S onntagsblatt
Nr. 4/2016
Gegründet von Dr. Jakob Bleyer im Jahre 1921
Informationen, Meinungen
MOTTO
„Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben,
wer täglich sie erobern muss.”
J. W. v. Goethe
STRATEGIE
Die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU) hat
unter dem Leitwort „Steh dazu!” eine Broschüre herausge-
bracht über „Strategie der LdU bis 2020”.
Versprochen wurde uns diese Strategie bereits vor zwei Jahren,
dann endlich gegen Ende vorigen Jahres wurde die Fertigstellung
angekündigt. Auf der Gala der Selbstverwaltungen im Januar in
Fünfkirchen hat LdU-Vorsitzender Heinek das baldige Erschei nen
in Aussicht gestellt. Im Mai war es dann endlich soweit. Und ab 1.
Juli ist das gedruckte Strategie-Heft in der Geschäftsstelle der LdU
kostenlos erhältlich.
Bei Umfragen im Bekanntenkreis habe ich die Erfahrung
gemacht, dass unsere Landsleute allgemein diese Strategie (noch)
nicht kennen; sie nicht besitzen, nicht darüber gehört haben, sie
auch nicht im Internet gesucht und gefunden haben. Ja, schließlich
ist die Sache noch neu, aber unsere vor Ort „Zuständigen” sollten
doch darüber wissen und auch die breite Öffentlichkeit entspre-
chend aufklären. Denn, man könnte ja sagen, die Strategie ist ein
Fünfjahresplan (2016–2020), wovon das erste Jahr bereits die
Halbzeit überschritten hat. Also, die Zeit vergeht…
Was ist überhaupt Strategie?
Für diesen Begriff gibt es verschiedene Definitionen, wie z.B. „Strategie
ist die Kunst, zur rechten Zeit die richtigen Dinge zu tun. Für den Erfolg
ist sie bedeutender als alle Arbeitsmethoden zusammen.” Oder: „Stra te -
gie ist der Plan zur Durchführung eines Vorhabens oder Verhinderung
von Nachteilen.” Mit anderen Worten, Strategie ist ein genauer Plan für
ein Vorgehen, mit welchem man eine Verbesserung der bestehenden Lage
(militärisch, wirtschaftlich, kulturell u.a.) erreichen will.
Von wo, wohin?
Eine gute Frage. Unsere Strategie gibt nämlich Ziele an, be schreibt
Zustände die mit aktiver Arbeit erreicht werden sollen, erwähnt
jedoch mit keinem Wort die gegenwärtige Lage der Volksgruppe.
Sozusagen: Das Endziel ist angegeben, wird umschrieben, eigent-
lich als Aufgabe und sogar als gegebener Zustand geschildert, ohne
auf den Ausgangspunkt der Arbeit hinzuweisen. (Eine Ausnahme
ist bei Rubrik „Politik” zu finden, wo die Arbeit damit beginnt: „Ein
Großteil der Mitglieder der ungarndeutschen Gemeinschaft ist
politisch passiv… Die grundlegende Voraussetzung für eine aktive
und professionelle Natio nalitätenpolitik ist die Stärkung der inne-
ren Kohäsion und der Identität der vertretenen Gemeinschaft…)
Um auf Details eingehen zu können muss jedenfalls und vor allem
Jakob Bleyer Gemeinschaft e.V.
der Inhalt der Broschüre dargestellt werden. Wir haben es hierbei
außer der Präambel mit fünf Rubriken zu tun. Die Aufgliederung
heißt: Politik – Erziehung und Bildung – Kultur – Jugend – Medien.
Sehr eindrucksvoll und gut verständlich ist die Präambel in vier
Punk ten abgefasst, die wie folgt lauten:
1. Die deutsche Sprache ist unsere Muttersprache, sie ist eines der
wichtigsten Elemente unserer Identität und gleichzeitig Sym bol der
Zusammengehörigkeit unserer Volks gruppe. Unsere Mut terspra -
che zu gebrauchen ist unser Recht, aber auch unsere Pflicht…(!)
Die Bewahrung und Weitergabe der ungarndeutschen Dialek -
te…(?) Nun, bitte schön, sehen wir uns die Ergebnisse der letzten
Volkszählung an, wonach Deutsch als Muttersprache im Ausster -
ben sich befindet. Und dazu das Bekenntnis unserer un garndeut -
schen Jugend: Von der Mutter haben wir Ungarisch gelernt, also…
In der LdU-Strategie finde ich keinen Hinweis, wie das gesteckte
Ziel erreicht werden soll/kann.
2. Für den Fortbestand und die Stärkung des Ungarndeutsch tums
als Gemeinschaft ist ein effektiv funktionierendes Netz von
Organisationen nötig. – Ja, wirklich. Wir dürfen aber doch sagen,
dass das Netz von Organisationen auch heute gegeben ist, wobei
natürlich fraglich ist ob dieses Netz auch effektiv funktioniert. Es
funktioniert, meiner Meinung nach, aber nicht für Fortbestand und
Stärkung der Volksgruppe.
3. Die zuverlässigste Garantie für unsere Zukunft ist ein eigenes
Netz von Institutionen. Hier denkt man wohl in erster Linie an
Bildungseinrichtungen, an deutsche Kindergärten, Schulen. Hier
ha ben wir ja heute schon schöne Erfolge, und diese Trägerschaf ten
deutscher Selbstverwaltungen sollen – natürlich! – vermehrt wer-
den. Nur, was erreicht die deutsche Volksgruppe damit? Sind diese
„Nationalitäten”-Schulen und Kindergärten deutsche Ins titutio -
nen? Wo doch die Mehrheit der Kinder/Schüler keine Deut schen
sind, wo das Lehrpersonal (mehrheitlich) nicht deutsch stämmig
und somit nicht deutschbewusst ist und… Ein Schlag ins Wasser!
4. Zur Stärkung unseres Zusammengehörigkeitsgefühls und unse-
res Daseins als Gemeinschaft tragen der Gebrauch unserer Sym -
bole, sowie der symbolische Gebrauch unserer Mutter spra che bei.
Frage: Was heißt symbolischer Gebrauch der Mutterspra che? (Ein
Widerspruch zu Punkt 1.?) Wir befürworten, dass El tern ihren
Kindern deutsche Vornamen geben… Kann man dazu das von der
LdU erarbeitete und veröffentlichte Verzeichnis deutscher(?) Vor -
namen verwenden? (Ein Jammer!) Vorbilder/Ideale benötigen die
Ungarndeutschen (merkwürdigerweise!) nicht – laut LdU.
Über diese Strategie müssen wir uns noch viel unterhalten. Denn
das wie und wer, wann und wohin sind brennende Fragen.
Hoffentlich wird sich auch die LdU damit an die Öffentlichkeit
begeben und Meinungen dazu einholen. Eines steht fest: Eine gute
Strategie ist notwendig, doch dazu auch ein entsprechender Stratege!
Georg Krix