Sonntagsblatt 5/2015 | Page 26

• Zum Feierabend •
Endstation : „ Schwäbische Tanya ”
für die deutsche Sprache aktiv waren und u . a . den „ Tag der deutschen Sprache ” durchführten ( bis 2011 , mit Präsenz der Medien und gutem Widerhall ). Der jetzt , nach zehn Jahren Regionallei - tung fällige Personalwechsel wurde während meiner Anwesenheit im April 2014 vollzogen . Neuer VDS-Regionalleiter und Reprä - sentant ist der Deutschlehrer Hola FAMBI ; seine Ernennung ist durch eine Mitglieder-Wahl noch zu bestätigen . Bei einem Essen der Deutschen Botschaft aus Anlass meines Besuchs , zu dem alle deutschsprechenden Organisationen und Gruppen in Togo eingeladen waren ( Deutschlehrerverband , Goethe-Institut , Deutschabteilung der Universität , Verband der Deutschland-Rückkehrer , Germanophilia usw .), stellte ich den VDS vor als gemeinsame Plattform der Zusammenarbeit aller dieser – oft isoliert arbeitenden – Gruppen , mit dem Ziel einer Konzentration der Kräfte zur Stärkung , Verlebendigung und Verteidigung der deutschen Sprache in Togo . Dies wurde mit großem Beifall aufgenommen , und der neue VDS-Regionalleiter wurde mit Wohlwollen begrüßt . Das Goethe-Institut Lomé , dessen Institutsleiter dem VDS beitrat , ist zur aktiven Kooperation bereit und steht mit seinen landesweiten Verbindungen und seinen Räumlichkeiten der VDS-Arbeit zur Verfügung .
Auch im togoischen Hinterland gab es etwas zu tun . In der Stadt Palime und in Zentraltogo , wo besonders viele deutsche Koo - perationsprojekte laufen , war eine große Gruppe Togoer daran interessiert , einen VDS-Unterverband zu bilden , den ich dann gleichsam offiziell aus der Taufe hob . Schon in diesem Jahr soll dort ein Tag der deutschen Sprache stattfinden .
Aus : GLOBUS 2 / 2014

• Zum Feierabend •

Eine schwere Zeit Ungarndeutsche in der „ neuen Heimat Deutschland ” – die erste Zeit nach der Vertreibung

Endstation : „ Schwäbische Tanya ”

von Johann Wachtelschneider
Zum Jahresende 1945 verdichteten sich die Gerüchte um die Vertreibung der Deutschen aus Ungarn – Gewissheit durch die Be schlüsse des Ministerrates am 22 . Dezember 1945 . Die Bevöl - kerung Schorokschars verfiel in tiefe Lethargie . Die Menschen begannen bereits manche Wertgegenstände zu verkaufen oder in Sicherheit zu bringen und Möbel und Gerät - schaften aller Art bei Bekannten in den umliegenden ungarischen Dörfern einzustellen . Bei einer solchen „ Sicherstellungsfuhre ” nach Újhartyán – einem deutschen Dorf ( Schorokscharer Toch - tersiedlung ) mit hohem Magyarisierungsgrad – durfte ich meinen Vater mit unserem Pferdefuhrwerk begleiten . Unsere fast neue , modische Küche fand hier bei der Familie Fajta ( Feith ) einen bleibenden Platz .
Nach fast dreißig Jahren , 1975 , machten wir bei den Bekann - ten in Újhartyán einen Besuch und stellten fest , dass unser Eigen - tum in all den Jahren gute Dienste geleistet hatte !! Man trug uns damals sogar an , die Küche wieder mitzunehmen , da sie ja unser Eigentum sei . Vater lehnte dieses Angebot freundlich ab und be - schrieb dem Haushaltsvorstand und seiner Familie wie eine mo - der ne Einbauküche mit sämtlichen E-Geräten bei uns in Deutsch - land Standard sei . Dies löste in U . allgemeines Kopf schütteln und staunende Mienen aus . Es war ein netter Sonntags ausflug von Schorokschar aus mit freundlicher Bewirtung und interessanten Einblicken in das damalige Leben der Ujhartyaner . Doch nun zurück in das zu Ende gehende Jahr 1945 . Am Jahresende 1945 machte sich mein Onkel Pista ( Schuster ) auf den Weg in die Großgemeinde Wudersch / Budaörs zu einer be - freun deten Familie , um den neuen Gerüchten in Bezug auf die bevorstehende „ Deportation ” nachzugehen .
Mit der niederschmetternden Nachricht von der Richtigkeit der Gerüchte kam er wieder heim und berichtete den erstaunten Zuhörern , dass die Ausweisungslisten in Budaörs bereits öffentlich aushingen , und dass der erste Transport nach Deutschland am 19 . Januar 1946 abfahren soll . Es folgten dann noch weitere sechs Transporte mit insgesamt 6753 Personen !! ( Aalen – 1058 , Göppin - gen – 1054 , Neckarzimmern – 1016 , Gerlachsheim – 1033 , Öhringen – Künzelsau – 882 , Karlsruhe – 878 , nochmal Göppingen – 832 , Creg - lingen –? und nach Sachsen ( 1947 !) 80 Familien . Wir Schorokscharer hatten noch eine Gnadenfrist bis An - fang Mai . Dann begann auch bei uns die Tragödie .
Aus unserer Großgemeinde wurden ca . 5600 Personen – mit den „ Malenky-Robot-Heimkehrern ” ( aus Russland ) – in fünf Trans porten in die damalige US – Zone ausgewiesen ( Augsburg , Göppingen , Wasseralfingen – Nürtingen , Böblingen , Backnang ). Nun zurück zum „ Ruckenlager ” in Wasseralfingen , wo ich und meine erweiterte Familie am 15 . Mai 1946 zunächst unterkamen .
In der zweiten Woche unseres Lageraufenthaltes in Wasseral - fin gen herrschte dort große Unruhe . Sollte doch in der kommenden Woche die Verteilung unserer Schorokscharer Menschen aus dem Barackenlager in die umliegenden Städte und Gemeinden beginnen . Vorher mussten aber noch wichtige Entscheidungen ge - troffen werden .
Für die Schorokscharer Lagerinsassen gab es für die bevorstehende Eingliederung zwei Optionen – bei aller Hoffnung auf die baldige Heimkehr nach Ungarn : Sollte man sich in ländlicher Umgebung mit den Arbeitsmöglichkeiten in der Landwirtschaft – mit dem großen Vorteil der Ernährungssicherung – niederlassen oder die Industriezonen im „ Mittleren Neckarraum ” mit ihren vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten wählen ? Letztere Entscheidung sollte sich auf lange Sicht als die günstigere erweisen , was damals aber absolut nicht vorauszuahnen war .
So wurden dann die Entscheidungen aufs Geratewohl von den einzelnen Familien und Sippen getroffen . Das Ergebnis sah am Ende dann so aus , dass sich etwa die Hälfte unseres Transportes für den Verbleib im ländlichen Raum , also für den Landkreis Aalen entschied . Die anderen 500 Personen wurden wieder einwaggoniert und in den Raum Nürtingen – Kirchheim u . Teck ge - bracht .
Für die nächsten Tage stand jetzt die Verteilung der im Kreis Aalen verbliebenen Soroksárern auf die verschiedenen Städte und Gemeinden an . Keiner der Betroffenen kannte die Strukturen , noch die Topographie des Gebietes , auch konnte niemand von uns Einfluss auf die Aktionen nehmen . Dadurch verlief die „ Neuansiedlung ” so ab wie bei einer Lotterie oder gar einer Tom - bola . Wer Glück hatte , zog ein gutes Los und wer weniger Glück hatte , dem stand eine Menge Ärger bevor . Um der Aufnahme der Vertriebenen und Flüchtlinge Herr zu werden , arbeiteten die verschiedenen Behörden mit dem Gesetz zur „ Wohnraumbewirtschaftung ”. Dieses besagte , dass jeder einheimische Eigentümer einer Immobilie Wohnraum zur Verfügung stellen musste , wodurch natürlich sein eigenes Raumangebot oft erheblich eingeschränkt wurde . Dadurch gingen die „ Einweisun - gen ” nicht immer „ reibungslos ” über die Bühne – ein Albtraum für uns Schorokscharer , da wir doch fast alle eigene Häuser in S . bewohnt hatten . Besonders bitter wurde es in manchen Situa tio - nen , wenn wir als „ ungarische Zigeuner ” beschimpft wurden und dorthin ( Ungarn ) wieder verschwinden sollten ! Welch erstaunliche Metamorphose innerhalb weniger Tage : von den „ büdös svábok ” im Ungarland zu den „ ungarischen Zigeunern ” im Schwa - benland !!
26