Sonntagsblatt 4/2024 | Page 11

MERKWÜRDIGKEITEN

ZWEISPRACHIGER ERDENBÜRGER

Einblicke in die deutsch-ungarische zweisprachige Kindererziehung in Ungarn
Von Patrik Schwarcz-Kiefer
In Ungarn wird ungarisch gesprochen . Das ist die allgemeine Vorstellung der Gesellschaft . Für die Mehrheit ist die Sprache das wichtigste Merkmal der Zugehörigkeit zur Nation . In einem solchen Umfeld wird erwartet , dass man die Sprache innerhalb der Familie weitergibt . Verlässt man das bequeme , schützende Zuhause , trifft man auf eine rein ungarischsprachige Welt . Natürlich kann man nicht erwarten , dass überall im Land , wo es Deutschsprachige gibt , alles zweisprachig ist . Doch mehr Zweisprachigkeit in der Öffentlichkeit wäre wünschenswert . In alltäglichen Situationen habe ich Erfahrungen gesammelt , über die ich im zweiten Artikel der Serie „ Zweisprachiger Erdenbürger “ schreiben werde .
Man kommt beim Kinderarzt an . Alles ist auf Ungarisch . Die anderen Kinder sprechen ungarisch mit ihren Eltern . Der Arzt spricht ungarisch . Und allen Anwesenden ist bekannt , dass ich Ungarisch kann – ich spreche ja ungarisch mit meiner Frau . Und dann beginne ich mit „ Hoppe , hoppe , Reiter “, um das Kind zu beruhigen .
Wie auf einem Karussell beginnen die Gedanken in meinem Kopf zu kreisen . Was denken die anderen ?
Muss man immer eine Erklärung abgeben , warum man deutsch spricht ? Oder sollte man außer Acht lassen , was andere denken könnten ? Es scheint einfach , diese Frage mit einem Ja zu beantworten . Doch der gesellschaftliche Druck macht es nicht so einfach .
Früher habe ich die früheren Generationen kritisiert , weil sie die Sprache nicht weitergegeben haben . Doch jetzt , da ich in einer ähnlichen Situation bin , ist es nicht mehr so leicht , anderen die Schuld zu geben . Früher gab es neben gesellschaftlichem auch politischen Druck und die Erinnerung an Entrechtung und Vertreibung .
Ich dachte , es würde nur etwas Entschlossenheit brauchen , um mit meinem Kind deutsch zu sprechen . Doch das ist unter gewissen Umständen nicht so einfach . Wenn man die Umgebung , in der man dem Druck ausgesetzt ist , nicht ändern kann , braucht es eine Entschlossenheit , die für viele zu viel ist . Mehr zweisprachige Schilder und Texte könnten das erleichtern . Wenn man in einem Raum Informationen auch auf Deutsch findet , fühlt es sich plötzlich einfacher und „ normal “ an , auf Deutsch zu kommunizieren .

DIE MÜHE , DER EINSATZ UND DIE BASIS

Von Robert Becker
Entschlossen und gewissermaßen streng , scharf geurteilt zu schreiben , ist ein stilistisches Mittel . Man glüht auf in der Hitze , die man in sich entfacht , man steigert sich in Themen hinein , weil die Betrachtung aus der Sicht der Realität nichts hergibt . Was soll man machen ? Sich aus der gegebenen Realität seiner Zeit wegzudenken , ist maßlos unproduktiv . Es bringt nichts .
Das , was zu tun ist , soll man stets in der Zeit wissen , in der man zu leben hat . Alles andere ist die pure Träumerei . Nun , deshalb , wenn es mir danach ist , zu schimpfen , sollte dieser Akt von mir sicher nicht hier , auf den Sparten vom Sonntagsblatt vorgenommen werden und geschehen , wo eh die Gesinnungsgenossen sich hineinlesen .
Also diejenigen , über die es zu schimpfen gäbe ! Aber auch das ist es nicht , denn man möchte sie ja in ihrer Gesinnung und ihrer Einstellung für jene Ideale anspornen , die man seine eigenen nennt , die einem als
SoNNTAGSBLATT brennend wichtig erscheinen . Sagen wir , die Identität ! Steckenpferd von mir ! Sie ist der Beginn von einer Selbstkenntnis . Das Wissen über jene Kontinuität , als deren Gliedmaße man sich hier und jetzt verankert . Man soll wissen , woher man kommt , dann kann man auch erahnen , wie es weitergeht . Also diese Leute , die es diesbezüglich anzusprechen gäbe , die wären nicht hier zu erreichen .
Unsere Volksgruppe ist zur Minderheit geworden . Es gibt dort die aus der Sicht von Kreisen der offiziellen Vertretung von halbaußen ( oder ganz ) aufgeführte Nörgelei . Sie kann als Klugtuerei vorkommen , als eine Aufführung , ein Aufplustern oder als unerbetene Meinungsäußerung . Doch stören will man nicht , wenn man auch weiß , dass man kaum helfen kann .
Im Klartext denke ich : Was man versäumt hat , ist eigentlich das , wovon man sich selbstauflöserisch irgendwann zu distanzieren begann . Das ist unsere Basis gewesen . Geschult betrachtet ist man die zur Ballast
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