Sonntagsblatt 5/2014 | Page 28

Aufruf für die Vorbestellung der Zeitung unter dem Titel „ Bericht über die ungarischen Nachrichtenblätter ”. Es hieß darin u . a „ es ist eine echte Zeitung , mit der wir jetzt beginnen : obwohl vor uns noch kein Ungar diesen Weg beschritt . Wo und worin kann man wohl demzufolge Nachsicht und Hilfe erwarten , wenn nicht hier ?”
Ferenc Kazinczy ( ein von den Ideen der Aufklärung beeinflusster ungarischer Schriftsteller und Reformer der ungarischen Literatur und Sprache ) schreibt dazu in seiner Autobiographie „ Erinnerung an meine Laufbahn ” über den Gründer und Heraus - geber der ersten unter dem Titel „ Magyar Hírmondó ” ( Ungarischer Bote ) in ungarischer Sprache in Preßburg / Bratislava er - schienenen Zeitung :
„ Mátyás Ráth , evangelischer Prediger aus Raab / Gyõr , begann am ersten Tag des Januar 1780 mit der Herausgabe der ungarischen Zei - tungsblätter , und die Nachkommen wären undankbar , wenn sie ver - gessen würden , dass er für unsere Nation nichts anderes war , als ihr wahrer Prometheus ”.
Maria Theresia erteilte in ihrem Privilegienbrief ( 1779 ) Ferenc Agoston Patzkó , einem aus der Tschechoslowakei stammenden Drucker , der vor kurzer Zeit eine eigene Druckerei in Preßburg eröffnet hatte , auf zehn Jahre die Genehmigung zur Herausgebe einer Zeitung .
Die erste Ausgabe des „ Magyar Hírmondó ” verließ am 1 . Janu - ar 1780 die Druckerei , und in den nächsten neun Jahren erschien er ohne Unterbrechung zweimal wöchentlich ( am Montag und Sams tag ) und hatte bereits zu Beginn 320 Abonnenten , bald darauf waren es bereits 500 . Drei Jahre lang war Rat der Redak - teur der Zeitung , was damals bedeutete , dass er alle Berichte selbst schrieb .
Ein wahrer Prometheus der Nation Mit beispiellosem Fleiß berichtete er den ungarischsprachigen Lesern über die bedeutendsten Ereignisse im Land und in der weiten Welt . In vielen Fällen fügte er eigene Bemerkungen hinzu . Er sorgte auch dafür , die ungarische Sprache für die Wissenschaft brauchbar zu machen . Bei seinen diesbezüglichen Bemühungen bereicherte er die ungarische Sprache um viele neue Wörter und Ausdrücke . In der 101 . Ausgabe des „ Ungarischen Boten ” vom 28 . Dezember 1782 verabschiedet er sich von seinen Lesern . Nach dem sich Rat zurückgezogen hatte , erschien diese Zeitung noch sechs Jahre lang . ( Am 8 . Oktober 1788 erschien die letzte Ausgabe .)
Von 1783 an war Matthias Rat der erste Seelsorger der evangelischen Kirchengemeinde zu Raab . Der Ruf seines großen Wis - sens und seiner ausgezeichneten Rednergabe breitete sich schnell aus , und aus diesem Grunde wurde er rund dreieinhalb Jahre später als Superintendent der transdanubischen evangelischen
Kirchengemeinden nominiert , aber bei der Wahl blieb er in der Minderheit . Ende 1786 verzichtete er auf seine Stellung als Seel - sorger und lebte in seiner Geburtsstadt zurückgezogen nur der Wissenschaft . Er arbeitete an der Zusammenstellung eines Wör - ter buches in drei Bänden für Ungarisch-Deutsch-Latein , musste jedoch wegen Mangel an Interesse auf eine Herausgabe verzichten . Im Jahre 1789 wurde er erneut auf den inzwischen verwaisten Posten des Seelsorgers in die evangelische Kirchengemeinde von Raab zurückgerufen .
1794 schloss er mit Susanne Sofie Reischl aus Ödenburg / Sopron die Ehe . 1796 wurde man wieder auf Rat aufmerksam : Man berief ihn zum Rektor und Theologieprofessor an das Preßburger evangelische Gymnasium . Doch er wollte diese neue Berufung nicht mehr annehmen . In den kommenden Jahren lebte er zurückgezogen und einsam , er versah nur seine seelsorgerische Obliegenheit .
Am 5 . Februar 1810 verstarb Rat in seiner Geburtsstadt in aller Stille . Als Kazinczy von seinem Tod erfuhr , schrieb er in einem Brief :
„ Es ist wohl mein Verdacht , dass er viele Eigenarten besaß : Doch , wer hat sie nicht , der Verdienste aufzuweisen hat und kein gewöhnlicher Mensch ist ! Gesegnet sei das Gedenken an den guten Patrioten und Sohn der Aufklärung .”

Der Vikar mit dem Goldzahn

Von den Schwachheiten eines Gottesmannes von Ludwig David Eisenlöffel
Er stammte aus einem kleinen Dorf . Studiert hatte er in Deutsch - land . Der Bischof hatte ihn in unsere Kirchengemeinde geschickt , weil unser altbewährter Pfarrer in seinem aufreibenden Dienst eine Hilfe brauchte . Und der junge Vikar konnte sich glücklich schätzen , dass er ausgerechnet bei einem so hoch angesehenen „ Lehrmeister ” seine erste Stelle bekommen hatte .
Die Leute im Dorf waren natürlich sehr neugierig , wie der neue „ Lehrbub ” des Pfarrers aussieht und ob er ein guter oder ein schlechter Prediger ist . Unsere Kirche war immer gut besucht . Aber an diesem Sonntag war sie brechend voll . Junge und Alte , Männer und Frauen , alle wollten den neuen Gottesmann kennenlernen . Die Schüler drängten sich auf der Empore so weit wie möglich nach vorne , um alles besser sehen zu können . Der allseits geschätzte Herr Pfarrer trat mit dem Vikar unter dem wohlklingenden Geläut unserer Kirchenglocken in „ sein ” Gotteshaus ein . Der Lehrer , der sonntags als Organist fungierte , ließ die Or - gelpfeifen besonders laut erklingen , bis die beiden geistlichen Herren ihre Plätze eingenommen hatten . Dann setzte sich auch die Gemeinde .
Der Gottesdienst nahm seinen üblichen Verlauf . Der „ Senior ” leitete am Altar den liturgischen Teil . Doch die Gemeinde kannte ihren Hirten ja so gut . Von ihm erwartete sie nichts Neues . Und der wusste sowieso , dass heute alle nur noch gespannt auf die An - trittsrede des jungen Vikars gewartet haben . Und der kam auch schon bald an die Reihe . Er stieg sichtlich aufgeregt die Treppe zur Kanzel hinauf . Und er spürte , dass alle Augen auf ihn gerichtet waren . Er machte aber von Anfang an alles „ richtig ”, so wie es die Gemeinde gewohnt war .
Wahrscheinlich achteten die meisten Zuhörer nicht auf das was er sagte , sondern auf sein Auftreten . Sie fühlten sich ja vom Herrn Bischof als Gemeinde gewürdigt , den ihnen anvertrauten künftigen Pfarrer mit zu beurteilen . Da galt es jetzt also , gut aufzupassen und doch auch nicht mit dem Anfänger zu streng zu sein . Er sah ja „ ganz gut ” aus , hatte dunkle Haare und ein schmales Ge - sicht , keine abstehenden Ohren und vor allem eine angenehme
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