Sonntagsblatt 3/2019 | Page 12

Die Ansiedlung von Wudigess Die Geschichte der Ansiedlung von Wudigess fängt im Jahre 1659 an, als Kaiser Leopold am 30 Juli 1659 dem Grafen Ste- fan Zichy einen Grundbesitz mit einer Verwaltungszentrale in Altofen/Óbuda schenkt. Am 11. August 1689 erscheint das erste Habsburgische Impopulationspatent und bereits zwischen 1690 und 1696 wird mit der Ansiedlung begonnen. Die erste Urkunde, die über die Ansiedlung einiger schwäbischer Siedler in der Or- ganisation von Graf Peter Zichy berichtet, entsteht am 10. Juni 1689 (FOLLATH 1986: 55–56). Die in Wudigess Angekommenen waren den Vorschriften ent- sprechend alle katholisch und verheiratet, wobei manche erst unterwegs heirateten, wie das die deutschen Matrikelbücher be- zeugen. Laut einer Volkslegende der Wudigesser wurde für diejenigen, die an der Grenze des Landes angekommen und noch immer ledig waren, eine Trauungsmöglichkeit angeboten. Die Männer und die Frauen stellten sich in zwei Reihen auf und die zufälliger- weise zusammengekommenen Paare wurden der Reihe nach getraut. Auf einmal kam ein wunderschönes Mädchen an die Reihe, die aber mit einem eindeutig weniger attraktiven jungen Mann getraut werden sollte. Daraufhin fragte sie enttäuscht: Muss i tein schiechə neimmə? Muss ich den Häßlichen nehmen? In der Gründungsurkunde erscheinen die Ansiedler mit 22 Na- men. 1. Thomas Killman 2. Laurentius Schneider 3. Martinus Mocker 4. Boros István 5. Laurentius Mocker 6. Martini Ehrenmaster 7. Gregor Maister 8. Wenzel Grunber 9. Franz Kilnhober 10. Hilarius Stuis 11. Lorenz Pfenderath (Pfendtner) 12. Mathias Koester 13.Michael Radieß 14. Martinus Wegmann 15. Georgius Tirnhaber 16. Mathias Stadler 17. Johann Christian Schmid 18. Simon Bindter 19. Johannes Ortner 20. Martin Franz 21. Paul Schißler 22. Hans Molner (FOLLATH 1986: 56) Die katholischen Matrikelbücher bezeugen, dass es bereits 1699 zu den ersten Taufen kam. Die Seelenzusammenschreibung aus dem Jahre 1715 beinhaltet 55 Leibeigene mit Grundstück. Das Schicksal der hier angesiedelten Deutschen war in den ers- ten Zeiten nicht gerade rosig. Infolge der Wetterumstände und der Krankheiten waren sie in einer äußerst schwierigen Lage. Das bezeugt auch der alte Spruch „Der erste hat den Tod, der zweite hat die Not, erst der dritte hat das Brot”. In der Zeit der zweiten oder dritten Generation waren die Er- mäßigungen außer Kraft getreten, was das Leben der Ansiedler sehr erschwerte. Die extremen Wetterverhältnisse und der Rück- gang der Güter trugen auch noch dazu bei. 1739 erreichte die in ganz Europa wütende Pest auch diese Gemeinde. Die Anzahl der Opfer kann auf ca. 354 geschätzt werden. Für die an Pest Verstorbenen wurde in jedem Dorf ein eigener Friedhof eröffnet. In Wudigess lag dieser Friedhof unter dem Kofaripeag/Kalvari- enberg. Die Kleidungstücke der Verstorbenen wurden verbrannt (BONOMI 1941: 503). 12 Nach der Pestepidemie war die Bevölkerungsanzahl deutlich zu- rückgegangen, aber die von den Grundherren verlangte Fronar- beit musste weiterhin versehen werden. Das führte zu einer klei- neren Auseinandersetzung mit dem damaligen Grundherrn, aber der damalige Dorfrichter Josef Weckermann konnte die Missver- ständnisse klären. Als Grundherr Graf Nikolaus Zichy die Situati- on richtig erkannt hatte, fing er an, die Gemeinde intensiv neu zu besiedeln. Im Jahre 1744 erreichte die Anzahl der Leibeigenen mit Haus die Zahl 66, die Anzahl der Gesamtbevölkerung betrug ca. 900. Nach 2 Jahren hatte die Gemeinde 920 Einwohner. Die neuen Ansiedler waren aus verschiedenen Gebieten gekommen, die meisten aus Württemberg. (Nach meinen eigenen Forschun- gen waren sie aus der Umgebung von Donaueschingen, näm- lich aus Friedlingen, Unterwachingen, Anhausen, Rechtenstein, Aichstetten bei Tigerfeld, Grundsheim, aus dem ehemaligen Wi- blingen oder sogar aus dem Schwarzwald und dem Elsass. Viele unter ihnen kamen aus Gebieten, wo bairisch gesprochen wird und sogar aus Österreich. Einige Einträge bezeugen eine Her- kunft aus Hessen, Fulda, Sachsen oder sogar aus den heute tschechischen Gebieten (ESZTERLE 1929: 14 ). Man stellt sich Frage, wenn die Deutschen aus so vielen unter- schiedlichen Gebieten gekommen sind, wie haben sie dann ge- sprochen? Darüber schreibe ich im zweiten Teil (SB 04/2019). Was jeder Ungarndeutsche über den „bösen” Volksbund wissen sollte Vor 81 Jahren Volksbund der Deut- schen in Ungarn (VDU) gegründet Teil 2., Von Georg Krix Aus dem Programm des Volksbundes (Aus: G. Seewann „Geschichte der Deutschen in Ungarn) im Lichte der mad- jarischen Politik Das Dissimilationsprogramm des Volksbundes war in Ausein- andersetzung mit dem zunehmend aggressiv und rassistisch auftretenden ungarischen Chauvinismus defensiv ausgerichtet und am Gedanken des Minderheitenschutzes orientiert. Selbst die Forderung nach einem deutschsprachigen Priesterseminar war ausschließlich vom Schutzbedürfnis der Minderheit be- stimmt, dem die traditionelle Führungsrolle des Priesters im Dorf dienstbar gemacht werden sollte. Ein klar definiertes emanzipa- torisches Programm, in eine feste Organisationsform gegossen, das war tatsächlich etwas Neues in Ungarn. Doch so neu war es wieder auch nicht, denn es lag mit den Bemühungen um eine autonom verfasste Organisation der ungarndeutschen Minder- heit im Revolutionsjahr 1918/19 durchaus auf einer Linie. Aber daran konnte oder wollte sich schon keiner mehr erinnern, denn jegliche Erinnerung an diese Zeit des demokratischen Aufbruchs war im Horthy-Ungarn strikt tabuisiert und damit aus dem Be- wusstsein beinahe aller verdrängt. Doch verdrängt hieß nicht unbedingt vergessen und die dumpfe Erinnerung der Träger des autoritären Horthy-Regimes an diese ihnen verhasste und für überwunden gehaltene Epoche der ungarischen Geschich- te konnte ihren Hass auf den emanzipatorischen Charakter des Volksbundes nur verstärken und zusätzlich legitimieren. Doch im Unterschied zur Periode 1918/19 gab es nun in der Poli- tik ein Dreiecksverhältnis, das die Existenz des Volksbundes erst ermöglicht hatte und das ein wahrscheinlich noch wichtigerer Faktor für die grundsätzliche Ablehnung der neuen Organisation seitens des ungarischen Establishments darstellte. Dieses wollte nicht wahrhaben, dass gerade seine konstante Weigerung, die Existenz der deutschen Minderheit zur Kenntnis zu nehmen und SoNNTAGSBLATT