Wieder die Siebenbürger -
zum Stellenwert der (Groß-) Muttersprache
Von Richard Guth
tschangomadjarischer Verwandtschaft, dem die Angelegenheit
etwas peinlich erschien. Er sagte, dies sei eine Entscheidung
des Pfarrgemeinderates mit überwiegend ungarndeutschen Mit-
gliedern gewesen.
Den Wert der eigenen (Groß-) Muttersprache erkennen – dies
scheint anderswo und nicht nur in Siebenbürgen eine Selbstver-
ständlichkeit zu sein, auch wenn es in vielen Fällen mit Mühen
und Kampf verbunden ist. Nur in unserem kleinen Lande fällt es
vielen schwer - aus welchem Grund auch immer - den Wert der
eigenen (Groß-) Muttersprache zu erkennen. Oft bedürfte es
aber des Schrittes, die eigene Komfortzone zu verlassen, wie
unser Coredakteur Patrik Schwarcz-Kiefer in den letzten Mona-
ten in mehreren Beiträgen forderte. Unter diesem Gesichtspunkt
könnte die Frage der Pfarrerin ruhig mal als eine rhetorische ver-
standen werden.
Wieder die Siebenbürger (auch wenn es angesichts der Tatsa-
che, dass es im Weiteren auch um Menschen mit Banater und
tschangomadjarischen Wurzeln gehen wird, um eine nicht sach-
gemäße Sammelbezeichnung handelt) – dachte ich mir, als ich
beim Surfen im Facebook auf einen Beitrag der Pfarrerin der Ver-
einigten Evangelischen Pfarrgemeinden Wandorf/Sopronbánfal-
va und Agendorf/Ágfalva, Eszter Heinrich, aufmerksam wurde.
Die Pfarrerin war mit einer kleinen Delegation in Mediasch zu
Gast, wo die Berliner Evangelische Akademie eine Konferenz
veranstaltete. Die Pfarrerin berichtete auf der Seite der Kirchen-
gemeinde im Ödenburger Land über ihre Eindrücke, den Pro-
zess der Neuordnung der siebenbürgischen evangelischen Ge-
meinden nach dem Exodus in der Wende- und Vorwendezeit,
über die Bedeutung der Diasporaarbeit, wo sich Pfarrer des Me-
diascher Kirchenbezirkes sams- und sonntags mit Kleinbussen
auf den Weg machen, um Gemeindemitglieder abzuholen und
an einen Ort zu bringen, wo sie gemeinsam Gottesdienst feiern,
und über die Aktivitäten der Medischer Gemeinde mit Bibelstun-
den und Brotbacken. Der Bericht endet mit einer bemerkenswer-
ten Pointe: Im Gespräch mit Mediascher Gemeindemitgliedern
erzählten diese, sie würden dank eines früheren Besuchs Öden-
burg und Umgebung kennen – nur eins würden sie nicht ver-
stehen: Warum die dortigen Deutschsprachigen und -stämmigen
nur mit den Österreichern deutsch sprechen, aber untereinander
nicht?! Pfarrerin Heinrich stellt daraufhin die Frage, ob diese be-
rechtigt sei.
Wieder die Siebenbürger, denn in diesem Jahr haben wir bereits
über einen ähnlichen Fall unter siebenbürgischer, genauer Ba-
nater Beteiligung berichtet. Ein Banater Madjare wunderte sich
(und äußerte diese Verwunderung offen), warum sich die Un-
garndeutschen nicht ihrer Muttersprache bedienen würden. Als
Beleg erzählte er von einem Besuch im deutschen Gymnasium
des Ortes, wo er feststellen musste, dass die Pausengespräche
alles andere als deutsch geprägt seien. Selbst in den dunkelsten
Jahren der kommunistischen Diktatur hätte man sich nicht neh-
men lassen, in der Öffentlichkeit ungarisch zu sprechen, in der
Schule sowieso, so der Zeitzeuge aus dem Banat.
Und wieder diese Siebenbürger oder in diesem Falle Tschan-
go-Madjaren: Es geschah vor vielen Jahren, aber die Erinnerung
daran ist immer noch hellwach: Eine katholische Gemeinde mit
vielen ungarndeutschen Mitgliedern in der Nähe der ungari-
schen Hauptstadt – hoher Besuch hat sich angekündigt, zur Glo-
ckeneinweihung: Der - mittlerweile verstorbene - Herr Bischof
höchstpersönlich - der bekanntlich über gute Deutschkenntnis-
se verfügte – zelebrierte die Messe und las sie aber dennoch
auf Ungarisch. Nach der Messe fragte ich den Ortspfarrer mit
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Wir sind doch Donauschwaben!
Von Patrik Schwarcz-Kiefer
Man streitet und diskutiert darüber seit langem, ob die Ungarn-
deutschen sich Donauschwaben nennen sollten oder nicht (hier
geht‘s natürlich nicht um die in Westungarn verbliebene Heanzen,
sondern um die „wahren“ „Schwaben“, die nach den Türkenkrie-
gen im Königreich Ungarn angesiedelt wurden). In der letzten Zeit
scheint es so, dass dieser Begriff aus der ungarndeutschen Um-
gangssprache gänzlich verschwindet. Eine große Ausnahme ist,
wenn der Weltdachverband der Donauschwaben sein Welttreffen
in Ungarn organisiert. Jugendliche und ältere Jugendliche aus
der ganzen Welt (vor allem aus den USA, Kanada und Brasilien)
nehmen an dieser zweiwöchigen Veranstaltung teil um das Leben
und die Kultur ihrer Vorfahren kennen lernen zu können. Ich hat-
te auch die Gelegenheit, mich nur für paar Stunden dieser Grup-
pe anzuschließen; und diese Erfahrung werde ich nie vergessen.
In Bohl/Bóly und dann in Taks/Taksony konnte ich mich mit den
Teilnehmern ein bissl unterhalten - alle antworteten auf die Fra-
ge „Wie identifizierst du dich?“ mit „Donauschwabe“ - manch-
mal auf Englisch (der Sprachverlust ist nicht nur für uns ein
Problem), manchmal mit amerikanischem Akzent. Und wenn
junge Erwachsene in meinem Alter, z. B. aus Chicago, das-
selbe tun, beginnt man sich Gedanken zu machen: Wie zum
Teufel kann es sein, dass nach fast einem Jahrhundert Nach-
fahren donauschwäbischer Familien, die teilweise auf dem Ter-
ritorium des heutigen Ungarns lebten, sich für Donauschwa-
ben halten, und diejenigen, die geblieben sind, nicht mehr.
Diese Selbstabgrenzung, die sich in den letzten Jahrzehnten voll-
zog, hatte zur Folge, dass man sich im Mutterland schwertut sich
als (Ungarn-) Deutscher zu präsentieren. Der Begriff “ungarn-
deutsch” bedeutet für den Durschnittsbundesdeutschen nichts,
das gilt auch für Österreicher. Wenn man aber „Donauschwa-
be” sagt, wird plötzlich auch für diejenigen verständlicher, wo
wir hingehören, woher wir kommen, die die Geschichte des Aus-
landsdeutschtums/Volksdeutschtums nur oberflächlich kennen.
Die historische Verantwortung unserer Generation in diesem
Sinne ist also, dass wir uns klar machen: Der größte Teil der
Ungarndeutschen gehört zum Donauschwabentum. Es gibt im-
mer mehr Initiativen, z.B. die Kooperation des Landesrats und
des Weltdachverbandes, wodurch Tanzgruppen aus Ungarn in
den USA vor US-Donauschwaben auftreten, oder der immer
aktivere Austausch zwischen den Banater Schwaben und dem
Hartianer GJU-Freundeskreis. Der erste wichtige Schritt ist, dass
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