LEITARTIKEL
’ DUTCHDEMOCRACY ’:
DIE DEUTSCHAMERIKANER ALS SPIELVERÄNDERER BEI DEN US-WAHLEN 2024 ?
Von Stefan Pleyer
5 . November 2024 , eine Kleinstadt in Pennsylvania , USA : Schwarze , puritanische , auf jegliche Modernität verzichtende Pferdekutschen häufen sich vor dem örtlichen Wahllokal . Fromm und einfach gekleidete , an das 19 . Jahrhundert erinnernde Menschen steigen aus ihren bescheidenen Gefährten , um ihre Stimme für ihren bevorzugten Kandidaten bei der aktuellen US-Präsidentschaftswahl abzugeben . Es sind die Amischen , die aus der Pop-Kultur bekannten deutschstämmigen radikal rigorosen Protestanten - eine Untergruppe der Deutschamerikaner , ähnlich wie ihre Stammes- und Glaubensverwandten , die Hutteriten . Zu ihrer besonderen Charakteristik gehört die Distanzierung vom politischen , öffentlichen Leben der „ Engländer ”, also von den Geschäften der anderen amerikanischen Kompatrioten . Diesmal wirken sie spürbar anders , als sie sich in diesem November für die aktuellen Präsidentschaftswahlen massenhaft mobilisieren . Auch die „ German American ” Kernbevölkerung der mittelwestlichen Bundesstaaten blieb nicht tatenlos . Wie verhielt sich die „ stille Minderheit ” der Deutschamerikaner bei den US-Wahlen 2024 und wie beeinflussten sie das Resultat mit ihren politisch-kulturellen Eigenschaften ? Haben sie sogar auch als Spielveränderer die ganzen Wahlen entschieden ?
Die Schicksalswahl und ihre Bürger
„ Diese werden die wichtigsten Wahlen sein , viel wichtiger als die vorangegangenen . Es geht auch um das Schicksal der ganzen Welt ” - posaunten die zwei großen politischen Lager der amerikanischen Politik - die Republikaner und die Demokraten - vor dem 5 . November herum . Illegale Migration , das Gesundheitssystem , die Einstellung zum Abtreibungsrecht , die wirtschaftlichen Herausforderungen und nicht zuletzt der Ukrainekrieg dominierten als Themen die Agenda der Wahlkampagne . Als Endergebnis konnte der große
Wiederkehrer Ex-Präsident Donald Trump gegenüber der Kandidatin der Demokraten Kamala Harris einen Sieg mit Abstand ernten : Die Legislatur mitsamt ihren Institutionen , dem Senat und dem Abgeordnetenhaus , liegt anteilmäßig praktisch vor Trumps Füßen . Dem für die breiteren Massen vielleicht langweilig klingenden fachpolitischen Portefeuille gab noch die immer auftauchende Identitätspolitik ein würziges Geleit . Dies geschah in der Form solcher Fragen wie religiöse Prinzipien , LGBTQ , „ Black lives matter ”, Wokismus und Ethnizität . Apropos Ethnos ( Anm .: Volk ): Es gibt eigentlich schon seit dem 20 . Jh . die Tendenz , dass die einzelnen ethnisch-religiösen Bevölkerungsgruppen der USA in der Wahlsaison nach ihren ( partei- ) politischen Präferenzen analysiert werden - meistens die Weißen en bloc , die Afroamerikaner , die Latinos oder die Indigenen . Von den anderen Untergruppen hört man weniger in diesem Politkontext , wenn ja , dann geraten die Irisch- oder die Italienisch-Amerikaner unter die Lupe der Politikwissenschaftler , die diese Volksgruppen entsprechend ihrem Wahlverhalten untersuchen . Nach dieser Aufzählung spürt man leicht ein Mangelgefühl . Was ist mit der „ silent minority ”, der „ stillen Minderheit ”, also den Deutschamerikanern ?
„ Hermanns Töchter und Söhne ” und ihr amerikanischer Traum
Still sind sie ja vielleicht , aber sie sind gar keine Mi-
2 SoNNTAGSBLATT