2004 hat dann auch das DFDR eine Liste aufgestellt, Johannis
ließ darüber hinaus verlauten: Ich benötige, um effizient arbeiten
zu können, die Mehrheit in der Versammlung: Wer dies unter-
stützt, soll die deutsche Liste wählen. Das hat man wohl verstan-
den: Johannis hat bereits in der ersten Runde 89 % bekommen.
Als ich ihm gratulierte, meinte ich gleichzeitig zu ihm, dass dieses
Ergebnis in einer Demokratie Misstrauen hervorruft, solche Zah-
len kann in etwa Fidel Castro produzieren. In der Versammlung
hatten wir eine Stimmenmehrheit von 60 %. Seitdem ist alles ef-
fizienter. Auch unter Johannis‘ Nachfolgerin, Astrid Fodor, gibt es
eine deutsche Mehrheit in der Hermannstädter Stadtverordne-
tenversammlung.
Würden Sie sagen, dass es den Minderheiten in Rumänien
gut geht? (Das Interview fand vor dem Vorfall in Valea Uzulei
/Úzvölgye statt, Red.)
Grundsätzlich ja. Es gibt zwar kein Minderheitenschutzgesetz,
aber die jeweilige Regierung hat stets eine minderheitenfreundli-
che Politik geführt: Jede Minderheit kann Parlamentsabgeordne-
te entsenden, der Staat unterstützt mit Geld die Minderheitenkul-
tur. Wir haben in Rumänien eine deutschsprachige Tageszeitung!
In Ungarn haben die Deutschen lediglich ein Wochenblatt. Auf
diesem Gebiet ist die Minderheitenpolitik zufriedenstellend.
Wo sie es nicht ist, zeigt sich darin, dass man das Minderhei-
tendasein als Zielscheibe gegen Klaus Johannis benutzt, der
mein Vorgänger auf diesem Vorsitzendenstuhl war. Viele greifen
ihn in den Medien damit an, dass er jahrelang einer national-
sozialistischen Nachfolgeorganisation vorgestanden sei. Nun,
Nazis gab es hier lediglich zwischen 1940 und 1944, wir haben
nichts mit ihnen zu tun, das DFDR wurde ja erst 1990 gegrün-
det. Man könnte die UMDR auch horthystisch bezeichnen, denn
Horthy war ja genauso ein Madjare, wie Hitler ein Deutscher.
Aber auch Goethe und Schiller waren Deutsche, wie Béla Bar-
tók ein Madjare… Zuletzt kam es in den Fünfzigern vor, durch
Einfluss der sowjetischen Propagandafilme, dass man einen Ru-
mäniendeutschen hitlerisch nannte – einige Leute haben heute
dieses Niveau erreicht.
Welches Verhältnis haben die Rumäniendeutschen zu Ru-
mänien?
Für uns ist Rumänien das Vaterland, Deutschland das Mutter-
land. Das wurde auch im Rahmen eines rumänisch-deutschen
Partnerschaftsvertrags aus dem Jahre 1992 festgelegt – dank
dieses Vertrags erhalten wir auch vom BMI finanzielle Unterstüt-
zung, nicht nur von Bukarest.
Warum haben Sie das Minority SafePack nicht unterstützt?
Darüber habe ich damals lange mit dem Initiator Loránt Vincze
gesprochen. Ich habe ihm stets gesagt, dass wir Deutsche das
nicht brauchen. So sind wir verblieben. Er bat mich noch dar-
um, dass wir nicht dagegen sein sollen. Das hätten wir sicherlich
nicht getan. Aber wir wären eh zu wenig gewesen, um der Initia-
tive zum Erfolg zu verhelfen.
Die größte Unterstützung für Minority SafePack, mindestens
500.000 Unterschriften, kam aus Ungarn – ich habe mich auch
gewundert, welche Minderheit es ist, die plötzlich so zahlreich in
Ungarn erschienen ist?!
Damals haben Sie das Minority SafePack als ein politisches
Projekt von Loránt Vincze angesehen – oder was war der
Grund, dass Sie sich nicht dahinter gestellt haben, nicht ein-
mal in Form einer Geste?
Es ging im Grunde darum, dass sich mit der Problematik der Min-
derheiten auch die EU beschäftigen soll, nicht nur die einzelnen
SoNNTAGSBLATT
Nationalstaaten. Unser Standpunkt ist, dass man das Problem
wohl auf der Nationalstaatsebene oder darunter lösen soll. Wenn
mein oberer Nachbar durch einen Wasserschaden mir Schaden
zufügt, dann renne ich nicht sofort zum Bürgermeister!
Sie haben erwähnt, dass sie immer weniger werden, bei der
letzten Volkszählung hat man nur noch 40.000 Rumänien-
deutsche registriert. Kann man mittel- oder langfristig noch
von irgendeinem Zukunftsbild sprechen?
Natürlich! Die Schülerschaft unserer deutschsprachigen Schulen
ist zu 90-95% rumänisch, also, wenn es an uns gelegen hätte,
hätten wir schon lange diese Schulen schließen müssen. Unser
Problem ist nicht, dass wir zu wenig Schüler haben, sondern
dass wir zu wenig Lehrer haben. Die deutsche Sprache wird in
Rumänien erhalten bleiben und solange es Leute gibt, die die
Sprache sprechen, wird das DFDR auch leben. Ich bin Arzt, kein
Hellseher, aber ich sehe kurz- und mittelfristig eine Zukunft für
uns. Seitdem wir EU-Mitglied sind, ist nicht nur das Reisen, son-
dern auch der Umzug aus dem einen ins andere Land einfacher
geworden.
1990 gingen noch alle in den Westen – heute zieht man eher von
dort hierher. Solche Deutsche ziehen zu, die früher nichts mit
Rumänien zu tun hatten – sie sind praktisch Migranten.
So einer ist der Inhaber der Schiller-Buchhandlung am Großen
Ring und des Büchercafes Erasmus. Er ist aus Bonn nach Her-
mannstadt gekommen, ohne Siebenbürger Wurzeln. Immer,
wenn ich einer Touristengruppe begegne, erkläre ich, dass man
nicht nur als Gast nach Siebenbürgen kommen soll. Die Natur ist
wunderschön, die Küche gut, die Frauen sind schön, das Inter-
net schnell und es scheint so, als würde auch die Autobahn um
Zentimeter für Zentimeter wachsen.
Sonntagsblatt und Wirtschaft
s
Stets offen für Neues
Familienunternehmen Gabardin Meter- und Kurzwaren
KG Mohatsch im Porträt
Von Richard Guth
Der Familienausflug an diesem Pfingstwochenende führte uns
diesmal in eine historisch bedeutende Stadt in Südungarn. Es
war ein warmer Junitag, in der Innenstadt empfängt uns ge-
schäftiges Treiben, die Kinder kommen gerade aus der Schule
und machen sich auf den Heimweg. Unser erster Weg führt zur
Donau – am Ufer erblicken wir zwei Beamten von der Wasser-
polizei, im Hintergrund Funksprüche: Es ist gerade anderthalb
Woche her, dass über 30 südkoreanische Touristen in Budapest
in den Fluten der Donau verschwanden, die Suche nach Überle-
benden läuft zu diesem Zeitpunkt auch in diesem Flussabschnitt
noch auf Hochtouren. Auf dem Rückweg vom Ufer in die Innen-
stadt fällt mir ein Firmenschild auf, mit einem Namen, der mir
durchaus bekannt vorkommt: „Cégtulajdonos: Kramm György és
fia” (Firmeninhaber: Georg Kramm und Sohn)”. Nichts wie hin,
zumal meine Frau in der Regel ein großes Interesse an Heim-
textilien und Wohnungsverschönerung zeigt. Während sie ihre
Einkäufe erledigt, komme ich mit dem 62-jährigen Seniorchef ins
Gespräch.
Meine Vermutung, er stamme, wie die Familie unseres Vereins-
vorsitzenden und Schriftleiters, aus Großnaarad/Nagynyárád,
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