Sonntagsblatt 6/2014 | Page 6

Der Übernahmekampf hat sich gelohnt

Schulen in der Trägerschaft deutscher Selbstverwaltungen
Teil 1 – Die Anton-Grassalkovich-Grundschule Wetschesch Von Richard Guth
Das imposante und wegen seiner menschlichen Maßstäbe doch so einladende Schulgebäude der Grassalkovich-Grundschule( ehemals Dorfschule) steht in Alt-Wetschesch, im Zentrum der Klein- stadt nahe Budapest, an einer vielbefahrenen Nationalstraße. Kin dergeräusche tönen auf den Fluren, geschäftiges Treiben we- nig später in den Klassenräumen. Die Zubereitung eines Obst- salats steht auf dem Programm des Umweltkundeunterrichts in der Klasse 3B. Deutsch gehört wie eine Selbstverständlichkeit da- zu, gekonnt fliegen Pflanzennamen und Zubereitungsarten auf Deutsch durch den Raum. Die Klasse ist eine zweisprachige Na- tio nalitätenklasse, das Plakat „ Aus dem Leben unserer Nationa- lität” teilt friedlich seinen Platz mit deutschsprachigen Schildern zu Verhaltensregeln.
Nicht immer war es so. Noch vor 35 Jahren war die deutsche Sprache kaum anzutreffen in der ältesten Bildungseinrichtung der Kommune, gegründet 1797 vom Grundherrn und vom Bistum Waitzen als konfessionelle Schule. 1905 kam eine staatliche Schu- le hinzu, wo die Unterrichtssprache von vorneherein die ungarische war. Nach der Verstaatlichung der katholischen Schule 1948 fungierte die Bildungseinrichtung lange Zeit als Mittelpunkt schu- le, denn im Laufe der Jahrzehnte und durch die Entwicklung des Ortes im Windschatten des internationalen Flughafens wuchs die Zahl der Grundschulen auf nunmehr vier an. Mitte der 1980er Jahre schaffte die deutsche Sprache den Sprung zurück in die Schulen, in einem Ort, wo trotz Vertreibung die deutsche Minder- heit im Alltag des Dorfes weiterhin präsent war. Das Dahinvege- tieren von Pflichtrussisch war gleichzeitig die große Chance für die deutsche Sprache: Von anfänglich drei Wochenstunden am Nachmittag stieg die Zahl der Deutschstunden auf fünf, indem die entfallenen zwei Russischstunden in Deutschstunden umgewandelt wurden. Darauf basiert bis heute der so genannte Nationa- litätenunterricht mit fünf( plus einer) Wochenstunden: Deutsch als so genannte Nationalitätensprache in fünf Wochenstunden und eine Stunde Volkskundeunterricht. Man musste in Wetschesch bis 2007 warten, bis endlich groß geträumt werden konnte: Nach langen Diskussionen( offizielle Stellen waren der Meinung, es bestünde kein Bedarf am billingualen Unterricht) wurde an der Dorfschule der zweisprachige Unterricht eingeführt. Als kleines „ Dankeschön” des Schulträgers wurde die Mindestklassengröße auf 25 Schülerinnen und Schüler festgelegt – eine Hürde, auch wenn man bedenkt, dass der Antrag von acht Elternteilen dazu erfoderlich ist, eine Nationalitäten- klasse zu starten. Der zweisprachige Unterricht erfreut sich seit seiner Einführung großer Beliebtheit. Dieses Jahr wurden vier Klassen eingeschult, zwei davon zweisprachig. Letztes Jahr war die Relation zwei zu eins( zugunsten der zweisprachigen Klassen). Und in der Tat: 50 % des Deputats findet in deutscher Sprache statt. Perspektivisch sieht der Plan der Schulleitung die Auswei- tung des zweisprachigen Angebots auf alle Klassen der Primar- stufe( Jg. 1 – 4). Die Wahlmöglichkeit der Eltern nach der vierten Klasse soll aber weiterhin bestehen: Besuch der zweisprachigen Klasse in der Sekundarstufe 1( Klasse 5 – 8) oder Wechsel zum er- weiterten Nationalitätenangebot( zwei Fächer in deutscher Sprache) oder gar zur sprachunterrichtenden Form( fünf Wochen- stunden Deutschunterricht). Gegenwärtig nehmen etwa ein Drit- tel der Schüler in den Jahrgangsstufen 5 – 8 am zweisprachigen
Unterricht teil. Durch die Erweiterung des zweisprachigen Ange- bots in der Primarstufe hofft die Schulleitung dennoch, den Eltern die Angst vor dem deutschsprachigen Fachunterricht( DFU) zu nehmen. Dies sollte auch den Prozess der Zweisprachigkeit im Schulalltag vorantrieben, denn gegenwärtig spiele Deutsch in erster Linie an Schulfesten eine Rolle.
„ Wir können ruhiger arbeiten, auch wenn die Übernahme eine große Aufgabe darstellt”, berichtet Schuleiterin Christine Sárdi- Gyuráki über die vergangenen zwei Monate seit der Übernahme der Schulträgerschaft durch die Donauschwäbische Selbstver- waltung Wetschesch. Die Zeiten der ständigen Datenabfragen durch das Schulträgerschaftszentrum Klebelsberg( KLIK) scheinen vorbei zu sein. Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Selbstverwaltung gestalte sich effizient, durch die kürzeren Wege und den Wegfall bürokratischer Strukturen. Auch Monika Tó falvi, Vorsitzende der Deutschen Selbstverwaltung( NSV), lobt die Zusammenarbeit, die auch vorher harmonisch gewesen wäre, was die NSV bei der Übernahmeentscheidung nur bestärkt hätte. Hinsichtlich der Finanzierung habe die Schulleitung große Bedenken gehabt, auch jetzt sei noch Vorsicht geboten, so die Rektorin. Auch NSV-Vorsitzende Tófalvi hofft darauf, dass sich in der Zukunft weitere Projekte und Maßnahmen finanzieren lassen, die der Stärkung des Sprach- und Nationalitätenprofils beitragen. Die Relation eine Lehrerstelle je acht Schüler( im Gegensatz zu 11,6 im herkömmlichen System) würde einen größeren Spielraum bedeuten, ergänzt Magdalene Massza, stellvertrende Schulleiterin der Grundschule. Die Schule, die gegenwärtig 466 Schüler besuchen, hat eigens ein Wirtschaftsbüro mit drei Mitarbeitern eingerichtet, aber dies könnte sich die nun auch wirtschaftlich eigenständige Einrichtung durch die aufgabenbasierte Finanzierung leisten.
Hinsichtlich der Übernahme durch die Deutsche Selbstverwal- tung herrschte im Kollegium nach Angaben der Schulleitung von Anfang an Konsens über deren Notwendigkeit und Sinn. Wir wä- ren vielleicht in der letzten Minute gewesen, so Schulleiterin Sár- di-Gyuráki, denn als Bezirksgrundschule hätte man Gefahr laufen können, dass sich 15 Eltern zusammenfinden, die sich den Un- terricht ohne Nationalitätenprofil wünschen, was eine Übernahme durch die deutsche NSV erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht hätte. Auch seitens der Elternschaft würde das „ Projekt” eine breite Unterstützung erfahren, der Zuspruch für den zweisprachigen Unterricht wäre weiterhin groß. Hier spielten neben dem Nutzfaktor der deutschen Sprache in Zeiten der wirtschaftlichen Attraktivität von Österreich und Deutschland die Zuge- hörigkeit zur deutschen Volksgruppe gleichermaßen eine Rolle.
Probleme bereitete weiterhin die adäquate Versorgung mit deutschsprachigem Fachlehrpersonal und Büchern in deutscher Sprache. Auch hier zeige sich die Sogkraft des deutschsprachigen Auslands: Zum neuen Schuljahr nahmen zwei junge Deutsch- kolleginnen ihren Hut und zogen nach Deutschland. Eine der beiden arbeitet nun als Kindergärtnerin, eine Tendenz, die zunehmend die Existenz des deutschen Nationalitätenprogramms an Kindergärten bedroht. „ Es wäre gut, wenn das Ungarndeutsche Pädagogische Institut auch in integrierter Form endlich mit der Arbeit beginnen würde”, fordert Michael Frühwirth, langjähriges Mitglied der Deutschen Selbstverwaltung und Vorsitzender des Kulturvereins Wetschesch. Die Schulleitung wünscht sich mehr fachliche Unterstützung, Foren und Angebote für die in Deutsch unterrichtenden Kollegen. Die bestehenden Fortbildungsange bo- ten sollten koordiniert und zeitig bekanntgegeben werden. Hier sieht Frühwirth die LdU in der Pflicht, als Koordinations- und Infor mationsstelle aufzutreten. Die LdU würde oft sagen, „ mit voller Kraft für das Bildungswesen”, dann sollten nun Taten folgen, so Michael Frühwirth. Auch eine Aufwertung des Umlandes von Budapest wünschen sich Schulleitung und Kulturvereins vor-
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