deutschen Theaters, ans Nationaltheater; desgleichen die Sänge- rin Schodel, die zur lauten Vorkämpferin des madjarischen Chau- vinismus wurde. Erkel aber, mit Ehrungen und Geschenken überhäuft, gründete die ungarische Oper.
Das Nationaltheater spielte – wie die ungarischen Wandertrup- pen – aus dem Deutschen übersetzte Kassenstücke der deutschen Bühne. Im übrigen fand seine Eröffnung mit Kotzebues „ Bélas Flucht” in deutscher Sprache statt; nur ein Gedicht Vörösmartys( Árpád ébredése – Arpads Erwachen) wurde ungarisch vorgetragen. Erst allmählich entstand eine eigenständige ungarische Dra- menliteratur.
Die Gefahr für das deutsche Theater kam jedoch von anderer Seite. Széchenyi hatte in seinem „ Licht”( 1832) geschrieben:
„ Dieser Ort( die Hauptstadt) kann aber für den Madjaren kein anderer sein als das von Natur aus dazu bestimmte Pest und Ofen, denn das ist das Herz des Vaterlandes, und das soll in Ordnung sein, das soll in voller Lebenskraft pochen, es wird das belebende Blut in alle Adern des Landes hinaustreiben. Das Madjarentum nach Pest und Ofen zu konzentrieren,... das ist unser Ziel.”( Vgl. MR. XVI, S. 247).
Nur waren jedoch Pest und Ofen keine menschenleeren Städte, sondern hatten eine kulturell hochstehende deutsche Bevölkerung mit zahlreichen Institutionen, Vereinen, Schulen, Theatern, da- run ter das große Schauspielhaus. Dies alles musste ausgeschaltet werden, um eine rnadjarische Hauptstadt zu schaffen. Széchenyi selbst war entsetzt über die Art, wie man sich an die Verwirk- lichung seines Planes heranmachte. In seiner großen Akade- mierede von 1842 versuchte er die Madjarisierungswut zu dämpfen, indem er ausführte:
„ Hat sich das Madjarentum nicht in den Kreis älterer Institu- tionen und Vereine gelegentlich von heute auf morgen mit Gewalt hineingedrängt? Wurden aus manchen Vereinen und Veran stal- tungen zugunsten des Madjarischen nicht alle anderen Spra chen wie Drüsen ausgeschaltet? Hat sich das Madjarische nicht Hals über Kopf auch in die geringsten Dinge hineingeschoben,... und wenn es dazu zu schwach war, haben Organe der Öffentlichkeit wie gewaltige Riesen diesen nicht die nationale Rache angedroht?”( Ebd., Bd. XVII, S. 157 if.).
Am 27. Februar 1843 zeigte sich zum ersten Mal, wie man das Pester deutsche Theater zugrunde zu richten gedachte: man verhinderte das Auftreten des weltberühmten Violinkünstlers Vieuxtemps unter Skandalszenen. Széchenyi protestierte empört dagegen in seinem Blatt „ Jelenkor”( Gegenwart) am 30. März, am 9. und 27. April 1843 und enthüllte, dass der Krawall aus Rivalität gegen das deutsche Theater provoziert worden sei; er schrieb: „ Viele meinen, nur noch einigemal so, und das deutsche Theater wird unwiderruflich zugrunde gerichtet sein”.
Fortsetzung folgt
❖ Mit einem Binkel gekommen?
Wenn man in Ungarn über die Ungarndeutschen – eigentlich über die „ Schwaben”( svábok) – spricht, über deren Geschichte schreibt, so steht immer wieder, beinah selbstverständlich, die geflügelte Aussage im Vordergrund: Mit einem Binkel gekommen, mit einem Binkel mussten sie gehen. Gemeint ist damit, dass unsere Ahnen im 18. Jahrhundert als arme Leute, nur mit einem Binkel ins Land gekommen sind und dann im 20 Jahrhundert, nach dem Zweiten Weltkrieg, ebenso mit einem Binkel das Land verlassen mussten, – da sie vom ungarischen Vaterland enteignet und vertrieben wurden.
Mit dem Binkel gekommen? – das stimmt aber nicht!
Unsere Ahnen, vom „ Kaiser gerufen”, über die Reichskammer oder von Großgrundbesitzern in Ungarn angeworben, kamen über wiegend auf den Wellen unseres Schicksalstromes Donau mit Plätten / Ulmer Schachteln in die neue Heimat. Über die Gründe zum Entschluss der Auswanderung, über die Reise, deren Um- stände und Gefahren, über das mitgeführte / mitgebrachte „ Eigen- tum” der Kolonisten berichtet Prof. Gerhard Seewann in seiner zweiteiligen „ Geschichte der Deutschen in Ungarn” sehr ausführlich und verständlich. Ja, diese Geschichte müsste eben von allen un- seren Landsleuten gelesen, in allen Schulen unterrichtet werden! Sicherlich kamen auch arme / ärmere Menschen, Einzelgänger oder Familien, in das damals hochgepriesene Hungarland, doch überwiegend, ja allgemein brachten sie ein ansehnliches Vermö- gen mit. Darüber sollen hier Auszüge aus Seewanns Geschichte berichten.
… Entschloss sich ein Bauer zur Auswanderung nach Ungarn, so war noch vor der Reise eine Reihe von Modalitäten zu erledigen. Nehmen wir das Beispiel des Bauern Adam Baumann von Schlier- stadt bei Mainz: Im Frühjahr 1724 verkaufte er Haus und Hof und erzielte damit 328 Gulden. 100 Gulden musste er für die Kirche in Zimmern abzahlen, 17 Gulden rückständige Steuern an die Herr- schaft und seine sonstigen Schulden begleichen. Von den Einnah- men waren noch die üblichen 10 Prozent Nachsteuer zu entrichten. Außerdem war noch die Wegzugsgebühr fällig … Schließlich kaufte er für die Reise Frucht und Proviant ein. Schließlich blieben ihm 43 Gulden Reisegeld …
… Die erste Etappe der Anreise vom Herkunftsort bis Wien musste der Siedler in der Regel selbst organisieren und bezahlen. An der Donau angekommen zimmerte er sich entweder selbst einen Floß oder man bestieg an den Anlegestelle ein Schiff …
… Unter Kaiser Joseph II. wurde das Transportsystem neu ge- ordnet und die Reisekosten an der Kolonisten von Wien bis zum Ort ihrer Ansiedlung grundsätzlich vom Staat übernommen. Bis 1780 mussten die Kolonisten die Kosten für den Transport von den Donauhäfen Pest, Dunaföldvár, Paks, Mohács, Apatin, Peter- wardein / Petrovaradin, Pantschowa / Pancova bis zu ihrem endgültigen Bestimmungsort selbst übernehmen, im günstigen Fall bekamen sie von ihrem neuen Grundherrn einen Vorschuß, den sie später jedoch zurückzuzahlen hatten …
… Da die kaiserlichen Behörden Auswanderer in der Regel nur im Familienverband einreisen ließen, waren viele noch unverheiratete Angehörige der jüngeren Generation gezwungen, spätestens unterwegs Ehepartner auszuwählen und zu heiraten. Die Kirchenbücher der Donauhäfen sind voll von Eintragungen solcher Eheschließungen. In der holländischen Gesandtschaftskirche in Wien wurden zahlreiche protestantische Brautpaare getraut, da sie für Protestanten eine der wenigen Möglichkeiten bot, in der Haupt- und Residenzstadt der katholischen Habsburgermonar- chie den ihrer Konfession gemäßen Heiratsakt zu vollziehen …
Was brachten die Siedler aus Deutschland mit?
… Die Kolonisten aus Deutschland brachten ein ansehnliches Ver- mögen mit ins Land, ein Startkapital, das sie zum Aufbau ihrer Existenz auch benötigten. Als solches wurde laut Werbepatenten ein Durchschnittsbetrag von 200 Gulden angesehen, mit dem Zug vieh, Arbeitsgerät, der Hausbau und die Eigenverpflegung bis zur ersten Ernte zu finanzieren waren. Doch wurden auch Paare mit geringerem Vermögen aufgenommen, die als landlose Häusler oder Söllner für die Arbeit im Weinberg und in der Eigen wirt- schaft der Grundherren als Handwerker und Tagelöhner benötigt wurden.
Die 200 Gulden als Investitionsbetrag für den Neuanfang in Ungarn wurden laut Werbepatent eines kaiserlichen Kommissars für die Impopulation des Banats 1736 wie folgt berechnet:
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