mehr deutsche Migranten in Siebenbürgen sehen.
Siebenbürgen wurde im Grunde über Jahrhunderte vom Zusam-
menleben dreier Völker, der Madjaren, Rumänen und Deutschen
geprägt, bevor es in den vergangenen hundert Jahren vom ru-
mänischen Nationalstaat romanisiert wurde. Die Deutschen, die
unter anderen Schässburg, Hermannstadt und Kronstadt aufge-
baut haben, wanderten vornehmlich entweder aus oder wurden
verkauft oder starben aus. Es gibt sie aber noch: Und sie haben
nicht nur einen Staatspräsidenten in der Person von Klaus Jo-
hannis, sondern eine eigene Interessensvertretung á la UDMR,
das Demokratische Forum (DFDR). Mit dem Vorsitzenden dieser
Partei, dem Chirurgen Paul-Jürgen Porr, haben wir in der Partei-
zentrale in Hermannstadt noch vor den Ereignissen von Valea
Uzului (Úzvölgye – hier kam es im Frühjahr zu Konflikten zwi-
schen Rumänen und Seklern rund um einen Soldatenfriedhof am
Rande des mittlerweile entvölkerten Dorfes, R. G.) gesprochen.
Verhält sich Klaus Johannis, Staatspräsident von Rumäni-
en, eher als guter Deutscher oder als guter Rumäne?
Er ist von Geburt Rumäniendeutscher. Seit er Präsident ist, ist
er Präsident aller Rumänen (rumänischen Staatsbürger). Wir,
die deutsche Minderheit wollen erst gar nicht, dass er uns einen
privilegierten Status verschafft, denn das würde uns die Mehr-
heitsgesellschaft übelnehmen. Oder, ich muss sagen, dass er
in diesem Sinne ein guter Rumäne ist: Seine Politik kommt den
Massen zugute.
Warum wollen Sie nicht, dass Johannis der Präsident der
Rumäniendeutschen ist?
Weil dadurch, dass er alle vertritt, auch uns vertritt. Das heißt,
neben der rumänischen Mehrheitsgesellschaft alle 18 Minderhei-
ten – unter ihnen sind die Madjaren mit 1,6 Millionen die größ-
te, dann kommen die Roma in der meiner Ansicht nach selben
Größenordnung, auch wenn sich bei der letzten Volkszählung
lediglich 500.000 von ihnen dazu bekannt haben, denn sie be-
trachten sich eher als Rumänen oder Madjaren, je nachdem, wo
sie leben –, unter denen wir zahlenmäßig nur eine ganz kleine
Minderheit stellen.
Was glauben Sie, bleibt Johannis auch über 2019 hinaus im
Amt?
Wir hoffen es sehr. Nicht nur als Minderheitenangehörige, son-
dern auch als rumänische Staatsbürger. Johannis verfolgt eine
ausgeglichene, proeuropäische Politik im Gegensatz zu den bei-
den, nicht gerade EU-freundlichen, nationalistischen, gar chau-
vinistischen Regierungsparteien. Seitdem die PSD-ALDE-Regie-
rung an der Macht ist, wurden die rechtsstaatlichen Standards
systematisch ausgehöhlt, sie treffen wirtschaftsfeindliche Ent-
scheidungen, nehmen Kredite auf – die unsere Kinder werden
schultern müssen –, um die Löhne und Renten bezahlen zu kön-
nen. Investitionen werden so gut wie nicht getätigt.
der Grund war, warum ich dieses Jahr nicht an ihrem Klausen-
burger Kongress teilgenommen habe. Aber zu solchen Schritten
der UMDR stehen auch die Siebenbürger Madjaren kritisch.
Also hat die UMDR die PSD-ALDE-Regierung Ihrer Ansicht
nach eigentlich nur deshalb als Außenstehende unterstützt,
weil die Interessensvertretung einer Minderheit dies erfor-
dert?
Ja. Jetzt wollen sie zum Beispiel erreichen, dass man an den
ungarischsprachigen Schulen in Rumänien kein Abitur in Rumä-
nischer Sprache ablegen soll. Das wäre - ganz neutral, aus Sicht
eines Außenstehenden betrachtet - meiner Meinung nach kein
Fortschritt: Diejenigen, die solche Schulen besuchen, leben ge-
nauso in Rumänien, das Rumänische würden sie nur dann nicht
brauchen, wenn sie unmittelbar nach dem Abitur nach Ungarn
ziehen würden. Aber wenn man hier bleibt, dann ist es meiner
Ansicht nach nicht glücklich, wenn man sich als rumänischer
Staatsbürger in der Amtssprache nicht ausdrücken kann – diese
UMDR-Forderung ist daher kontraproduktiv.
Es wird schon lange über die Autonomie des Seklerlandes
diskutiert. Kann man das als Rumäniendeutscher unterstüt-
zen?
Ich bin diesbezüglich skeptisch. Die drei Komitate im Sekler-
land – Covasna, Harghita und Mieresch – liegen in der geogra-
phischen Mitte Rumäniens. Es scheint ein wenig so, als wären
sie Enklaven, deswegen spricht man immer von kultureller und
nicht ethnischer oder territorialer Autonomie. Meiner Meinung
nach sollte man den Seklern gestatten, dass sie ihre Fahne frei
aufhängen können – ich denke, dass wenn es den anderen gut
geht, dann wird es auch uns gut gehen.
Wenn es gelingen würde, dass die Seklerregion, die im Vergleich
zu anderen Teilen von Siebenbürgen als rückständig gilt, wirt-
schaftlich aufholt und es ihr gut gehen würde, dann würde sie
keine Autonomie mehr fordern.
Das ist nicht die Meinung des gesamten DFDR, sondern nur mei-
ne: Ich bin gegen die Autonomie, allein deshalb, weil das der
Nährboden für den rumänischen und madjarischen Nationalis-
mus ist. Klausenburg hatte in der Person von Gheorghe Funar
jahrelang einen nationalistischen Bürgermeister: Denjenigen, der
damals die Lokalpresse las, ergriff sofort das Gefühl des Drangs
zur Auswanderung, als er darin das nationalistischen Gestänker
zu Gesicht bekam. Man hat die Bänke auf den Straßen mit dem
rumänischen Trikolor bemalt – das Ganze grenzte schon ans Ab-
surdum. Der Nationalismus führt zu keinem Ergebnis.
Ich pflege es zu sagen, dass die rumänischen Autobahnen wie
das männliche Geschlechtsorgan sind: Man muss sich über je-
den zusätzlichen Zentimeter freuen. Nicht wahr?
Es ist interessant zu beobachten, dass die deutsche Minder-
heit Wegbegleiter der Mitte-Rechts-Opposition ist, die Ver-
tretung der madjarischen Minderheit, die UMDR, hat früher
die PSD-ALDE-Regierung unterstützt.
Deswegen habe ich sie mehrfach kritisiert. Als Minderheit muss
man grundsätzlich immer die Regierung stützen – aus der Op-
position heraus kannst du nichts für deine Leute tun – das ist
eine klare Sache, darin hat die UMDR Recht. Aber dass sie mit
ihrer Stimme das Zerschlagen des Rechtsstaates unterstützte,
ist nicht in Ordnung – ich habe ihnen auch mitgeteilt, dass das
SoNNTAGSBLATT
Paul-Jürgen Porr am Großen Ring von Hermannstadt/Sibiu/ Nagyszeben
Wäre die Autonomie Siebenbürgens eher akzeptabel?
Es gibt historische Beispiele dafür aus der Zeit des Ungarischen
Königreichs und von Österreich-Ungarn, aber ich sehe heute kei-
nen rumänischen Politiker, der diese Idee unterstützen würde.
Selbst Präsident Klaus Johannis nicht. (Fortsetzung auf Seite 20)
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