nur aufgrund
seiner 56er Schuldtaten hingerichtet wurde, und man bewusst die
Vollendung seines 18. Lebensjahres abwartete, um ihn exekutie-
ren zu können. Obwohl diese Meinungen faktisch widerlegbar
sind, kann man nicht leugnen, dass Mansfeld, wenn auch mit
streitbaren Mitteln, aber immer die ungarische Freiheit vor Augen
hielt.
Heute tragen mehrere Straßen Péter Mansfelds Namen, Ge -
denktafeln und eine Statue gedenken ihm. 2006 wurde sein Leben
unter dem Titel Magasabb szempontból (Aus höherem Gesichts -
punkt) verfilmt.
István Mayer
Das LESEN des Sonntagsblattes
weckt das NACHDENKEN
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