Sonntagsblatt 5/2014 | Page 27

gangenen Jahrhunderts wusste man schon, dass das Ernteergebnis bei allen Pflanzenkulturen zum großen Teil vom Bearbeitungsgrad der Anbaufläche abhängt. Mechwart wollte deshalb die Bear- beitung des Ackerlandes auf das Niveau des Gartenbaus bringen. So wurde 1887 das erste Patent für den Mechwart-Drehpflug und 1894 für die verbesserte Variante erteilt. Mechwarts Pflugmaschine bestand wie heute aus zwei großen Einheiten: vorn die Kraftmaschine, hinten die Arbeitsmaschine. Den Drehpflug bildeten drei Messer, die beim Drehen einen Zylin dermantel formten. Die Messer waren schräg gestellt, so dass sie nacheinander immer tiefer in den Boden eindrangen. Das Drehmoment der Zugmaschinen wurde mit einem zweiseitigen Kettenantrieb auf den Drehpflug übertragen.
Vor die erste Variante des Drehpflugs wurde eine Dampflo- komotive gespannt, den veränderten zog ein Bánki-Csonka-Motor an. Damit trennte Mechwart nur noch ein Entwicklungsschritt vom Traktor!
Versuche mit der Mechwart-Pflugmaschine ergaben ein höheres Ernteergebnis als bei der Landbestellung mit herkömmlichen Maschinen. Von der zeitgenössischen Kritik wurden einzig die tiefen Radspuren beanstandet.
Fürsorge und Erziehung Der Kaderpolitiker Mechwart ist weniger bekannt. Zweifellos hat ten die Umstände, die den Beginn seiner Laufbahn ermöglichten, auf seine gesamte Lebensanschauung gewirkt. Seine Haltung war eben nicht nur durch Urteilsfähigkeit, Festigkeit und Zielstrebig- keit geprägt, sondern auch durch Achtung und Hilfsbereitschaft ge- gen über anderen, vor allem seinen Mitarbeitern. Er kümmerte sich um alle Beschäftigten der Ganz-Werke, um die Angestellten und – was damals noch bei weitem keine allgemeine Erscheinung war – auch um die Arbeiter. Dies bewiesen die sozialen Einrichtungen des Ganz-Unternehmens, die ihrer Zeit voraus waren. Das Werk-Krankenhaus und der Wohltätigkeitsverein waren noch von Abraham Ganz gegründet worden. Mechwart regte 1879 die Schaffung eines Angestellten-Rentenfonds an. Der Bau von Arbeiterwohnungen begann Mitte des darauffolgenden Jahr- zehnts: Bis 1886 wurden neun Häuser mit je 14 Wohnungen er- richtet. Anfang des nächsten Jahrzehnts erhöhte sich die Zahl der Arbeiterwohnungen auf 445, für die ermäßigte Mieten verlangt wurden. Aus einem Hilfsfonds konnten die Arbeiter zinsfreien Kredit aufnehmen. Nach Angaben von 1892 gab es in den Ganz- Fabriken Essräume und Bäder, aber auch ein Arztzimmer mit unentgeltlicher ambulanter Behandlung. Im Bedarfsfall wurden auch Witwen und Waisen unterstützt. In jener Zeit erhielten die Arbeitsmaschi- nen Schutzvorrichtungen Für die Lehrlingsausbildung unterhielt die Fabrik eine eigene Schule.
Da er auf seine eigenen Fähigkeiten vertraute, kannte Mech- wart keine Furcht vor Rivalen. Er unterstützte die Entfaltung von Talenten. Mit ausgezeichnetem Gespür entdeckte er in jungen Ingenieuren die gro ße Konstrukteure der Zukunft. Kaum ein zweiter hat so viele geniale Ingenieure, technische Erfinder entdeckt und ihnen den Weg geebnet wie dieser Selfmademan, der sich vom Arbeiter zum Leiter eines der größten ungarischen Be- triebe entwickelte. Ohne Vollständigkeit anzustreben, seien einige Beispiele genannt: Károly Zipernowsky, ein weltberühmter Ver- treter der ungarischen Elektrotechnik, ging von der Ganz-Fabrik an das Katheder der Technischen Universität; auch Mór Hoór- Tempis erhielt als Angestellter des Ganz-Elektrizitätswerks den Lehrauftrag für die Universität; Kálmán Kandó. der weltbekannte Erfinder des Eisenbahnelektroantriebs, begann seine Laufbahn in der Ganz-Fabrik; als Ingenieur der Ganz-Fabrik arbeitete
László Verebély, der Jahre nach Mechwarts Tod Professor der Technischen Universität wurde. Donát Bánki entfaltete sein Ta- lent an der Seite Mechwarts. 1899 erhielt er ein Universitäts- lehramt. Auch Emil Schimanek gehört zu den Professoren der Technischen Universität, die aus der Ganz-Fabrik hervorgingen. * Andreas Mechwart erlernte die ungarische Sprache. Sein Leben und sein Lebenswerk verbanden ihn mit Ungarn. Dies kam 1899, als er in den Ruhestand ging, in seiner Mahnung zum Ausdruck: „ Lasst nicht zur Legende werden, was den guten Ruf unserer Firma ausmacht: dass hier alle wie ein Herz und eine Seele, in Freundschaft für das Gemeinwohl zusammenarbeiten.”
István Pénzes Redakteur der Buchserie „ Mûszaki nagyjaink”
( Unsere Großen in der Technik)

Matthias Rath

( 1749 – 1810)
Der Lutheraner deutscher Abstammung wurde am 13. April 1749 als Sohn einer Handwerker- und Kaufmannsfamilie geboren. Der Vater, Johann Rath, war Metzgermeister, seine Mutter war Susan- na Raits. Später ließ die Familie von Matthias Rath den Buch- staben „ h” einfach weg, um dadurch ihren Hang zu Ungarn zu bekunden. Matthias Rat besuchte Schulen in Modor, Preßburg, Ödenburg / Sopron und Eperjes. In erster Linie kam er in Preß- burg / Pozsony mit der pietistisch gefärbten Aufklärung in Berüh- rung, deren bekanntester Verfechter Mátyás Bél war. Nach Ab- schluss seiner Studien 1772 bereiste er das Land: er besuchte Sie- benbürgen und hielt sich längere Zeit in Debrecen auf. Am 2. Mai 1773 wurde sein Name in die Matrikel der Göttinger Universität eingetragen. Eine wichtige Rolle der geistigen Ent- wicklung des jungen Rat spielte die auch schon damals berühmte Bibliothek der Universität und unter ihren Büchern die Früh- werke von Johann Gottfried Herder. Kein Wunder, dass ihn die Erinnerung an die Göttinger Jahre auch beinahe zehn Jahre später zu folgenden Verszeilen anregte:
Göttingen! Oh, Steuer der gelobten Wissenschaft, von dir zu scheiden, lässt mein Herz noch immer leiden.
Eine sein ganzes Leben bestimmende Wirkung hatten namhafte Professoren der Universität wie Georg Michaelis, August Ludwig Schlözer, Christian Gottlob Heyne und Abraham Gotthelf Kästner.
Ende 1777 kehrte er nach Preßburg zurück, und nach kurzer Tätigkeit als Erzieher plante und bereitete er mit Hilfe einflussreicher Freunde die Herausgabe der ersten ungarischsprachigen Zeitung „ Magyar Hírmondó” vor. In seiner am 1. Juli 1779 unter dem Titel „ Vorläufige Erkundung” erschienenen Schrift formulierte er sein strenges Urteil über das Fehlen einer ungarischsprachigen Zeitung. „ Es gibt in Europa keine einzige Nation mehr, die nicht über die Veränderungen in der eigenen Heimat, über die Un bilden der Welt... und Nachrichten über viele ähnliche bedeutsame Dinge täglich, wöchentlich oder monatlich in ihrer Landessprache in ge- druckten Schriften der Belehrung und Unterhaltung zuliebe lesen würde... Nur die ungarische Nation hatte bisher – neben vielen anderen Mängeln – auch diese recht nützliche Errungenschaft zu entbehren. Dieser Mangel ist an sich unannehmbar... wir leben wie der Wurm in der Nuss, wissen nichts darüber, was in der Welt geschieht und leben in großer Unwissenheit über unser eigenes Land, wir sind uns dessen nicht bewusst, was um uns herum geschieht und uns am unmittelbarsten angeht.” Am 17. November 1779 wirbt er in einem
( Fortsetzung auf Seite 28)
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