dass es hinter der Absage an seine Nationalität bei der Volkszählung noch andere Gründe eines Vorbehalts stecken können . Man muss ja auch nicht gleich davon ausgehen , dass der Atheismus nach sonstiger Erkenntnis in diesem Maße um sich gegriffen hätte . wenn aus der Statistik eine Million gläubige Christen verschwunden sind . In Erscheinung tretende Tendenzen können aber trotzdem ihren Signalwert besitzen , den es sich lohnt , für alle Fälle richtig zu deuten .
Gute Ärzte gab es unter uns leider nicht rechtzeitig , die ein Mittel dagegen gefunden hätten , jetzt noch wenigstens vor uns selbst doch etwas besser da zustehen . Vielleicht ist es ihnen gar nicht bewusst geworden , dass unter uns Patienten das gesunde Aussehen , die roten Wangen , die spielenden Muskeln , das tüchtige Erscheinen - nur noch eine Fassade waren , die rapide bröckelt , seitdem der innere Halt der Gesinnung sich in scheinbar rasantem Tempo verflüchtigt .
Doch Valeria Koch hat es in ihrer künstlerischen Sensibilität erahnt , was im Kommen ist . Nur diejenigen , an die ihre Worte eigentlich als Warnung gerichtet waren , haben es verkannt , was Kunst ist und dass sie nicht nur eine Kategorie der Ästhetik darstellt , sondern – in diesem Fall sehr kurz und sehr bündig – Inhalte in den Mittelpunkt stellt . Eigentlich eine tüchtige Leistung ! Viel bequemer ist es aber gewesen , Floskeln in die Sphären fliegen zu lassen , als sich aufzuraffen und in aller Tüchtigkeit – ehrlich und offen , alle erfassend - zu tun , was man kann , um einen Kern noch auffindig zu machen , der bei guten Bedingungen nicht nur keimen , sondern wachsen und eines Tages gesunde Früchte tragen kann .
Der Weg zu solchen Ergebnissen - wie diese Volkszählung - wurde selber geebnet . Wie ? In aller Gleichgültigkeit , die in eine Zukunft nur in die Entfernung der eigenen Vorteile blickt , nicht nach Mitwirkenden sucht , sondern vielmehr nach der Herausbildung einer Klientel trachtet , um hinter einer Fassade , die nun bereits stark am Bröckeln ist , bequem danach zu suchen , einen günstigen Anschein als Hologramm aufrechtzuerhalten ! Nur eine Apparatur ohne Basis hat nicht einmal so lange Bestand , wie es die eigens vermutete Geschicklichkeit gesichert denkt .
Unser Dasein scheint eine Zeitfrage geworden zu sein . Wo sollen wir jetzt noch herkommen ? Aus den Schulen ? Sicher nicht ! Eine Sprachkenntnis , die einigermaßen in Ordnung ist – vielleicht ! Die Identität ist aber jene Gesamtkohäsion , die einen darin stärkt , eine wahre Gemeinschaft zu bilden . Sie gammelt nicht nur herum und lässt sich durch Reste einer überholten Vergangenheit abfüttern , die sich durch Volkstanz , nachempfundene Trachten und durch den Schnaps beim Schweineschlachten unter Beweis stellen soll . Die wahre Gemeinschaft stellt sich durch ein aktuelles Dasein dar - durch die aktive und aktuelle Prägung einer eigenen Zukunft in unserer Zeit , in der wir leben , die uns vereint und tüchtig sprießen lässt .
SoNNTAGSBLATT
Die Basis bricht weg , alleine die Spitze bleibt noch schweben . Das geschieht in einem Vakuum , von künstlichem Aufwind eines konsensuellen Stillschweigens beteiligter interessierter Förderer ermöglicht und getragen , ohne das die Gravitation gegebener Tatsachen wohl augenblicklich bereits eine trostlose Realität zur aktuellen Wirklichkeit auftürmen ließe . Was das auf die Dauer bringt ? Die Frage aber anders gestellt : Hält man sich eine Dauer noch überhaupt vor Augen ? Für noch zwei Volkszählungen in der Zukunft vielleicht ? Dann kann es in Kauf genommen werden und geschehen , das noch so „ tüchtige Aussterben “?
Zu seiner Geschichte muss man sich mitzählen , sich anhand dieser in der Welt identifizieren zu können . Die tüchtige Fähigkeit des Vergessens , damit man so sich selbst nichts vorwirft , wie man ( aus einer falschen Höflichkeit ) auch anderen weder etwas vorzuhalten noch vorzuwerfen trachtet , ist falsch . Man muss sich nämlich über sich selbst in allem im Klaren sein , damit man sich nicht gegenstandslos ohne wahren Zusammenhang neu erfinden muss , sondern eine Geschichte als handfesten Kanon in sich trägt , mit dem man sich in seiner Gemeinschaft in Freude , aber auch in Leid und Not definiert – und das nicht als Nostalgie - sondern möglichst unverschönert .
Wenn man sich selbst in seinem historischen Bewusstsein erlebt , hat man auch Bestand . Wird man entlang von Erwartungen , von außen her definiert , geht man es ein , nie und nimmer klares Wasser ins Glas zu gießen , so geht man noch schneller unter , als man denkt . Als Gemeinschaft kann man gegenseitig nützliche Kompromisse eingehen , nicht aber aus einer aktuell als nutzbringend erscheinenden , gesinnungslosen Bequemlichkeit ohne Weitsicht und einen Glauben an eine möglichen Zukunft . Es wäre für die Volksgruppe verderblich , sich bedingungslos und in einen Einheitsbrei einschmieren lassen .
Wir betreiben Nationalitätenpolitik , eigentlich auch noch ohne Grundkonsens . Politik hat wahrlich selbst mit der Kulturpflege nur indirekt etwas zu tun , sondern sieht als ihren Sinn die Interessenvertretung und die Suche nach Möglichkeiten , die den Weg zu den Mitteln begründen und eröffnen . Gibt es keine Basis , bleiben nur Eigeninteressen . Der Mensch , der zu erfassen wäre , lebt in seinem Alltag , in dem man ihn längst hätte finden und erfassen müssen , indem man ihm wahre Alternativen eröffnet , der Gemeinschaft der Deutschen in Ungarn anzugehören - auch ohne , dass es dafür zu beantragende Bewerbungen und Sonderprogramme gibt . Die Atmosphäre - die Mode dessen - hätte geschaffen werden sollen , es offen zu zeigen , dass man seine Identität , die die Gemeinschaft sucht , in sich selbst und in seiner Familie lebt – nicht von außen her dazu gedrungen , sondern bewahrt in einer natürlich vorhandenen Initiative .
Einklang ? Unsere Grenze kann weder in der Ausgrenzung noch in der Unbestimmtheit liegen . Wir müssen uns auf einer breiten Palette als Gemeinschaft deklarieren und definieren , die die Kultur erfasst , die Sprache fördert wie sie auch ihren Anspruch auf ein gemeinsames historisches Bewusstsein voraussetzt . Sonst nimmt unsere Gemeinschaft aber in unserer Zeit - in der Gegenwart - moderne Daseinsformen bis zur traditionellsten Existenz in einer Selbstverständlichkeit wahr und erlaubt diese .
15