„ WIR SIND EINE INSEL”
Ratkaer Modell „ Deutscher Siedlungsgemeinderat” zeigt eine positive Bilanz
Von Richard Guth
Die Gegend gehört zweifelsohne zu den schönsten im Lande, zu Recht ist sie Teil des Weltkulturerbes. Grüne Täler und mächtige Hügel und Berge wechseln sich ab. An den Hängen breiten sich stolze Weingüter aus. Den Besucher der 1000-Seelen- Gemeinde Ratka / Rátka im Tokajer Weinbaugebiet empfängt ein futuristischer Neubau, der einem UFO ähnelt. „ Unser neuester Gewerbesteuerzahler: das Weingut Sauska”, berichtet Susanne Schmidt-Hauzer, Controllerin der Gemeindeverwaltung. Die „ stolze Schwäbin”, wie sie selbstbewusst verkündet, gewährt einen Einblick in ein Modell, das im heutigen Ungarn einmalig ist: Der Gemeinderat und der Deutsche Gemeinderat( Deutsche Nationalitätenselbstverwaltung) sind im juristischen Sinne eine Körperschaft.
„ Bis 2014 gab es zwei separate Selbstverwaltungen so wie überall im Lande. Die Verschmelzung zu einem Gemeinderat war eine Initiative von Valeria Tirk, die bis 2024 das Bürgermeisteramt bekleidete. Anfangs war es schwer, 2013 haben wir viel daran gearbeitet und den Widerständen getrotzt. Das Tor war offen, aber der Weg noch nicht vorgezeichnet. Heute ziehe ich eindeutig eine positive Bilanz”, so die 46-Jährige. Sie ist seit 2007 bei der Gemeinde angestellt und kennt wie kein anderer das System der „ települési német önkormányzat”( deutscher Siedlungsgemeinderat). Besonders freue sie die Tatsache, dass sich der neue Bürgermeister, Árpád Braun, für die Fortführung dieses Status als deutscher Siedlungsgemeinderat entschieden habe.
Ziel sei die Bewahrung der deutschen Identität – ein Selbstläufer sei aber dieser Status nicht, denn man benötige eine deutsche Bevölkerungsmehrheit, was viel Überzeugungsarbeit abverlange / abverlangt habe. Dass das Bekenntnis zur deutschen Nationalität wie anderenorts sehr volatil ist, zeigen die Volkszählungsergebnisse: Bekannte sich 2001 ein Viertel der Bevölkerung zur deutschen Volkszugehörigkeit, erhöhte sich der Anteil 2011 auf zwei Drittel, ehe er 2022 wieder auf den Wert von 2001 fiel. „ Trotz der Zuwanderung junger Leute hat Ratka weiterhin eine deutsche Mehrheit, auch wenn es viele Mischehen gibt: Auch ich habe einen Ratkaer schwäbischen Vater und eine madjarische Mutter, die zugezogen ist”, erzählt die studierte Grundschullehrerin. Auch wenn die Bevölkerung das Schicksal der Vertreibung nicht ereilte, wurden 1944 / 45 viele Dorfbewohner in die Sowjetunion verschleppt, so Schmidt-Hauzer. Die bis in die 1960er Jahre geschlossene Dorfgemeinschaft öffnete sich zunehmend.
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Das hatte neben anderen Faktoren wie dem Diasporadasein oder dem fehlenden muttersprachlichen Schulunterricht auch Auswirkungen auf den Sprachgebrauch: „ In meiner Kindheit gab es noch viele Kopftuchträgerinnen, die schwäbisch sprachen, aber heute ist der Gebrauch der Mundart im Alltag nicht mehr charakteristisch. Die Sprache der Liturgie ist auch ungarisch, einmal im Monat beten wir aber das Vaterunser auf Deutsch”, ergänzt die gebürtige Ratkaerin.
Trotz diesen einschneidenden Veränderungen sei die Bewahrung von Herkunftsgeschichte und Identität für die Gemeinschaft wichtig. Dabei biete diese Form der Verwaltung handfeste Vorteile: „ Die Nationalitätenselbstverwaltungen finanzieren ihre Arbeit durch einen Betriebskostenzuschuss, der in diesem Jahr dank den Bemühungen des deutschen Abgeordneten Emmerich Ritter auf drei Millionen Forint( 7500 Euro) fast verdreifacht wurde, und durch Aufgabenfinanzierung, um die man sich jedes Jahr bewerben muss. Entscheidend ist, wie viele Punkte man sammelt. Da wir als Gemeinderat und Deutscher Gemeinderat eine Körperschaft bilden, zählt jede Gemeinderatssitzung: je mehr Sitzungen, desto mehr Punkte und desto mehr Unterstützung durch BGA und Staatssekretariat. So funktioniert die Formel”, so Schmidt-Hauzer. Zusätzliche Mittel erhalte man in Kooperation mit der Katholischen Pfarrgemeinde Ratka.
Allein für den Kindergarten habe man in den letzten Jahren 100 Millionen Forint( 260.000 Euro) Förderung für Bau- und energetische Maßnahmen erhalten. Dazu kämen die 500 Millionen Forint( 1,28 Millionen Euro) für einen zweistöckigen Neubau, dessen Grundstein am Vortag gelegt wurde( an der Stelle eines ehemaligen jüdischen Geschäftshauses). Der deutsche Nationalitätenkindergarten sei beliebt, genauso wie die Nationalitätengrundschule( sprachunterrichtendes 5 + 1 Stunden-Modell). Dies werde durch die die Tatsache gezeigt, dass auch aus umliegenden Gemeinden Schüler Aufnahme fänden. Für die Beförderung stelle das Staatliche Schulamt einen Kleinbus zur Verfügung. Eine Herausforderung stelle die Inflation bzw. die Steigerung bei den Nebenkosten dar, die das Budget der Gemeinde im Bereich Catering( Verpflegung) im Kindergarten und Altenheim beispielweise stark belaste. „ Eine überlegte Finanzverwaltung ist notwendig, was manchmal ein Lavieren bedeutet”, so die Finanzfachwirtin. Auch die Gewinnung von Personal für die Gemeinde stelle die