Dennoch zeigt der Zusammenschluss der vier prosperieren-
den Großstädte in Siebenbürgen – Großwardein, Temeswar,
Klausenburg und Arad – unter der Bezeichnung „Westliche
Allianz” doch in die Richtung, oder?
Sie haben lediglich ein Ziel, nämlich die regionalen EU-Gelder
direkt abrufen zu können, ohne Zutun von Bukarest. Wir werden
sehen, ob es ihnen gelingt.
In ihnen lodert also kein siebenbürgisches Feuer, wenn ich
es richtig spüre.
Nein! Europa ist ein Europa der Regionen. In Siebenbürgen und
dem Banat ist seit Jahrhunderten vorhanden, was wir heute den
europäischen Gedanken nennen: das friedliche Zusammenle-
ben von Völkern und Religionen. Was in gewissen Teilen Euro-
pas – auf dem Amselfeld, in Katalonien, in Irland – erst ein Traum
bleibt, das haben Madjaren, Deutsche, Rumänen, Juden und
Roma hier in Siebenbürgen jahrhundertelang erlebt. Es wäre
gut, wenn dieser europäische Gedanke in Siebenbürgen auch
in Ungarn Fuß fassen könnte: Denn Viktor Orbán denkt recht
europafeindlich.
Worin äußert sich das?
In seiner Migrationspolitik, dass er keine Muslime aufnimmt.
Der europäische Gedanke besagt diesbezüglich, dass man all
denjenigen die Tore öffnet, die Hilfe bedürfen - Terroristen und
Wirtschaftsmigranten ja nicht; das ist ein längerer Prozess, das
geht nicht anhand zweier Fotos. Darüber freuen sich die Ungarn/
Madjaren sicherlich und sagen, Gott sei Dank bleiben wir Chris-
ten. Rumänien war nicht gegen die deutsche Flüchtlingspolitik,
es selbst hat Flüchtlinge aufgenommen.
Das Problem ist eher, dass niemand zu uns kommen will. Wir
haben deswegen nicht die Grenzen geschlossen und deswegen
keinen Zaun gebaut, weil es nicht notwendig war.
Als eine Flüchtlingsfamilie zufällig in Rumänien landete anstel-
le in Ungarn, war sie traurig. Bei Temeswar gibt es immer noch
ein Flüchtlingslager, das ziemlich überfüllt ist, die dort Lebenden
integrieren sich in die rumänische Gesellschaft, lernen Sprache
und Beruf.
Wie viele Deutsche leben eigentlich heute in Rumänien?
Knapp 40.000! Vor dem Zweiten Weltkrieg waren wir noch
800.000 Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Sathmarer
Schwaben, Zipser Sachsen (die sich in Maramuresch niederlie-
ßen, R. G.), Bukowina- und Dobrudscha-Deutsche zusammen.
Nach dem Krieg wurden sehr viele Deutsche deportiert oder zur
Zwangsarbeit verschleppt und auch viele zogen in die BRD. Vor
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jakob bleyer
GEMEINSCHAFT e . V .
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der Wende gab es noch 250.000 von uns. Die große Ausreise-
welle setzte 1990 ein, infolge deren es bei der Volkszählung von
1992 nur noch 120.000 von uns gab. 2002 hat man nur noch
60.000 Deutsche gezählt, das hatte aber in erster Linie bereits
biologische Gründe.
Warum haben Sie Rumänien zu sozialistischen Zeiten nicht
verlassen, als die BRD die deutsche Minderheit quasi frei-
kaufte?
Das war ein großes Lotteriespiel. Ich kannte welche, die 18 Jah-
re auf das Erlaubnis zur Ausreise warten mussten. Deutschland
hat für 20.000 Deutsche bezahlt – es hing von dem Schulab-
schluss ab, wieviel: für Akademiker mehr, für Facharbeiter we-
niger. Ich ging aus zwei Gründen nicht: Zum einen, weil es nicht
absehbar war, wann ich ausreisen darf, zum anderen, weil der
Ausreiseantrag negative Konsequenzen gehabt hätte, denn am
Tag darauf hat die Securitate einen aus seiner Führungsposition
entfernt. Aber auch als einfacher Lehrer durfte man nicht arbei-
ten - unter dem Motto, wie könnte er die rumänische Jugend im
sozialistischen Geist erziehen, wenn er sich selbst nach der ka-
pitalistischen BRD sehnt, oder wie sie sagten: Hat er mit dem
Klassenfeind paktiert?
Viele haben dieses Risiko nicht eingehen wollen. Der Grund für
die Ausreisewelle von 1990 war das Verschwinden dieser nega-
tiven Konsequenzen.
Bei mir überwogen fachliche Gründe bei der Entscheidung zu-
gunsten des Bleibens. Da wir in Kanada Verwandte hatten, woll-
ten die Brüder meines Vaters, dass wir auch dorthin ziehen. Mein
Vater wollte aber nicht: andere Sprache, anderes Wetter. Er starb
1971, ich fing ein Jahr später das Medizinstudium an, dann blieb
ich in Klausenburg forschen. In die DDR konnte man damals
selbst als Tourist nicht, von der BRD ganz zu schweigen: Sollte
der Staat das Risiko eingehen, dass ein junger, lediger Arzt dort
bleibt?!
Nach der Wende haben wir das Deutsche Forum gegründet –
das hielt mich auch. Bis dahin hatte jeder zweite Deutsche sei-
nen Koffer gepackt, wir fragten uns auch: Wer und für wen macht
man diesen Verein?! Aber ich würde diese 30 Jahre nicht als
Misserfolg werten: Wir sind auf der Ebene der Kommunalpolitik
erfolgreich – in Sathmar haben wir Bürgermeister und arbeiten
auf lokaler Ebene wunderbar mit der UMDR zusammen –, so
sehr, dass wir in Hermannstadt zum fünften Mal in Folge das
Rennen um das Bürgermeisteramt gemacht haben: viermal mit
Klaus Johannis, einmal mit Astrid Fodor. Und wir stellen nicht
nur den Bürgermeister, sondern auch die Mehrheit in der Stadt-
verordnetenversammlung, und das, obwohl der Anteil der Deut-
schen in dieser südsiebenbürgischen 160.000 Einwohner-Stadt
nur zwei Prozent beträgt.
Was ist der Grund dafür?
Bis 2000 hatte Hermannstadt keinen ernstzunehmenden Bürger-
meister. Die Stadt war damals ein graues Provinznest vor dem
Zerfall. Nachdem Johannis 2000 gewählt wurde, hat er eine Rei-
he Firmen hierher gelockt und legte dadurch den Grundstein für
das Wirtschaftswachstum. Die eingezahlten Gewerbesteuerein-
nahmen wendete er dafür auf, Blumen zu pflanzen, die Stadt zu
verschönern, Gebäude zu renovieren – Marx hatte also Recht,
die Wirtschaftsstruktur ist die Basis von allem. In der zweiten
Runde der Wahlen von 2000 hat Johannis haushoch gewonnen,
aber er hatte keine Mehrheit in der Stadtverordnetenversamm-
lung. Damals hat die PSD, die sozialdemokratische Partei – die
ja überhaupt nicht sozialdemokratisch, sondern vielmehr post-
kommunistisch ist – alles blockiert, damit sich Johannis nicht
durchsetzen konnte.
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