Sonntagsblatt 5/2016 | Page 21

Nur 500 Mitglieder der „Bruderschaft der Christuskinder” blie- ben ihrer Idee treu und zogen weiter auf ihrem Weg zum heiligen Berg Ararat. In Tiflis, Georgien hörten die Siedler von russischen Beamten und Soldaten, es sei zu gefährlich weiterzuziehen – wegen wilder Kurden-, Türken- und Tartarenstämme. (Heute heißt das Gebiet Aserbaidschan). So entstanden ca. 35 km von Tiflis die „Schwabendörfer” Kat - ha rinenfeld, Marienfeld, Elisabethtal, Alexandersdorf, Petersdorf, Freudenthal und Alexanderhilf. Die Siedlungen Neudorf, Lindau und Gnadenberg wurden in Abchasien gegründet. Man sprach Deutsch untereinander. Weitere deutsche Gemeinden folgten: Alt Katharinenfeld, Annenfeld, Helenendorf, Alexejewka, Grünfeld, Eichenfeld und einige Ortschaften östlich von Tiflis (Armenien, Arzach Provinz, Koxt Bezirk und später in der zaristischen Zeit: Jelisawetpol Gouvernement, heute Aserbaidschan). Um 1900 lebten etwa 25 000 Deutsche im Kaukasus. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Sowjetunion wurden 1941 alle Deutschen nach Sibirien und Zentralasien umgesiedelt. Einige Siedler aber sind weitergezogen und gründeten 1891 zwi- schen Kars und Gjumri die drei deutschen Dörfer: Petrowka, Estonka (Deutsche aus Estland/Baltikum) und Vladikars (Vladi Eroberer/Mir = Welt/Vladimir = Welteroberer). Man spezialisierte sich auf Weinbau und Forstwirtschaft (Jagd). Fast jedes Dorf hatte eine eigene Schule und eine eigene Kirche. Bald zogen auch einige Schweizer in diese Gegend, gründeten zwei Milch- und Käsefabriken und versandten später Schweizer- Käse in alle Gebiete des Zaren-reiches. Jede deutsche Familie besaß damals 50–70 Kühe. 1914 deportierte die Armee des russischen Zaren viele von die- sen Dorfbewohnern ins Jelisawetpol-Gouvernement, jenseits des Osmanischen Reiches. 1921 wurde zwischen den beiden revolutionären Bewegungen, den Bolschewiki (Lenin und Stalin) und der Atatürk-Bewegung, zwei Verträge geschlossen: am 16. März der Vertrag von Moskau und am 13. Oktober 1921 der Vertrag von Kars. So wurde den Armeniern der heilige Berg Ararat entrissen... Ein Enkel deutscher Auswanderer fotografierte 1971 ein von Muslimen bewohntes Haus in Petrowka bei Kars. Über dem Tür - rahmen erkennt man einen Holzbalken. In Deutscher Schrift ist eingeschnitzt: ,,Befiel dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn” Nur die Hälfte der einst zum heiligen Berg ausgewanderten 8000 Schwaben, Bayern, Hessen und Luxemburger haben den Ararat je gesehen. Gab es im 19. Jahrhundert eine Sintflut? fragt die Autorin und fügt hinzu: Im 20. Jahrhundert jedoch zeigte sie sich so gewaltsam und blutig, dass auch ein heiliger Berg nicht retten konnte Seit 1921 liegt der Ararat, wie gesagt, nicht mehr auf armeni- schem Verwaltungsgebiet. Stalin befahl 1946 deutschen Kriegsfangenen die Sprengung einer der zwei deutschen Kirchen von Tiflis. Nach Protesten je - doch wurde sie nicht gesprengt, sondern Stein für Stein abgeris- sen, und die Steine wurden wiederverwertet. Deutsche Kriegsgefangene mussten auf Befehl des Diktators in Jerewan eine fantastische Brücke errichten. Ihnen zum Hohn wur de sie ,,Siegesbrücke” genannt. Parrot an den Katholikos der Armenier und erhielt bald den jun- gen Schriftsteller, Forscher, Pädagogen und Übersetzer Khatscha - tur Abowjan zum Weggenossen. Gemeinsam heuerten sie russi- sche Soldaten und armenische Bergführer aus den umliegenden Dörfern an. Am 27. September 1829 um 15:15 Uhr erreichte die Gruppe den hochvereisten Gipfel des „Massis” (großer Ararat). Vor Freu - de tanzten sie auf dem Eis, und Abowjan errichtete das Kreuz auf dem Gipfel, das er von Etschmiadsin mitgenommen hatte. Am 8. November wurde der Gipfel des ,,Sis” (kleiner Ararat) bestiegen. Auf dieses Sakrileg reagierte die Presse in ganz Europa mit gro- ßer Empörung, ja, Wut und Hass. Kam es nicht gar zu einem Ge - richtsprozess? (Seit jeher war es streng verboten gewesen, den hei- ligen Berg zu betreten.) Doch klug voraus- schauend hatten die Bergforscher Gletscherbrocken vom Gipfel hinuntergetragen. Niemals hatten ihre Fußsohlen den heiligen Berg berührt. Schnee und Eis hatten davor bewahrt. 1845 wiederholte Abowjan diese Bergbesteigung mit dem deut- schen Mineralogen und Geologen Prof. Dr. Otto Wilhelm Her - mann von Abich (*1806 Berlin, †1886 Wien) an der Seite. Nach diesem deutschen Forscher wurde ein Mineral benannt: „Arbichit” Zusammen mit dem deutschen Theologen Dr. Lepsius gründete der armenische Schriftsteller Avetik lsahakyan 1914 die Deutsch-Armenische Gesellschaft in Berlin. Avetik lsahakyan ist der Name der Bibliothek am Platz der Re - publik von Jerewan. Das Gebäude wurde 1896 von dem deut- schen Baumeister Nikolaus von der Nonne errichtet – sowie auch viele Wohnhäuser, die er in Jerewan vermietete. Zeitweilig war von der Nonne auch Bürgermeister von Baku. Noch viel mehr hätte erzählt werden können, doch fehlte die Zeit; denn lebhaft meldeten sich am Schluss des sprudelnden Vortrags die Zuhörerinnen und Zuhörer zu Wort. Aus: GLOBUS, Heft 2/2016 O 27. Winterfest in Villa Gesell – Argentinien Zum erstenmal hat unseres 27. Winterfest im Vereinsheim zwei Nächte lang stattgfunden. Unsere Leute sind stolz darauf, und haben mit frohem Mut mitgeholfen. Es ist alles prächtig gelungen, obwohl Argentinien grosse Schwierigkeiten hat, dies war ein gros- ser Erfolg. Herzlichen Gruss Regina und Robert Herman von der Herman-Becker Stiftung Deutsche Wissenschaftler in Armenien Der deutsche Geologe und Geograph Prof. Dr. Friedrich Parrot von der Deutschen Universität Dorpat in Estland erhielt auf seine Anfrage hin 1829 vom russischen Zaren die Erlaubnis, den Ararat zu erforschen. Auf der Suche nach einem armenischen Begleiter wandte sich 21