Sonntagsblatt 5/2014 | Page 11

der chauvinistischen Lokalbehörden. Die Schaffung von dörflichen Stützpunkten wurde überhaupt erst möglich, als die Regie- rung eingriff und die Art der Organisationsarbeit mit den Oberge- spanen besprochen werden konnte.
Die deutsche Bevölkerung nahm die Werbetätigkeit Bleyers und seiner Mitarbeiter fast überall mit großem Verständnis, sehr häufig mit heller Begeisterung auf. Im ersten Jahr wurden über 150 Gemeinden besucht, in 46 Gemeinden Ortsausschüsse ge- grün det und in 75 Gemeinden mehr als 50 Mitglieder( je Ge- meinde!) geworben. Zu Ende des ersten Vereinsjahres, also im August 1925, gab es 8000 Mitglieder. Sie verteilten sich auf 200 Gemeinden. Besonders gute Arbeit leistete der am 18. Januar 1925 gegründete Ortsausschuss in Ödenburg unter dem Vorsit zen- den Pfarrer Dr. Huber und dessen Helfern Alfred von Schwartz und Árpád Török.
Im Vereinsjahr 1927 / 28 verdoppelte sich die Gesamtmitglie der- zahl( 15 300) und vermehrte sich laufend. 1930 zählte man 24 966 Mitglieder und 169 Ortsgruppen, 1931 / 32 waren es 27 517 Mitglie- der und 180 Ortsgruppen. Dabei muss immer betont werden, dass die Mitglieder nach dem ung. Gesetz volljährig, also 24 Jahre alt sein mussten. Dies war nebst gewissen Vorteilen doch ein großer Nachteil, weil somit die begeisterte Jugend ausgeschlossen blieb.
Geographisch gesehen breitete sich der Verein von den Ko- mitaten Pest, Tolnau, Wieselburg( Moson), Batsch und Gran( Esz- tergom) allmählich über ganz Rumpfungarn aus. In der Bra nau( Baranya), im Eisenburger( Vas) und Arader Komitat, in Shomo- dei statt So mogy uns Wesprim kam seine Tätigkeit jedoch bald ins Stocken. Besonders die Komitate Weißenburg statt Fejér und Wesprim sowie die „ Schwä bische Türkei” waren ihm jahre lang ver sperrt durch den Wi derstand der madjarischen Bevölkerung. Von 1924 bis 1926 musste die Arbeit in der Branau statt Baranya völlig ruhen, erst Anfang 1927 konnte sie wieder aufgenommen wer den, aber noch 1930 traten hier erhebliche Schwierigkeiten auf. Der Jahresbericht von 1931 / 32 zählte immerhin 32 Ortsgrup- pen in der Branau statt Baranya. Innerhalb der Vereinszentrale schuf Bleyer verschiedene Ab- teilungen, verantwortlich für verschiedene Fachgebiete und entsprechen Aufgaben. Der Kulturabteilung oblag die Veranstaltung von Feiern, die Erforschung der donauschwäbischen Vergangen- heit, Mundartenpflege, Sammlung von Liedern, Sagen und Mär- chen, Trachten und Einrichtungsgegenständen, die Förderung von Volksbräuchen und Sitten. Die Schulabteilung kümmerte sich um die Beschaffung von Schulbüchern und Lehrmitteln, um Volks- bildungskurse, Fachschulen, ja um das ganze deutsche Schulwe- sen, das eben eines der wichtigsten Aufgaben des Vereins war. Da- neben gab es noch die volkswirtschaftliche Abteilung, die Rechtsab- teilung sowie die Abteilung für Gesang, Musik und Volkskunst.
Für die Büchereien wurden interessante Werke aus Privatbü- che reien gesammelt, dann wurden Werke guter Heimatschrift stel- ler( Goethe, Chamisso, Lenau, Gottfried Keller, Rosegger, u. a.) angeschafft und es wurden laufend Leseabende vom UDV veranstaltet. Der Verein sorgte auch für „ eigenen” Lesestoff, so z. B. wurde das Buch von Hans Göttling „ Aus Vergangenheit und Gegenwart des deutschungarischen Volkes” und jährlich der Volkskalender des UDV herausgegeben, nebst weiteren interessanten Büchlein wie „ Ernst und heiter”, „ Die neue Heimat”, „ Wirtschaftlicher Ratgeber”, „ Goldene Heimat” u. a. m.
Es lässt sich denken, dass es nicht so leicht war, die schwerfälligen, in alten Gewohnheiten verwurzelten Bauern abends oder sonntags aus dem Wirtshaus und die Bäuerinnen aus der Küche zu „ interessanten Vorträgen” zu locken. Doch es war wichtig, die Landsleute zum Zuhören und Mitreden zu bringen, ihre Freu- de an Musik und Gaudi in den Dienst der deutschen Sache zu stellen. Dazu benötigte man Vorreiter / Vereinsleiter die volkstümlich / gönnerhaft zu den Leuten sprachen( wie selbst Bleyer!), die sich natürlich unter den Menschen bewegten. Leider fehlte es oft an solchen Persönlichkeiten, hier zeigte sich der Mangel einer gebildeten deutschen Oberschicht. Man wurde sich dessen bewusst, dass die Bedeutung des Vereins und somit die Zukunft des Ungarndeutschtums von der Heranziehung einer volksbewußten Führerschaft abhing.
Von großer Bedeutung war die alljährliche Vollversammlung( allgemein am 20. August abgehalten) und natürlich der große Landesschwabenball( der immer im Februar stattfand). Über die große Bedeutung des Schwabenballs für den Zusammenhalt des Deutschtums wusste der Berichterstatter der Zeitung „ Magyar- ság” 1928 zu schreiben: „ Diese von Jahr zu Jahr wiederkehrenden Bälle sind in der Tat außerordentlich geeignet, in den voneinander entfernt lebenden, zerstreuten und voneinander nichts wissenden schwäbischen Volksschichten … an Stelle des gedrückten Gefühls des Verlassenseins das völkische Selbstbewusstsein zu stärken … Die zielbewusste Arbeit erreicht in verblüffend kurzer Zeit tiefgreifenden Erfolg und bietet den Überlieferungen kräftigen Schutz gegenüber der Einschmelzungsgefahr.”
* Bemerkung: Vielleicht wird die neugewählte Landesselbst ver- waltung bereit und fähig sein, aus der Vergangenheit, aus unserer eigenen Geschichte zu lernen. Organisation, Ziele und Maß- nahmen von damals, aus der Zeit des UDV und auch später, können bespielgebend und nachahmenswert sein. Georg Krix
Attila Csernok

Madjaren – Nationalitäten – Trianon

Übersetzung: Richard Guth Der Beitrag ist auf der Internetseite www. kommunista. net erschienen. Wir veröffentlichen den Beitrag in mehreren Teilen.
2. Teil— Auf die Frage gäbe es eine einfache Antwort: Man muss über den „ Großen Madjarischen Nationalismus” deshalb so viel reden, weil es in meinem Buch – unter anderem – eben darum geht. Aus dem Grunde, weil ich den Nationalismus für den selbstzerstörerischsten Irrglauben, das größte Problem des Madjaren- tums, das gar bis heute seine Wirkung entfaltet, halte. Ich bin damit nicht alleine. Vor zwanzig Jahren, 1989, schrieb Sándor Kopátsy( der Wissenschaftler und nicht der Polizeipräsident): „ Die größte Gefahr der Gegenwart sehe ich in dem aufkeimenden madjarischen Nationalismus”. Worte eines Hellsehers, auf den – eine ungarische / madjarische Tradition – niemand gehört hat. Ganz im Gegenteil, ein Minister der ersten Nachwenderegierung sprach von einer „ Rundum – Verteidigung”. In der nächsten Regie- rung hat ein Ministerpräsident „ Madjarenpässe” verteilt.
Kopátsy fährt so fort: „ Viele Umstände mahnen uns: In den vergangenen 150 Jahren war der Nationalismus derjenige Fehler von uns, der die tragischsten Konsequenzen nach sich zog. Nicht ohne Grund hält uns die Öffentlichkeit der westlichen und Nach- barvölker aufgrund der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs für Nationalisten. Wir müssen verstehen, dass man in uns heute sogar den kleinen Nationalismus als großen wahrnimmt. Deshalb müssen wir uns unserer Umgebung gegenüber sehr vorsichtig verhalten, wir müssen mit ihren Befindlichkeiten rechnen.”( Kopátsy, 1989, S. 24). Bemerkenswerte, weise Worte, um die sich keiner gekümmert hat. Lasst uns hinzufügen, dass die Zwischenkriegs- zeiterfahrungen unserer ehemaligen Nationalitäten ebenso vom
( Fortsetzung auf Seite 12)
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