• Zum Feierabend • mein( ungarn-) deutschtum( 20)
beabsichtigte, durch einen „ Reißer” ins große Geschäft zu kommen. Da war die ungarische Staatskrise 1903-6, die in ganz Euro- pa für Aufsehen gesorgt hatte, gerade das richtige Thema. Nun ging es Adam Müller-Guttenbrunn um gründliche Recher- chen in seiner ungarischen Heimat. Die erste Reise erfolget am 12. 05. 1907.
Voller Eifer reiste der Dichter für einige Tagen( 12. – 18. Mai) zwecks Gewinnung von Eindrücken nach Ungarn. Auf dieser Reise gelangte Adam Müller-Guttenbrunn auch in seinen Heimatort, wo er nach aufmunternden Worten zu den Bauern vor ungarischen Gendarmen flüchten musste. Diesbezüglich hält Ludwig Rogl anekdotisch fest: „ Belustigend wirkt die Verwirrung, die auch bei treuen‘ Patrioten’ das ungarische Ortsnamengesetzt anrichtet. Nach dem Bericht der‘ Südungarischen Reform’( 22. Mai 1907) über die Jagd auf den‘ pangermanischen Giftmischer’ floh Müller- Guttebrunn von Gutttenbrunn nach Temeshidegkut, was aber nur der madjarische Name für Guttenbrunn ist.”
Nach seinen Aufenthalten in der Heimat war der Dichter über die dort vorgefundene Wirklichkeit voller Misstrauen und politischem Desinteresse entsetzt, und es reifte in ihm der Entschluss, diese Zustände journalistisch-schriftstellerisch zu verarbeiten, um einer breiten Leserschaft zugänglich zu machen. Seine Empörung über die in Transleithanien vorgefundenen Zustände findet in dem mit Wut und Zorn verfassten Roman Götzendämmerung( Ein Kulturbild aus dem heutigen Ungarn – als Untertitel) ihren Niederschlag. Über die politische Lage informierte sich der Dichter in verschiedenen Gesprächen wie z. B. mit siebenbürgisch – sächsischen Reichstagsabgeordneten, mit Politikern aus dem Umfeld des Reformkabinetts Géza Fejérváry sowie mit dessen Innenminister Josef von Kristóffy, mit dem er durch Edmund Steinacker bekannt wurde. Darüber hinaus war die Lektüre diverser politischer Pub- likationen aus Ungarn dem Dichter von besonderer Hilfe.
Die Arbeit Adam Müller-Guttenbrunns lag am 30.08.1907 druckreif vor und wurde schlussendlich als „ Götzendämmerung” betitelt. Adam Müller-Guttenbrunn beabsichtigte mit diesem Titel zum Ausdruck bringen zu wollen, dass es der Führungsschicht einerseits gelungen war, nach dem Reformkabinett wieder den Weg zu ihrer politischen Haltung zurück zu finden, dass andererseits die Ära der falschen Götter – der Götzen – vorbei sei, die von ihren demokratisch-sozialen Versprechungen abgerückt sind. Adam Müller-Guttenbrunn ging es in seinem Roman „ Götzen- däm merung” um die genaue wahrheitsgetreue Darstellung der sozial-politischen Verhältnisse in Ungarn aus verschiedenen Blickwinkeln und durch maßgebliche Persönlichkeiten bzw. deren Zugänglichkeit zu einflussreichen politischen Gruppen.
Der Romanheld Dr. Dezsôffy stellt den Innenminister Kristóffy dar, dessen Wahlvorhaben laut Regierungsprogramm hauptsächlich soziale Absichten verfolgen zwecks Schaffung der Vorausset- zungen, Ungarn vom Adels- zum bürgerlichen Nationalstaat um- zuformen.
Die am Wiener Hof agierende Spionin, Baronin Béla Schön- berger wird vom späteren Justizminister Polónyi(= Dr. Boldog im Roman) bestochen, den Grafen von Paar, Generaladjutant des Kaisers, auszuspionieren. Nachdem jedoch die für ihre Dienste versprochenen Beträge nicht mehr an die Baronin fließen, legt die se ihre Aufträge offen, und Polónyi wird seines Amtes enthoben. Diese als Tulpenbewegung in die Geschichte eingegangene Hetze gegen Österreich bzw. gegen alles Österreichische beabsichtigte eine eigene Industrie aufzubauen und Ungarn weitgehend von Österreich unabhängig zu machen.
In Österreich bahnte sich eine Gegenbewegung namens „ Weiße Nelke” an, der zufolge landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Un garn boykottiert sowie ungarische Wertpapieren abgestoßen werden.
Bald siegten jedoch in Ungarn jene Kräfte, die zur Mäßigung führten und sich gegenüber dem König nachgiebig erwiesen.
Die 1906 gegründete Ungarländischen Deutschen Volkspartei( UDV) war bestrebt, alle Ungarndeutschen einschließlich den Siebenbürger Sachsen zu einemeinheitlichen Vorgehen in sozialpolitischen und kulturellen Belangen zu veranlassen
Dass die Siebenbürger Sachsen andere Ziele verfolgten – nämlich sich nicht den Nationalitäten sondern der Regierungspartei zugetan fühlten, wird von der Leitung der Ungarländischen Deutschen Volkspartei( UDV) aufs schärfste kritisiert. Im Zentrum der Romanhandlung( Götzendämmerung) steht der deutsch – amerikanische Ingenieur Georg Trauttmann, der zu verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Bereichen Beziehungen pflegt.
Fortsetzung folgt
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Ungarndeutsche Zukunft über soziale Medien? – ein interessanter Versuch Von Richard Guth
Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich Bilder auf Facebook auf, die wie Memes erscheinen, aber mit einem großen Unterschied: Deren Ziel scheint nicht die Belustigung über und Karikierung von All- tagserscheinungen zu sein, sondern versuchen eine ernste Botschaft mit ein wenig Hu- mor zu vermitteln. Einige Bei- spiele: „ Wenn sich alle Ungarndeutsche nebeneinander stellen würden, könnten sie die Erde 4,5 mal umrunden”. „ Einer repräsentativen Umfrage nach würde in Ungarn ein Drittel der Bevölkerung nicht gerne einen Donauschwaben in ihrer Nachbarschaft haben. Somit sind sie immerhin beliebter als die Siebenbürger Ungarn oder die Skinheads”. „ Einem Nordschles- wiger Deutschen kommen durchschnittlich zweimal so viele auf Deutsch unterrichtende Gym nasien zu als einem Ungarn deut- schen”. „ Pál Dárdai, der Natio nal trainer der ungarischen Fußball- mannschaft, nebst Cheftrainer von Hertha BSC, bekennt sich stolz zu seinen donauschwäbischen Vorfahren”. Solche und ähnliche Posts erwarten auf Facebook die Benutzer, die Palette ist groß, eins ist gemeinsam: Mit Hilfe mo derner Medien und aktueller Beispiele versuchen die Seiten macher allen voran die ungarndeutsche Jugend zum Nachdenken anzuregen, um für sie „ Motivation und Alternative” zu bieten, so die Seiteninfo. Aber wer sind die Macher und was für Ziele verfolgen sie? Das Sonntagsblatt hat über das soziale Netzwerk Face book Kontakt mit ihnen aufgenommen.
„ Unser langfristiges Ziel ist die Stärkung des Brands( der Marke, R. G.) „ Ungarndeutsche” im Kreise der Gymnasiasten und Stu- den ten( 14 – 25 Jahre), die über einen ungarndeutschen Hinter- grund verfügen. Primär möchten wir die in Ungarn lebenden Personen, sekundär auch die Nachkömmlinge der nach Deutsch- land Vertriebenen erreichen, und diese mit der Zeit miteinander vernetzen“, gewähren die Seitenadministratoren Einblicke in ihre Ziele. Ihr kurzfristige Ziel: „ In der kürzesten Zeit die meisten von den erwähnten ca. 25 – 30 000 Personen zu erreichen”, ergänzen sie.
( Fortsetzung auf Seite 28)
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