Sonntagsblatt 3/2020 | Page 16

Rückwandererin ; ihre Großeltern mütterlicherseits hätten hier gewohnt . Sie spricht vom Sorbischunterricht in der Schule ( was sich in den ersten Jahren auf die Vermittlung von Grundkenntnissen im Lesen , Schreiben und Rechen erstrecke ) und vom Verschwinden des Sorbischen aus den Familien in einer Gegend , die schon immer multiethnisch war .
Denkmäler : Deutsches Kulturerbe wird in Polen stiefmütterlich behandelt
Nichts wert , weil „ nicht polnisch “
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache , dass der Mann unserer Gastgeberin , ein Landwirt , Nachkomme von Heimatvertriebenen aus Niederschlesien ist , die nach 1945 in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone gestrandet sind . In den Anfangsjahren nach dem Krieg - das erfahre ich in einer Ausstellung im Marstall des ehemaligen Fürstenschlosses von Pückler-Muskau in Branitz - waren 40 % der Bewohner des Kreises Cottbus Heimatvertriebene .
Aber nun zurück zu den Sorben : Vor knapp 30 Jahren , als ich noch das Gymnasium besuchte , fielen mir alte Deutsche Kalender aus der Vorwendezeit in die Hände . In diesen Kalendern wurde mehrfach über die sorbische Minderheit in der DDR berichtet . - durchweg positive Berichte , fokussiert auf das Folkloristische . Die DDR erscheint dabei als sozialistisches Bruderland , das eine mustergültige Minderheitenpolitik betreibt . Zur damaligen Zeit - so wie Ungarn , eigentlich schon immer !
Unsere Reise führt uns durch die Dörfer der Niederlausitz und des Spreewaldes . Die Landschaft , die Häuser , die nicht durchweg aufgeräumten Höfe , die auch ihren Charme haben , erinnern einen an Polen . Und dabei diese akkurat zweisprachig gehaltenen Orts- und Straßenschilder ! Preußisch konsequent und fast schon verdächtig idyllisch ! Nicht so die kommerzielle Beschilderung , denn diese ist bis auf ganz wenige Ausnahmen deutsch . Ich kehre in einen Geschenkeladen ein und komme mit einer Endfünfzigerfrau ins Gespräch . Sie findet die Schilder auch schön und es hätte sich seit der Wende Einiges getan : In den Schulen würde man wieder Sorbisch unterrichten . Vorbei die Zeiten , wo die Kinder ins Nachbardorf gemusst hätten , wegen zwei Stunden Sorbischunterricht ! ( Ähnlich klingende Erzählungen kennt man auch aus Ungarn : Deutschstunden außerhalb des Vormittagsunterrichts !) In der DDR habe man die Sorben zwar nicht unterdrückt wegen ihres Sorbischseins , aber auch nicht sonderlich gefördert . Aber es gebe nur noch ganz wenige Familien , in denen Sorbisch die Umgangssprache sei und nennt ein paar Orte in der Umgebung , aber in denen liege die Zahl dieser Familien überall deutlich unter zehn . Auch ihr eigener Lebensweg scheint den Weg der sprachlichen Assimilierung zu zeigen : Ihre Eltern und Großeltern hätten mit ihr und untereinander sorbisch gesprochen , aber sie habe deutsch geantwortet . ( Zweite Übereinstimmung mit uns Ungarndeutschen !) Die Generation der Muttersprachler sterbe aus , so das Fazit der Frau . Mich interessiert auch , wie es um die sorbischsprachige Seelsorge bestellt sei – sie sagt , dass es sorbische bzw . wendische Messen gebe , zum Beispiel an Ostern , aber nicht regelmäßig . ( Eine weitere Übereinstimmung !) Merkwürdig ! Trotz Schildern , die hier in diesem Ort noch zahlreicher sind und sich auch auf Fahrradständern und Wegweisern finden !
Wirtschaftlich hat der Landstrich nach ihrem Eindruck den Tiefpunkt überwunden – nach Werksschließungen und dem Zusammenbruch der LPGs Anfang der 1990er Jahre herrsche jetzt vielmehr Arbeitskräftemangel ( nicht zuletzt wegen der massiven Abwanderung in der Vorjahren ). Die beiden größten Arbeitgeber heißen „ Vattenfall “ - mit ihrem umstrittenen Braunkohletagebau - und „ Deutsche Bahn “. Aber gerade in der Region rund um Lübbenau spielt nach ihren Angaben der Tourismus eine große Rolle , der jetzt nach der Corona-Zwangspause allmählich wieder erwacht .
Diesen Eindruck teilt auch ein Herr Mitte 50 , der als Kahnfahrer in Lübbenau auf Gäste wartet . Sorbisch ? Ja , ein paar Brocken könne er , manchmal schimpfe er während der Fahrt , was die Gäste aus aller Herren Länder eh nicht verstehen würden . Aber leider auch Einheimische aus der Niederlausitz immer weniger !
Ein Beitrag von Anna Durecka . Zweitverwendung mit freundlicher Genehmigung der Wochenblatt-Redaktion . Erschienen am
12 . August 2020 auf wochenblatt . pl .
Polen hat ein Problem mit dem deutschen Kulturerbe . Das ist nicht erst seit gestern bekannt . Es genügt , einmal nach Niederschlesien zu fahren und Hunderte von Schlossruinen zu sehen oder sich über den Zustand deutscher Friedhöfe im Norden des Landes ein Bild zu machen . Wen wundert da noch die jüngste Medienaffäre um eine hundert Jahre alte Brücke in Pilchowitz , die man für einen Film mit Tom Cruise sprengen wollte .
Man „ wollte “ es , denn möglicherweise wird es doch nicht so weit kommen . „ Dank einer Gesetzesnovelle von 2017 bleibt das Objekt seit Beginn des Verfahrens zur Eintragung in das Denkmalregister unter strengem Schutz . Deshalb sind die Befürchtungen , dass es abgerissen werden könnte , grundlos “, versicherte die Landesdenkmalpflegerin Magdalena Gawin letzten Dienstag auf Twitter . Das Verfahren zur Eintragung der Brücke ins Denkmalregister wurde am 23 . März 2020 von der Niederschlesischen Denkmalpflegerin Barbara Obelinda eingeleitet . Bis die Entscheidung getroffen ist , ist die Brücke also vermutlich sicher . Wäre allerdings die Medienkampagne nicht gewesen , wäre die Sache wahrscheinlich anders ausgegangen .
Kein Geld für deutsche Denkmäler
Bernard Gaida , der Vorsitzende des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen , hat einen offenen Brief an den Premierminister geschrieben , in dem er sich nicht nur auf die Pläne zur Sprengung der Pilchowitzer Brücke bezieht . Er weist auch auf die Notwendigkeit hin , ein Regierungsprogramm „ zur Überprüfung des materiellen Zustands des Kulturerbes in Schlesien , Pommern , Ermland und Masuren “ und „ zur Inventarisierung der deutschen Friedhöfe “ aufzustellen . Es wäre auch wichtig , wie Bernard Gaida in seinem Brief erwähnt , „ die finanziellen Mittel , die den Denkmalschutzbehörden in den westlichen und nördlichen Woiwodschaften zur Verfügung stehen , zu erhöhen “. Man weiß nicht erst seit gestern , dass sie viel knapper bemessen sind als in anderen Regionen des Landes , während der Bedarf viel höher ist als anderswo . Eine kürzlich vom Verein für die Verschönerung der Stadt Breslau veröffentlichte Analyse hat gezeigt , dass die niederschlesische Denkmalbehörde vier Mal weniger Mittel erhält als diejenige in Kleinpolen , acht Mal weniger als die im Karpatenvorland und zehn Mal weniger als die in Masowien ! Dabei gibt es in Niederschlesien insgesamt über 8.400 registrierte Denkmäler , in Kleinpolen sind es 5.400 . Gleiches gilt im Folgenden für die Woiwodschaft Ermland-Masuren wie für Niederschlesien , die beide von „ nicht-polnischen “ Denkmälern nur so strotzen . Es gibt dort ebenso viele registrierte Denkmäler wie in Masowien . Trotzdem haben im Jahr 2020 die masowischen Denkmalschützer 19 Millionen Zloty bekommen , die in Ermland-Masuren nur eineinhalb Millionen ! Doch zugegeben : Diese Missverhältnisse hat es praktisch schon immer gegeben , Regierungsmannschaft hin oder her .
In Ordnung bringen , sprich : beseitigen
Die Einstellung der Polen zum deutschen Kulturerbe lässt sich gut daran ablesen , was mit deutschen Friedhöfen geschieht . Im Jahr 2013 drangen Bulldozer in den deutschen evangelischen Friedhof in Zobten bei Löwenberg ein und machten ihn dem Erdboden gleich . Damals argumentierte die Gemeindeverwaltung , dass der Friedhof „ seit dem Zweiten Weltkrieg ungenutzt “ und „ verwahrlost “ gewesen sei . Eine Exhumierung der sterblichen
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