seiner Familie wieder nach Berlin kam. Er verstarb Anfang De-
zember 2018, wurde aber in Furtwangen beerdigt.
Der letzte Tschechisch-Muttersprachler im Böhmischen Dorf ver-
starb in den 1980er Jahren. Heute leben noch 60 Nachfahren
böhmischer Flüchtlinge im Böhmischen Dorf, die die denkmal-
geschützten Gebäude vor allem gegen übergriffige Immobilien-
investoren verteidigen müssen. Die tschechischen Traditionen
sind derweil weitestgehend verlorengegangen, wenn sie nicht
wie Lebensläufe oder Bestattungen Teil der Bräuche der Brü-
dergemeinde geworden sind. Die Integration ist abgeschlossen,
die Geschichte der Geflüchteten nun Sache fürs Museum und
Archiv.
Quelle:http://landesecho.cz/index.php/gesellschaft/843-ber-
lins-boehmisches-dorf
Ansichten - Einsichten
s
der Volksgruppe an, „…die mit geschwellter Brust von Erfolg und
Fortschritt reden und schreiben…“, wo doch die Lage katastro-
phal sei. Wo wir doch am Verschwinden seien und im Grunde nur
mehr Erinnerungen und Bühnendarbietungen Merkmale unseres
ethnischen Daseins wären. In der Beantwortung der Schuldfra-
ge für diese Misere möchte ich eine etwas abweichende Sicht
als die von Georg Krix einbringen, der meint, hauptsächlich wir
selbst seien schuld. Unsere eigene Schwäche und die Schwä-
che der von uns gewählten Führung der Volksgruppe seien das
Grundübel. Weil sich in der von uns gewählten Führung keine
Kämpfer befänden, welche für die uns zustehenden Rechte und
Möglichkeiten energisch genug auftreten würden. Deshalb gehe
es so rapide abwärts mit uns, notiert Krix. Mit der pauschalen
Schulzuweisung an das Ungarndeutschtum, selbst schuldig zu
sein für seinen Niedergang, überzieht er nach meiner Meinung
seine Vorhaltung und relativiert zugleich die Schuld der eigent-
lichen Verursacher des Niedergangs des Ungarndeutschtums.
Dabei muss man nicht weit gehen beim Suchen, um den wahren
Grund für das verblassende Bild, das wir heute abgeben, zu fin-
den.
Erinnerungs- und Bühnendasein
Ungarndeutsche Diskussionskultur
im Sonntagsblatt
Von Johann Till
Vor fast dreißig Jahren überraschte Georg Krix mit der Wieder-
gründung des Bleyer‘schen Sonntagsblattes die ungarndeutsche
Öffentlichkeit. In Ungarn selbst – bei der Mehrheitsnation – fand
das Ereignis natürlich keinen Widerhall. Zu eingefahren waren
schon die Marginalisierung und der Bedeutungsverlust der deut-
schen Minderheit geworden. Nur im deutschsprachigen Aus-
land, bei den vertriebenen Ungarndeutschen, horchte man auf,
als es fortan neben der über Jahrzehnte des Sozialismus bereits
eingefahrerenen, staatsfinanzierten Neuen Zeitung ein unabhän-
giges, zweites ungarndeutsches Presseorgan gab.
Jakob Bleyers Erbe
Mit dem Sonntagsblatt bot sich zum ersten Mal auch für kriti-
sche ungarndeutsche Stimmen die Möglichkeit, nach außen in
Erscheinung zu treten. Nachdem die einparteienbeherrschte so-
zialistische Medienlandschaft, zu der auch die Neue Zeitung ge-
hörte, nach der politischen Wende 1989/90 verschwand, wurden
auch die linientreuen Redakteure in den meisten Redaktionen –
zu den Ausnahmen gehörte die Neue Zeitung – ausgewechselt.
Insofern war die Wiederauflage des Sonntagsblattes, als Erbe
im kritischen Geist seines Gründers Jakob Bleyer, ein Glücks-
fall. Auch das Zupacken und Ausharren von Georg Krix kann
als Glücksfall gewertet werden. Damit schuf er der lange Jahre
zum Schweigen gebrachten ungarndeutschen Meinungsvielfalt
die Möglichkeit, an die Öffentlichkeit zu treten. Beredtes Beispiel
ist die letzte Nummer des Blattes (SB Nr. 3 / 2019). In diesem
ist eine neue ungarndeutsche Diskussionskultur wohltuend zu
vernehmen. Der Blickwinkel der Redaktion hat sich, nach de-
ren Verjüngung vor drei Jahren, erfreulich geweitet. Thematisch
werden nicht nur die Belange der Ungarndeutschen behandelt,
immer wieder wird auch in Reportagen über das Leben und die
Sorgen anderer Minderheiten in und um Ungarn herum berichtet.
Exemplarisch für die neue Diskussionsfreudigkeit ist z.B die auf
dem Titelblatt in Großformat gedruckte Überschrift „DIE RECH-
TE SIND FÜR UNS DA!“. Der als Aufforderung an alle Ungarn-
deutsche gedachte Zuruf ist ein Echo auf den kurz vorher von
Georg Krix verfassten Beitrag. In seiner negativen Lagebeschrei-
bung legt Krix die ungarndeutsche Wirklichkeit schonungslos of-
fen und spricht explizit die Führungspersonen und die Medien
24
Welche Entschlossenheit, welchen Mut und Selbstbewusstsein
hätten die in ihrer schwäbischen Kultur und ihrer dörflichen Ver-
wurzelung in den Nachkriegsjahren 1945/50 zutiefst getroffenen
Ungarndeutschen aufbringen müssen, um nach der ethnisch
zerstörerischen Einwirkungen in jener Zeit, die bis heute nach-
wirkt, um sich wieder aufzurichten, um sich wieder auf gleicher
Augenhöhe und gleicher Wertschätzung im Lande zu fühlen?
Sie wurden wie Schädlinge behandelt, gedemütigt, enteignet,
vertrieben und letztlich einer ethnisch-nationalistischen Säu-
berungswillkür als Sündenböcke preisgegeben. Von welchem
heimatverbliebenen Ungarndeutschen, der diese Tortouren
erlitten, gesehen oder auch nur davon gehört hatte, von wel-
chem dieser traumatisierten und viele Jahrzehnte stigmatisier-
ten und abschätzig behandelten Schwaben hätte man die Un-
erschrockenheit zur öffentlichen Einforderung jener Rechte, die
uns eine echte Chance zur Sicherung unseres Fortbestandes
hätten gegeben können, erwarten oder einfordern können? Von
keinem! Niemand wagte das, niemand hatte die Kraft und den
Mut dazu, dies laut einzufordern. Die Drastik der erlebten oder
gehörten Ereignisse brannte sich bei jedem unserer Landsleu-
te tief und bleibend ein. Unsere entstandene Angststarre wirkte
sich besonders fatal auf den Gebrauch unserer Sprache aus. Wir
verstummten und duckten uns weg, wir verheimlichten, wo es
ging, unser Deutschtum und gewöhnten uns sehr schnell ab,
in unserer Muttersprache miteinander zu sprechen. Wir wollten
nur weiterleben, weiter existieren in der eigenen Heimat. Diesem
existentiellen Primat ordneten wir alle anderen – ethnischen –
Aspekte unseres zukünftigen Daseins unter. Die abschätzige
Behandlung und Drangsalierung, die wir in den Nachkriegsjah-
ren seitens der Mehrheitsbevölkerung – besonders von den ma-
gyarischen Neusiedlern/telepesek - ertragen mussten, haben
sich tief eingebrannt. Wer öffentlich deutsch sprach, wurde zur
Rede gestellt oder bestraft, wie es uns Schulkindern noch in den
1950er Jahren in meiner Dorfschule alltäglich widerfuhr. Auch
im Pausenhof und auf dem Nachhauseweg war es uns verboten,
unsere Muttersprache zu gebrauchen. Um dieser breit konzipier-
ten Magyarisierungswalze zu entkommen, blieb den meisten nur
die Flucht ins Magyarische. Wer dieser allumfassenden ethni-
schen Verdrängung widerstehen konnte, musste von einer intel-
lektuellen Besessenheit oder einer schweren geistigen Verbohrt-
heit befangen gewesen sein. Beides war uns Schwaben (Gott
sei Dank) nicht eigen, schrieb trefflich in einem fundierten Essay
zu diesem Thema der ungarndeutsche Politologe Josef Bayer.
Zur Zielgruppe, auf die man den (fiktiven) Stein in der Frage der
Schuld-Intention von Georg Krix dennoch werfen darf, gehö-
ren all jene hauptamtliche Ungarndeutsche, die über Jahre ihre
existenzielle Absicherung mit der Lobpreisung der Erfolge und
SoNNTAGSBLATT