Sonntagsblatt 3/2019 | Page 21

2004 hat dann auch das DFDR eine Liste aufgestellt, Johannis ließ darüber hinaus verlauten: Ich benötige, um effizient arbeiten zu können, die Mehrheit in der Versammlung: Wer dies unter- stützt, soll die deutsche Liste wählen. Das hat man wohl verstan- den: Johannis hat bereits in der ersten Runde 89 % bekommen. Als ich ihm gratulierte, meinte ich gleichzeitig zu ihm, dass dieses Ergebnis in einer Demokratie Misstrauen hervorruft, solche Zah- len kann in etwa Fidel Castro produzieren. In der Versammlung hatten wir eine Stimmenmehrheit von 60 %. Seitdem ist alles ef- fizienter. Auch unter Johannis‘ Nachfolgerin, Astrid Fodor, gibt es eine deutsche Mehrheit in der Hermannstädter Stadtverordne- tenversammlung. Würden Sie sagen, dass es den Minderheiten in Rumänien gut geht? (Das Interview fand vor dem Vorfall in Valea Uzulei /Úzvölgye statt, Red.) Grundsätzlich ja. Es gibt zwar kein Minderheitenschutzgesetz, aber die jeweilige Regierung hat stets eine minderheitenfreundli- che Politik geführt: Jede Minderheit kann Parlamentsabgeordne- te entsenden, der Staat unterstützt mit Geld die Minderheitenkul- tur. Wir haben in Rumänien eine deutschsprachige Tageszeitung! In Ungarn haben die Deutschen lediglich ein Wochenblatt. Auf diesem Gebiet ist die Minderheitenpolitik zufriedenstellend. Wo sie es nicht ist, zeigt sich darin, dass man das Minderhei- tendasein als Zielscheibe gegen Klaus Johannis benutzt, der mein Vorgänger auf diesem Vorsitzendenstuhl war. Viele greifen ihn in den Medien damit an, dass er jahrelang einer national- sozialistischen Nachfolgeorganisation vorgestanden sei. Nun, Nazis gab es hier lediglich zwischen 1940 und 1944, wir haben nichts mit ihnen zu tun, das DFDR wurde ja erst 1990 gegrün- det. Man könnte die UMDR auch horthystisch bezeichnen, denn Horthy war ja genauso ein Madjare, wie Hitler ein Deutscher. Aber auch Goethe und Schiller waren Deutsche, wie Béla Bar- tók ein Madjare… Zuletzt kam es in den Fünfzigern vor, durch Einfluss der sowjetischen Propagandafilme, dass man einen Ru- mäniendeutschen hitlerisch nannte – einige Leute haben heute dieses Niveau erreicht. Welches Verhältnis haben die Rumäniendeutschen zu Ru- mänien? Für uns ist Rumänien das Vaterland, Deutschland das Mutter- land. Das wurde auch im Rahmen eines rumänisch-deutschen Partnerschaftsvertrags aus dem Jahre 1992 festgelegt – dank dieses Vertrags erhalten wir auch vom BMI finanzielle Unterstüt- zung, nicht nur von Bukarest. Warum haben Sie das Minority SafePack nicht unterstützt? Darüber habe ich damals lange mit dem Initiator Loránt Vincze gesprochen. Ich habe ihm stets gesagt, dass wir Deutsche das nicht brauchen. So sind wir verblieben. Er bat mich noch dar- um, dass wir nicht dagegen sein sollen. Das hätten wir sicherlich nicht getan. Aber wir wären eh zu wenig gewesen, um der Initia- tive zum Erfolg zu verhelfen. Die größte Unterstützung für Minority SafePack, mindestens 500.000 Unterschriften, kam aus Ungarn – ich habe mich auch gewundert, welche Minderheit es ist, die plötzlich so zahlreich in Ungarn erschienen ist?! Damals haben Sie das Minority SafePack als ein politisches Projekt von Loránt Vincze angesehen – oder was war der Grund, dass Sie sich nicht dahinter gestellt haben, nicht ein- mal in Form einer Geste? Es ging im Grunde darum, dass sich mit der Problematik der Min- derheiten auch die EU beschäftigen soll, nicht nur die einzelnen SoNNTAGSBLATT Nationalstaaten. Unser Standpunkt ist, dass man das Problem wohl auf der Nationalstaatsebene oder darunter lösen soll. Wenn mein oberer Nachbar durch einen Wasserschaden mir Schaden zufügt, dann renne ich nicht sofort zum Bürgermeister! Sie haben erwähnt, dass sie immer weniger werden, bei der letzten Volkszählung hat man nur noch 40.000 Rumänien- deutsche registriert. Kann man mittel- oder langfristig noch von irgendeinem Zukunftsbild sprechen? Natürlich! Die Schülerschaft unserer deutschsprachigen Schulen ist zu 90-95% rumänisch, also, wenn es an uns gelegen hätte, hätten wir schon lange diese Schulen schließen müssen. Unser Problem ist nicht, dass wir zu wenig Schüler haben, sondern dass wir zu wenig Lehrer haben. Die deutsche Sprache wird in Rumänien erhalten bleiben und solange es Leute gibt, die die Sprache sprechen, wird das DFDR auch leben. Ich bin Arzt, kein Hellseher, aber ich sehe kurz- und mittelfristig eine Zukunft für uns. Seitdem wir EU-Mitglied sind, ist nicht nur das Reisen, son- dern auch der Umzug aus dem einen ins andere Land einfacher geworden. 1990 gingen noch alle in den Westen – heute zieht man eher von dort hierher. Solche Deutsche ziehen zu, die früher nichts mit Rumänien zu tun hatten – sie sind praktisch Migranten. So einer ist der Inhaber der Schiller-Buchhandlung am Großen Ring und des Büchercafes Erasmus. Er ist aus Bonn nach Her- mannstadt gekommen, ohne Siebenbürger Wurzeln. Immer, wenn ich einer Touristengruppe begegne, erkläre ich, dass man nicht nur als Gast nach Siebenbürgen kommen soll. Die Natur ist wunderschön, die Küche gut, die Frauen sind schön, das Inter- net schnell und es scheint so, als würde auch die Autobahn um Zentimeter für Zentimeter wachsen. Sonntagsblatt und Wirtschaft s Stets offen für Neues Familienunternehmen Gabardin Meter- und Kurzwaren KG Mohatsch im Porträt Von Richard Guth Der Familienausflug an diesem Pfingstwochenende führte uns diesmal in eine historisch bedeutende Stadt in Südungarn. Es war ein warmer Junitag, in der Innenstadt empfängt uns ge- schäftiges Treiben, die Kinder kommen gerade aus der Schule und machen sich auf den Heimweg. Unser erster Weg führt zur Donau – am Ufer erblicken wir zwei Beamten von der Wasser- polizei, im Hintergrund Funksprüche: Es ist gerade anderthalb Woche her, dass über 30 südkoreanische Touristen in Budapest in den Fluten der Donau verschwanden, die Suche nach Überle- benden läuft zu diesem Zeitpunkt auch in diesem Flussabschnitt noch auf Hochtouren. Auf dem Rückweg vom Ufer in die Innen- stadt fällt mir ein Firmenschild auf, mit einem Namen, der mir durchaus bekannt vorkommt: „Cégtulajdonos: Kramm György és fia” (Firmeninhaber: Georg Kramm und Sohn)”. Nichts wie hin, zumal meine Frau in der Regel ein großes Interesse an Heim- textilien und Wohnungsverschönerung zeigt. Während sie ihre Einkäufe erledigt, komme ich mit dem 62-jährigen Seniorchef ins Gespräch. Meine Vermutung, er stamme, wie die Familie unseres Vereins- vorsitzenden und Schriftleiters, aus Großnaarad/Nagynyárád, 21