Sonntagsblatt 3/2019 | Page 19

mehr deutsche Migranten in Siebenbürgen sehen. Siebenbürgen wurde im Grunde über Jahrhunderte vom Zusam- menleben dreier Völker, der Madjaren, Rumänen und Deutschen geprägt, bevor es in den vergangenen hundert Jahren vom ru- mänischen Nationalstaat romanisiert wurde. Die Deutschen, die unter anderen Schässburg, Hermannstadt und Kronstadt aufge- baut haben, wanderten vornehmlich entweder aus oder wurden verkauft oder starben aus. Es gibt sie aber noch: Und sie haben nicht nur einen Staatspräsidenten in der Person von Klaus Jo- hannis, sondern eine eigene Interessensvertretung á la UDMR, das Demokratische Forum (DFDR). Mit dem Vorsitzenden dieser Partei, dem Chirurgen Paul-Jürgen Porr, haben wir in der Partei- zentrale in Hermannstadt noch vor den Ereignissen von Valea Uzului (Úzvölgye – hier kam es im Frühjahr zu Konflikten zwi- schen Rumänen und Seklern rund um einen Soldatenfriedhof am Rande des mittlerweile entvölkerten Dorfes, R. G.) gesprochen. Verhält sich Klaus Johannis, Staatspräsident von Rumäni- en, eher als guter Deutscher oder als guter Rumäne? Er ist von Geburt Rumäniendeutscher. Seit er Präsident ist, ist er Präsident aller Rumänen (rumänischen Staatsbürger). Wir, die deutsche Minderheit wollen erst gar nicht, dass er uns einen privilegierten Status verschafft, denn das würde uns die Mehr- heitsgesellschaft übelnehmen. Oder, ich muss sagen, dass er in diesem Sinne ein guter Rumäne ist: Seine Politik kommt den Massen zugute. Warum wollen Sie nicht, dass Johannis der Präsident der Rumäniendeutschen ist? Weil dadurch, dass er alle vertritt, auch uns vertritt. Das heißt, neben der rumänischen Mehrheitsgesellschaft alle 18 Minderhei- ten – unter ihnen sind die Madjaren mit 1,6 Millionen die größ- te, dann kommen die Roma in der meiner Ansicht nach selben Größenordnung, auch wenn sich bei der letzten Volkszählung lediglich 500.000 von ihnen dazu bekannt haben, denn sie be- trachten sich eher als Rumänen oder Madjaren, je nachdem, wo sie leben –, unter denen wir zahlenmäßig nur eine ganz kleine Minderheit stellen. Was glauben Sie, bleibt Johannis auch über 2019 hinaus im Amt? Wir hoffen es sehr. Nicht nur als Minderheitenangehörige, son- dern auch als rumänische Staatsbürger. Johannis verfolgt eine ausgeglichene, proeuropäische Politik im Gegensatz zu den bei- den, nicht gerade EU-freundlichen, nationalistischen, gar chau- vinistischen Regierungsparteien. Seitdem die PSD-ALDE-Regie- rung an der Macht ist, wurden die rechtsstaatlichen Standards systematisch ausgehöhlt, sie treffen wirtschaftsfeindliche Ent- scheidungen, nehmen Kredite auf – die unsere Kinder werden schultern müssen –, um die Löhne und Renten bezahlen zu kön- nen. Investitionen werden so gut wie nicht getätigt. der Grund war, warum ich dieses Jahr nicht an ihrem Klausen- burger Kongress teilgenommen habe. Aber zu solchen Schritten der UMDR stehen auch die Siebenbürger Madjaren kritisch. Also hat die UMDR die PSD-ALDE-Regierung Ihrer Ansicht nach eigentlich nur deshalb als Außenstehende unterstützt, weil die Interessensvertretung einer Minderheit dies erfor- dert? Ja. Jetzt wollen sie zum Beispiel erreichen, dass man an den ungarischsprachigen Schulen in Rumänien kein Abitur in Rumä- nischer Sprache ablegen soll. Das wäre - ganz neutral, aus Sicht eines Außenstehenden betrachtet - meiner Meinung nach kein Fortschritt: Diejenigen, die solche Schulen besuchen, leben ge- nauso in Rumänien, das Rumänische würden sie nur dann nicht brauchen, wenn sie unmittelbar nach dem Abitur nach Ungarn ziehen würden. Aber wenn man hier bleibt, dann ist es meiner Ansicht nach nicht glücklich, wenn man sich als rumänischer Staatsbürger in der Amtssprache nicht ausdrücken kann – diese UMDR-Forderung ist daher kontraproduktiv. Es wird schon lange über die Autonomie des Seklerlandes diskutiert. Kann man das als Rumäniendeutscher unterstüt- zen? Ich bin diesbezüglich skeptisch. Die drei Komitate im Sekler- land – Covasna, Harghita und Mieresch – liegen in der geogra- phischen Mitte Rumäniens. Es scheint ein wenig so, als wären sie Enklaven, deswegen spricht man immer von kultureller und nicht ethnischer oder territorialer Autonomie. Meiner Meinung nach sollte man den Seklern gestatten, dass sie ihre Fahne frei aufhängen können – ich denke, dass wenn es den anderen gut geht, dann wird es auch uns gut gehen. Wenn es gelingen würde, dass die Seklerregion, die im Vergleich zu anderen Teilen von Siebenbürgen als rückständig gilt, wirt- schaftlich aufholt und es ihr gut gehen würde, dann würde sie keine Autonomie mehr fordern. Das ist nicht die Meinung des gesamten DFDR, sondern nur mei- ne: Ich bin gegen die Autonomie, allein deshalb, weil das der Nährboden für den rumänischen und madjarischen Nationalis- mus ist. Klausenburg hatte in der Person von Gheorghe Funar jahrelang einen nationalistischen Bürgermeister: Denjenigen, der damals die Lokalpresse las, ergriff sofort das Gefühl des Drangs zur Auswanderung, als er darin das nationalistischen Gestänker zu Gesicht bekam. Man hat die Bänke auf den Straßen mit dem rumänischen Trikolor bemalt – das Ganze grenzte schon ans Ab- surdum. Der Nationalismus führt zu keinem Ergebnis. Ich pflege es zu sagen, dass die rumänischen Autobahnen wie das männliche Geschlechtsorgan sind: Man muss sich über je- den zusätzlichen Zentimeter freuen. Nicht wahr? Es ist interessant zu beobachten, dass die deutsche Minder- heit Wegbegleiter der Mitte-Rechts-Opposition ist, die Ver- tretung der madjarischen Minderheit, die UMDR, hat früher die PSD-ALDE-Regierung unterstützt. Deswegen habe ich sie mehrfach kritisiert. Als Minderheit muss man grundsätzlich immer die Regierung stützen – aus der Op- position heraus kannst du nichts für deine Leute tun – das ist eine klare Sache, darin hat die UMDR Recht. Aber dass sie mit ihrer Stimme das Zerschlagen des Rechtsstaates unterstützte, ist nicht in Ordnung – ich habe ihnen auch mitgeteilt, dass das SoNNTAGSBLATT Paul-Jürgen Porr am Großen Ring von Hermannstadt/Sibiu/ Nagyszeben Wäre die Autonomie Siebenbürgens eher akzeptabel? Es gibt historische Beispiele dafür aus der Zeit des Ungarischen Königreichs und von Österreich-Ungarn, aber ich sehe heute kei- nen rumänischen Politiker, der diese Idee unterstützen würde. Selbst Präsident Klaus Johannis nicht. (Fortsetzung auf Seite 20) 19