NEUN BUCHSTABEN , MIT DENEN MAN GESCHICHTE SCHRIEB
Zum 25 . Geburtstag des Landesrates Ungarndeutscher Chöre , Kapellen und Tanzgruppen
Von Richard Guth
Ich muss gestehen , von der ungarischsprachigen Einladung etwas irritiert gewesen zu sein . Eine deutsche Organisation in Ungarn , die ihre Mitglieder auf Ungarisch zum gemeinsamen Fest lädt - nicht zweisprachig , sondern einsprachig ungarisch ! Nach Angaben von Insidern durchaus üblich in dieser bedeutenden Dachorganisation der deutschen Minderheit ! Da musste ich mich an die Diskussionen mit ungarndeutschen Aktiven und an die Für und Wider einer zweisprachigen E-Mail-Korrespondenz erinnern . Ja , alles kostet Zeit und Mühen und angesichts der sprachlichen Situation unserer Volksgruppe stellt sich auch die Frage nach deren Sinnhaftigkeit - jedenfalls bei vielen der Aktiven . Ich habe mich schon länger dem Idealismus verschrieben und glaube an unsere Vorbildfunktion . Aber genug des Meckerns !
Busse und Pkws in Reih und Glied , Menschen in Tracht und Alltagskleidung , etwas festlicher als sonst – dieses Bild empfängt mich an der Veszprém Aréna , der viertgrößten Sportstätte in der ungarischen Provinz mit über 5000 Sitzplätzen , die an diesem Samstag Ende Juli bei weitem nicht alle gefüllt werden . Dennoch ein großes Aufgebot an Kulturschaffenden , dabei viele bekannte , aber umso mehr unbekannte Gesichter , Vertreter der Volksgruppe auf lokaler Ebene und Landesebene , aber auch viele Einzelgäste , die inmitten der Sommerferien mit ihren Familien von Nah und Fern angereist sind , dabei eine gesunde Mischung von Jung und Alt !
Das Spektakel beginnt mit dem Einzug von Trachtengruppen , allesamt Vertreter der 7500 Aktiven in den 50 Mitgliedsorganisationen des Landesrates . Geleitet durch das Programm wird man an diesem Nachmittag von der Stimme des Branauer Journalisten János Szász . Das Erfreuliche dabei ist , im scharfen Kontrast zur E-Mail-Korrespondenz , die Deutschsprachigkeit der Veranstaltung - ein sehr gutes Zeichen , denn wenn , dann ausschließlich auf Deutsch als ausschließlich auf Ungarisch . Und nicht nur das - hier ein Lob an die Organisatorinnen und Organisatoren , allen voran an Monika Gombár-Fazekas aus der Chor-Sektion aus Wetschesch : Anstelle der üblichen Reihenfolge lange Reden- Kulturprogramm-Musik werden die Reden durch Tanz- und Gesangseinlagen ( oder eine Mischung aus beidem ) aufgelockert . Erklärtes Ziel ist die Vorstellung der 25-jährigen Tätigkeit des Landesrates , gegründet 1996 von Josef Baling und Johann Fódi .
Landesrat , wohinter sich für den Vorsitzenden des Landesrates , Ladislaus Kreisz , neun „ Werte ” verbärgen : Lieder , Ahnen , Nationalität , Deutsch , Erbe , Sprache , Ruhm , Arbeit und Tänze ! Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Dachorganisation steht nach Worten von Kreisz neben der Pflege der Beziehungen zum Mutterland die Gemeinschaftsformung und die Pflege und Weitergabe der Traditionen . Kreisz betonte in seiner Festansprache die Bedeutung der „ Muttersprache ” und unterstrich , welche Kraft die Einheit der Volksgruppe verleihe : Er sprach in diesem Zusammenhang von „ kultureller Immunstärke ”, die auch die Selbsterkenntnis fördere . Auch Ibolya Englender-Hock , Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen , bezeichnete die Kultur als „ Grundpfeiler ” und definierte „ die Pflege und Weitergabe des materiellen und immateriellen Erbes ” als Ziel der Kulturpolitik . Autonomie erscheint in ihren Augen als rechtlicher Rahmen , den man aber als Minderheitenangehöriger selber füllen und das Erreichte auch nach außen zeigen sollte . Gerade die Massenkultur berge eine Gefahr , der man durch die Pflege des Authentischen begegnen könne , so die Vorsitzende , die lange Jahre selber aktive Kulturschaffende war . Englender-Hock warb im zweiten Teil ihrer Rede für die Volkszählung 2022 , die große Auswirkungen für „ unser Leben ” habe , auch in finanzieller Hinsicht . Daher solle jeder Verantwortung übernehmen : „ Stehen wir dazu !”, rief sie die Anwesenden auf . Auch der deutsche Abgeordnete , Emmerich Ritter , begrüßte die Anwesenden und dies gleich - wie er es formulierte - „ mit einer guten Nachricht ”, denn er habe keine Rede vorbereitet , dies habe er der LdU-Vorsitzenden überlassen wollen .
Das mehrstündige Programm bot einen Überblick über die Arbeit der Kulturgruppen – dabei war das Bemühen der Organisatoren erkennbar , die Jugendarbeit in den Vordergrund zu rücken ( der Landesrat hat seit 2010 eine eigene Jugendsektion ), denn wichtig sei es die „ Flamme zu bewahren ”. Eine Jugend , die – wie in den Pausengesprächen auf Deutsch und Ungarisch deutlich wurde - präsent ist , aber sich bemühen muss , mit dem Liedund Tanzgut , traditionellen Festen und mit dem sprachlichen Erbe auch andere zu erreichen !
Hinsichtlich Sprache wurde jedenfalls ein positives Signal ausgesendet . Hoffen wir , dass es sich auch im Alltagsgeschäft durchsetzt .
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jakob bleyer
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