Sonntagsblatt 4/2020 | Page 15

Schritt abspaltet und sich in Richtung Osten mit ihren Diktaturen bewegt …” oder : „… Es ist in unserem existenziellen Interesse , dass unser Heimatland gemeinsam mit unserer alten Heimat einen gemeinsamen Weg geht …” Darauf wagte ich , ohne in Einzelheiten zu gehen , meine gebündelte Meinung zu sagen : „… Herr Kaltenbach ! In der Satzung der Jakob Bleyer Gemeinschaft als Kulturverein steht eine Erklärung , wonach der Verein keinerlei parteipolitische Tätigkeit betreibt und keine politische Partei unterstützt … Nachdem das Sonntagsblatt das Sprachrohr des Vereins ist …” Unser gute Jenő hat mich dann in der Hitze unserer Debatte – sozusagen – der Unwissenheit und Naivität bezichtigt und meinte : „… Gerade Jakob Bleyer , auf den du dich berufst , ist dafür ein gutes Beispiel . Er ist zwar gescheitert , aber die Zeiten haben sich seitdem geändert . Heute könnte man eine Eigenständigkeit durchaus wagen …” Dazu muss ich nun Jenő raten , doch endlich Geschichte , in diesem Fall betreffend Bleyer und Sonntagsblatt , zu studieren . In der Bleyer- Biographie ist u . a . zur „ Politik ” des Sonntagsblattes zu lesen : Auch im Sonntagsblatt machen wir keine eigene Politik , sondern unser ganzes Bestreben ist einzig und allein darauf gerichtet , unser schwäbisches Volk auf die Bahn reiner , christlicher Sitten , treuer Liebe zum angestammten Vaterland und zum angeborenen Volkstum zu leiten und zu fördern … - Was die Stellungnahme zu algemeinen politischen Ereignissen betraf , so hielt sich das Blatt im Fahrwasser der Regierungspartei …, darüber hinaus stand es natürlich dem Deutschtum im Reich , in Österreich und in den Nachfolgestaaten freundlich gegenüber … - beschäftigte sich eingehend mit allen Fragen des nationalen Minderheitenwesens … Obwohl das damalige Sonntagsblatt das Sprachrohr des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins war , so galt es offziell dennoch nicht als dessen „ Organ ”, weil es im Gegensatz zum VDU , der von der Regierung unterstützt wurde , finanziell unabhängig blieb . Herr Kaltenbach hatte auch eine Bemerkung , wonach „ die Zeiten ändern sich ”, womit er eigentlich Recht hat , aber auch nicht . Ich denke dabei an seinen oben schon erwähnten Wunsch „… dass unser Heimatland gemeinsam mit unserer alten Heimat einen gemeinsamen Weg geht …”. Hm – das dürfte schwierig sein . Lebt doch diese alte Heimat in unserem Herzen mit einem Glorienschein , wobei wir aber heute hören und lesen müssen : ” Stolz auf Deutschlande gibt es nicht ” oder „ Deutschland verecke !” Und wenn ich dann an das Fortbestehen unserer deutschen Volksgruppe in Ungarn denke , muss ich auch wieder auf die Worte Jakob Bleyers zurückkommen : „ Auch mich beschleichen oft Zweifel , ob der Kampf , der für mich Lebenskampf geworden ist , zum Sieg führen wird oder nicht . Soweit sein Ausgang von den ungarischen Chauvinisten abhängt , ist er natürlich hoffnungslos . Diese haben sich seit dem ( Bemerkung : Ersten ) Weltkrieg gar nicht geändert , sie sind höchstens noch unduldsamer geworden , als es vor dem Weltkrieg der Fall war . Der Kampf wird aber schließlich von der Stellungnahme des Deutschtums entschieden . Natürlich nicht des ungarländischen Deutschtums , das machtlos und eingeschüchtert ist , sondern des großen Deutschtums . Verhält sich dieses dem bedrohten Auslandsdeutschtum gegenüber so teilnahmslos und gleichgültig wie vor dem Weltkrieg , dann ist das ungarländische Deutschtum unentrinnbar dem Untergang geweiht , und dann war mein Leben ein großer Irrtum . Ist es aber entschlossen , sich für die Volksgenossen außerhalb des großen deutschen Sprachgebietes unbeirrbar bis zum Ende einzusetzen , so wird sein Wille unbedingt und endgültig durchdringen !” Merkwürdig ist dieses Inseldasein ! Bestimmt haben viele unserer Landsleute diesen Artikel im Sonntagsblatt gelesen . Und wahrscheinlich auch das angeschlossene Zwiegespräch Kaltenbach – Krix . Aber in der Debatte mitmachen ? Meinung äußern ? Na , das nicht . Merkwürdig ? Nein . Für Unseraaner ist es allasaans .
SoNNTAGSBLATT
Zeitgeschehen-Geschichte
Die Deutschen von Helfgott ( Az istensegítsi németek )
Von Dr . László Antal
Teil 2 : Ein Versuch , die Spaltung der Deutschen aus Helfgott in Zahlen darzustellen
Über die Umsiedlung der Deutschen aus der Südbukowina konnte ich keine detaillierten Informationen erhalten . Mir ist weder der Zeitpunkt des diesbezüglichen Vertrags noch das genaue Datum des Beginns und des Abschlusses der Übersiedlung bekannt . Es ist wahrscheinlich - und die begleitenden Memoiren legen das nahe - , dass sie unmittelbar nach dem Ende der Aktion in der Nordbukowina ( 17 . November 1940 ) begann und möglicherweise bis Weihnachten abgeschlossen war . Die Neuansiedlungskomitees aus dem Dritten Reich hatten sich in ihrer Tätigkeit mit Hilfe der deutschen Armee und des Roten Kreuzes hauptsächlich auf Städte und homogene deutsche Dörfer konzentrieren können .
Für Familien , die in Dörfern lebten , wo ihre Anzahl unbedeutend war , konnte selbst bei deutscher Präzision nicht genug Zeit und Energie aufgebracht werden . Auch die ungarischen Dörfer der Bukowina waren von der Aussiedlung der Deutschen und ihrer raschen Umsetzung überrascht . Auch dies mag dazu beigetragen haben , dass in der ungarischen Literatur der Bukowina die Aussiedlung der Deutschen nicht oder nur beiläufig erwähnt wird . Diese Ereignisse werden selbst in persönlichen Erinnerungen kaum wachgerufen .
Der Vorstand , die Pastoren und Lehrer der ungarischen Dörfer in der Bukowina hatten gespürt , dass nun sie an der Reihe sind . Um es für die Nachwelt festzuhalten , hielten sie die Namen der Dorfbewohner samt den Familienoberhäuptern fest . Zum Glück , noch bevor die Deutschen weggebracht wurden ! Eine Liste aus Istensegíts , die von Lehrer István Brendján erstellt wurde , fand auch eine Aufnahme in das Buch von Adam Sebestyén . Liest man die Liste , so kann man feststellen , dass sie eine relativ große Anzahl von Nachnamen deutscher Herkunft enthält .
Zu Beginn sollte angemerkt werden , dass ich die Frage danach , wer ein Deutscher ist , vereinfacht habe : Deutscher ist , der einen deutschen Namen trägt .
Abgesehen von den im Dorf lebenden jüdischen Familien mit deutschen Familiennamen , fand ich in 36 Häusern die Namen von 14 verschiedenen deutschen Familienoberhäuptern . Aufgrund meines Berufs habe ich versucht , ihre Anzahl genauer zu bestimmen . Die Familien konnten hauptsächlich anhand von Geburtsregistrierungsdaten identifiziert werden . Den Matrikeln zufolge gab es mehr deutsche Familien als oben erwähnt , da in einigen Häusern mehrere Familien zusammenlebten . Es wurden nicht nur die Ehepartner identifiziert , sondern es wurde auch offensichtlich , dass die meisten deutschen Ehemänner ungarische Ehefrauen hatten und viele ungarische Männer deutsche Frauen geheiratet hatten . Deshalb habe ich auch jene Familien als Deutsche eingestuft , in denen die Mutter Deutsche war .
Ich habe jedoch jene Familien , in denen nur unter den Großeltern deutsche Namen auftauchen , nicht berücksichtigt . So ergab sich , dass im Herbst 1940 in Istensegíts mindestens 58 Familien gelebt hatten , die gemäß der Vorlagen des Neuansiedlungskomitees als Umzusiedelnde galten . Sie standen vor dem Dilemma nach Deutschland umzusiedeln oder mit den Ungarn in Istensegíts zu bleiben .
( Fortsetzung auf Seite 16 )

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