Sonntagsblatt 4/2015 | Page 20

Leben vor dem zweiten Weltkrieg , währenddessen und in der stalinistischen Sowjetunion . Irgendwann hatte ich unsere Familien - geschichte selbst so weit verinnerlicht , dass ich jedem , der nachfragte Episoden daraus nacherzählte .
Minderheit funktionieren drei staatliche Institutionen : das Deut - sche Theater , die deutsche Rundfunksendung und die deutsche Fernsehnsendung „ Wir Deutschen ”.
Die Versammlung der Völker Kasachstans stellt ein Mechanis - mus der Zivilgesellschaft dar , der alle national – kulturelle Zentren vereinigt und die Interessen nationaler Minderheiten in Kasach - stan vertritt . NGOs : „ Dialog ”, Advocates on behalf of Jews in Russia , Ukraine , the Baltic States & Eurasia , Almaty Helsinki Committee , Kazakh International Bureau for Human Rights and Rule of Law , Center for Conflict Management .
Sowohl der Rat der Deutschen in Kasachstan , als auch die DKAU wird sowohl von deutscher ( CIM , GTZ , Auswärtiges Amt , BMI , Deutsche Botschaft in Kasachstan ), als auch von kasachischer Seite befürwortet und unterstützt , da die Vereine dabei helfen , die Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan zu vertiefen und auszubauen . Die „ Deutsche Allgemeine Zeitung ” ( DAZ ) ist die Zeitung der deutschen Minderheit in Kasachstan . Sie wendet sich zudem an alle diejenigen , die ein grundsätzliches Interesse an der deutschen Sprache , Kultur oder Gesellschaft haben . www . deutsche-allgemeine-zeitung . de Die Deutsch-Kasachische Assoziation der Unternehmer ist ein internationaler Zusammenschluss von Unternehmern , Verbänden und anderen juristischen Personen aus Kasachstan und Deutsch - land . Ziel der Assoziation ist es , die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder besonders durch den intensiven Kontakt zu deutschen , sowie kasachischen Institutionen effektiv zu vertreten . www . dkau . de Kasachstan ist kein Mitglied des Europarats und hat das Rahmenübereinkommen daher nicht ratifiziert . Allerdings kann das Ministerkomitee des Europarats jeden Nichtmitgliedstaat des Europarats einladen , dem Rahmenübereinkommen beizutreten ( Artikel 29.1 Rahmenübereinkommen ). Eine solche Einladung wurde bisher noch nicht ausgesprochen .
Kasachstan ist kein Mitglied des Europarats und hat die Spra - chen charta daher nicht ratifiziert . Allerdings kann das Minis - terkomitee des Europarats jeden Nichtmitgliedstaat des Euro pa - rats einladen , der Sprachencharta beizutreten ( Artikel 20.1 Spra - chencharta ). Eine solche Einladung wurde bisher noch nicht ausgesprochen .

Neues altes Kasachstan

Mit dem Zug durch ein fremdes Heimatland – ein persönlicher Reisebericht von Olga Herschel . Freitag , 5 . September 2014 Obwohl ich erst mit neun Jahren nach Deutschland auswanderte und neben meiner Muttersprache Rus sisch nicht wenig an eigenen Erinnerungen mit nahm , war Kasachstan für mich vorwiegend das Heimatland meiner Großeltern und Eltern gewesen .
In unserer Familie kursierte eine Fülle an Geschichten über ihr
Die Familiengeschichte reist mit
Da ist zum Beispiel jene von meinem Großvater väterlicherseits , Paul Stauch , wie er mit 12 Jahren , des Russischen akzentfrei mäch tig , dem Kohleschacht des Arbeitslagers entfloh . Er gab sich fortan für einen Russen , Pavel Serikow aus . Seine Angst , die falsche Identität könne eines Tages auffliegen , war ihm so unerträglich , dass er sich 30 Jahre später , in den 1970er Jahren , freiwillig der Miliz stellte . Er riskierte eine jahrelange , vielleicht sogar le - bens längliche Gefängnisstrafe . Er hatte Glück . Der Beamte an die sem Tag hatte vielleicht keine Lust einen so alten Fall aufzurollen oder hatte mit meinem Großvater Mitleid . Wir wissen nicht , was seine Beweggründe waren . Jedoch wimmmelte er ihn mit der Anweisung ab , nicht wiederzukommen und ja nicht irgendwem zu erzählen , dass er hier war .
Schaschlik und Radieschen
20 Jahre nach dem meine Eltern , meine Schwester und ich Ka - sachstan im April 1994 verließen , und damit bereits unzähligen Verwandten nach Deutschland folgten , habe ich zum ersten Mal die Gelegenheit , mir ein eigenes Bild von meinem Heimatland zu machen . In Almaty , der mir bis dato völlig unbekannten ehemaligen Hauptstadt , halte ich seit meiner Ankunft Ausschau nach et - was , das ich vielleicht mit meiner Kindheit im Osten Kasachstans verbinde . Zwischen all den rasenden Autos , den Ampelschal - tungen mit Sekundenanzeige und den hastig schreitenden Fußgängern erinnern mich jedoch lediglich Almatys Berge an jene um unser Haus in Zyrjanowsk . Wahre Kindheitserinnerungen kommen jedoch schon bald beim Essen auf . Allein der Klang der Gerichte – Beshparmak , Schaschlik , rufen in mir Bilder von Grill - abenden und Tafelrunden mit vielen Gästen auf . Doch auch der Geschmack der Speisen ist nach 20 Jahren Abstinenz überraschend gewohnt . Die sauren Gurken sind hier nach wie vor eher salzig als sauer . Und den Radieschen hat in Kasachstan bisher keiner die Schärfe weg zu züchten gewagt , die Himbeeren , die die alten Frauen an den Straßenständen verkaufen , sind kleiner , fester und süßer im Geschmack .
24 Stunden Steppenpanorama
Um meine Reise in Richtung Ostkasachstan fortzusetzen besteige ich nach wenigen Ta - gen , wie täglich Hunderte von Kasachsta - nern , den abendlichen Zug nach Ustkame - no gorsk . Reisedauer : 24 Stun den . Man reist in Abteilen à vier Pritschen . Wer eine von den unteren erwischt , hat Glück , denn sie sind schnell ausgebucht . Ich bin zu spät dran und lande auf der oberen Liege . Dafür habe ich von dort einen großartigen Ausblick auf die Unmengen an Proviant , die jeder Reisende kurz nach Betreten des Abteils auf dem ellenbogenbreiten Tisch ausbreitet und von nun an unermüdlich den anderen Fahrgästen zur Verköstigung anbietet . Plow , Manty , Blini , hartgekochte Eier und Almatys legendärer Apfel „ Aport ” sind diesmal vertreten . Gott sei Dank bin ich auf die kasachische Gastfreundlichkeit vorbeireitet und teile meinerseits saure Gurken und walnussförmige Kekse mit Sguschjonka – einer Art Karamellcreme aus . In der Enge unseres Abteils werde ich von meinen Mitfahrern , dem 38 Jahre alten Russen Schenja und dem 29 Jahre alten Kasachen Nartay , schnell ins Gespräch verwickelt . Passagiere einfach ignorieren , so wie man es im ICE zu tun
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