der Erntezeit , war Hochstimmung mit Tanz und Musik in allen Gaststätten . Kirmesgemäß waren Karussells und andere Volksbelustigungen aufgebaut . Es war auch Usus , dass die außerhalb Isszimmer wohnende Verwandtschaft zahlreich anreiste . Selbst wir aus Deutschland richteten später oft unsere Urlaubsplanung für Ungarnreisen danach aus , weil man so die umfangreiche Verwandtschaft fast komplett treffen konnte . Gutes Essen und umfangreiche Verköstigungen bei selbstgekeltertem Wein waren selbstverständlich , wie auch der Gegenbesuch , wenn bei den Gästen Kirchweih war . So kann ich mich gut erinnern , dass wir alljährlich in Werischwar zur Kirmes bei Verwandten in der obengenannten Angeli-Kosn waren und bei einer dieser Gelegenheiten auch an meinen ersten , beeindruckenden Besuch im Budapester Zoo .
Höhepunkte waren auch die Hochzeiten . Da die Verwandtschaftsverhältnisse sehr weitläufig gepflegt wurden , waren die Hochzeiten mit 200 Gästen keine Seltenheit . Auch ich hatte das Vergnügen an zwei Hochzeiten dieses Formats noch Anfang der 1980er Jahre bei meinen Cousins in Ungarn teilnehmen zu können . Nach der kirchlichen Trauung wurde wohl im großen Saal an langen Tischen gefeiert und getanzt , aber im Hof unterm großen Zelt war eine Art Feldküche aufgebaut , wo zahlreiche Frauen damit beschäftigt waren zahlreiche geschlachtete Tiere aus beiden Elternhäusern ( u . a . Kalb , Schwein Hammel und viel Geflügel ) kochend und bratend zu verarbeiten und im Saal aufzutragen . Daneben floss der Wein aus dem eigenen Presshaus in Strömen und die Blaskapelle spielte zum flotten Tanz bis in die frühen Morgenstunden . Einfach ein einmaliges Erlebnis !
In diese Kategorie fielen auch die Schlachtefeste , die witterungsbedingt in den Wintermonaten stattfanden und zahlreiche Gäste , meist auch Helfer aus der näheren Verwandtschaft anzogen . Das war wirklich ein Schlachtefest mit einem großen abendlichen Essen mit Wein und Gesang , so dass manchmal vom ganzen Schwein kaum noch die Hälfte übrigblieb . Kein Problem , demnächst schlachtete der nächste Verwandte und die Feier ging weiter . Geräuchert wurde sowieso nur Schinken , Speckseiten und relativ wenig Würste . Andere Konservierungsmöglichkeiten waren damals ja nicht möglich . Fleisch hat man auch in großen , hohen Emaillegefäßen ( genannt Schmalztresen ) schichtweise mit heißem Fett übergossen und so zeitweise konserviert . Im Sommer war hauptsächlich das junge Geflügel der Fleischlieferant und in den Herbst hinein die Enten und Gänse ( unvergesslich die delikate Leber von gestopften Gänsen – bitte nicht an Tierschützer weitersagen !)
Weil wir gerade bei der Vorratswirtschaft sind : Es wurde im großen Kessel (!) Pflaumenmus eingekocht , Weißkraut und Gurken in hohen Fässern konserviert , Tomatensaft in Flaschen eingekocht , Butter gestampft , Paprika getrocknet , Obst im Backofen gedörrt , Walnüsse wurden in Mengen getrocknet , sogar Kernseife in großen Würfeln wurde produziert ; aus dem Traubenfresen ( Anm . d . R .: Trester / Treber ) der Presshäuser wurde selbst oder in der Dorfbrennerei guter und oft hochprozentiger Branntwein gebrannt u . v . m . Ein Bauernhof in Isszimmer war ein totaler Selbstversorger .
Zucker , Kaffee („ Kathreiner ”), Kakao und andere Kleinigkeiten führte der örtliche Krämerladen und Mehl bezog man aus der nahen Mühle , nötige Eisenwahren aller Art fertigte direkt der örtliche Schmied , so dass man keine Versorgungsprobleme kannte . Auch gab es eine örtliche Molkerei , in der die Milch gegen Entlohnung gesammelt und in die Stadt geliefert wurde . Daneben gab es aber noch – mehr oder weniger – Tischler , Schneider und Schuhmacher meist für Kleinreparaturen . Solche Handwerker gingen oftmals aus der bäuerlichen Kinderschar hervor .
Wurden daneben Kleider , Schuhe , Textilien aller Art u . Ä . benötigt , wurden – meist im Herbst – die Pferde eingespannt , ein paar Säcke Getreide aufgeladen und aufging es nach Stuhlweißenburg / Székesfehérvár . Wenn das Getreide verkauft war , waren
SoNNTAGSBLATT die nötigen Pengős für den Großeinkauf vorhanden . Das waren auch für uns Kinder Festzeiten , denn nun gab ein Fagyi ( Eis ), Süßigkeiten u . ä . m .
Man könnte noch so manche Isszimmerer Festlichkeiten bzw . gemeinschaftliche gesellige Aktionen erwähnen : so das feierliche Maibaumschlagen und -aufstellen durch die jungen Burschen , das gemeinsame Kukritz-Schälen oder Maiskolben für den Maisschober , das sonntägliche Treffen der Männer in den Presshäusern zur gegenseitigen Weinverkostung u . v . m .
Überhaupt die alljährliche Weinlese war ein besonderes Ereignis , bei dem man sich auch wiederum gegenseitig half . Der süße Most floss von der großen Holzpresse in einer Holzrinne entlang , was uns Kinder natürlich provozierte – trotz der Warnung der Erwachsenen – ständig mit kleinen Bechern zu naschen . Die Strafe folgte auf dem Fuße , wir rannten nur noch in die Büsche !
Auch die Kinder und Jugendlichen kamen bei der traditionellen Brauchpflege nicht zu kurz . Schon mit der Einschulung bildeten sich je nach Klassenstufe der bäuerlichen Jugend die Gruppen , die am Sonntagsnachmittag sich trafen und Altersgemäßes unternahmen – natürlich getrenntgeschlechtlich . Das setzte sich bis in die oberen Klassenstufen fort und bildete auch später die Männer- , Frauen- und Freundesgruppen .
Bei den Heiratsdaten in den Kirchenbüchern fällt auf , dass über all die Jahre fast regelmäßig die Braut drei Jahre jünger ist als der Bräutigam . Die Erklärung ist ganz einfach : Nach alter Sitte wurden die älteste Bauernburschengruppe mit der drei Jahre jüngeren Bauernmädelgruppe zusammengeführt . Sie trafen sich am Sonntagnachmittag reihum immer bei einem der Mädels . So wurden die künftigen Paare nach eigener Sympathie initiiert , aber erst durch elterliche Akzeptanz abgesegnet . Man mag das heute beurteilen , wie man will , aber in einem Ort und in einem Glauben , der keine Scheidung kannte , war das sicherlich der praktikabelste Weg , der auch von der beidseitigen Verwandtschaft ein Leben lang unterstützend begleitet wurde .
Die Isszimmerer konnten wohl Feste feiern , tüchtig essen und trinken , aber auch sechs Tage in der Woche körperlich hart auf ihren Feldern und ihren Höfen arbeiten . Es war alles mühevolle Handarbeit , höchstens mit der Unterstützung von zwei PS ( wahre Pferdestärke !) bei Pflügen , Eggen , Ernten und Ernteinbringung , Dreschen , Heu- und Stroheinlagerung u . v . m . Die Getreideernte erfolgte bei oftmals großer sommerlicher Hitze auch manuell , d . h . mit Sense und Sichel , aber wenigstens mit Hilfe von Schnittern und deren Frauen . Die Helfer strömten alljährlich von den umliegenden ungarischen Dörfern nach Isszimmer . Auch beim Dreschen mit dem von Hof zu Hof ziehenden Riesentraktor , der mit langen Riemen die Dreschmaschine antrieb , halfen diese Lohnarbeiter , die auch mit Naturalien entlohnt wurden .
Im Sommer um 4 Uhr schon Viehfüttern , Kühe melken , misten , Tiere tränken , dann hinaus aufs Feld mit dem Pferdegespann , manchmal mittags , oftmals erst abends heim ( wenn die Felder weit außerhalb lagen ), mit Galopp nach Hause , wieder tränken , füttern und endlich sich selbst versorgen - das war ein normaler sommerlicher Tagesablauf ! Unterstützung kam nur durch die dörflich fest eingestellten Schweine- und Rinderhirten . Diese trieben mit lautem Geläut und Hornsignalen sowie mit ihren Hunden die jeweilige Herde auf gemeindeeigene Weideplätze . Abends kamen die Tiere ebenso laut und getrennt wieder zurück . Niemand sollte eigentlich vom dummen Schwein und blöden Rindvieh sprechen , denn man brauchte nur das Hoftor aufmachen und jedes Schwein und jedes Rind fand den Weg zu seinem Hof und Stall .
Dass man als Junge in diesen landwirtschaftlichen Abläufen ab Kindesbeinen und erst recht als Schulkind voll integriert und be-
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