Sonntagsblatt 3/2018 | Seite 2

„Ein Jubiläum ist eine gute Gelegenheit, auf das Erreichte zurückzublicken und sich neue Ziele für die Zukunft zu setzen.” Leitartikel s (Fast) Ein Vierteljahrhundert Ein Jubiläum und was eigentlich hinter der ganzen Feierei stehen sollte Von Richard Guth Alles fing mit einem blauen Volkswagen Passat, Baujahr 1988, an. Als dieser an einem ganz normalen Schultag unseren Schul- hof befuhr, wusste ich noch nicht, dass das meinem Leben eine neue Richtung geben wird. In der Pause wurde ich ins Schul- leiterdienstzimmer gerufen, eigentlich ein Novum für einen, den die Schulkameraden oft mit dem Prädikat „Streber” behängten. Ein adrett gekleideter Herr, Mitte 60, saß neben meinem ungarn- deutschen Schulleiter auf der Ledercouch. Er war bemüht, wie es schnell klar wurde, engagierte ungarndeutsche Schülerinnen und Schüler für „unsere Sache” zu gewinnen. Aber auch was ganz Konkretes stand im Herbst des Jahres 1994 im Raume: das Welttreffen der Donauschwaben, das im darauf folgenden Jahr in Budapest stattgefunden hat. Zur damaligen Zeit war ich bereits vorbelastet, denn ich engagierte mich nicht nur in der schulischen „Volkstumsarbeit”, wie es mein Deutsch- und Klassenlehrer bei der Verabschiedung meiner Klasse 1996 formulierte, sondern schrieb als aktiver Sänger in Nationalitätenchören bereits Arti- kel für die Neue Zeitung. Als Ergebnis dieser Begegnung, die den Beginn für eine seit fast 25 Jahren währende Verbindung mit der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft und dem Sonntagsblatt markierte, stand ich wenige Monate später auf dem Aufmarsch- platz nahe des Budapester Heldenplatzes als Gästebetreuer der Raststätter „Schwoweleit”, die ich eine Woche lang beglei- tete. Als Dank überreichte mir der vorgenannte Herr eine Pla- kette für den einwöchtigen Einsatz. Der Mann hieß Georg Krix. Nun feiern aber nicht nur SB und JBG 25-jähriges Jubiläum, sondern auch das mustergültige Minderheitengesetz, das erst die Schaffung von Selbstverwaltungsorganen ermöglicht hat. Bereits zur Entstehungszeit gab es kritische Stimmen, die vor dem Hintergrund der Erfahrungen der ungarischen Nationali- tätenpolitik seit dem Ausgleich vor allzu viel Euphorie warnten. Man muss 25 Jahre danach den Kritikern Recht geben, jeden- falls zum Teil. Auch wenn der äußere Rahmen von konstanter Entwicklung zeugt, ist es im Inneren zu oft behäbig-ruhig, wie gewohnt halt. So ist die Zahl der so genannten Nationalitäten- schulen nahezu konstant geblieben, jedenfalls bei den Grund- schulen, immer mehr Bildungseinrichtungen werden von der LdU oder örtlichen NSVW getragen, NZ und Landesratforum (und zum Teil das SB) berichtet von einem regen kulturellen Leben. Die hohe Zahl der Galas, Kultur- und Gedenkveranstal- tungen, die Neugründung von Kulturgruppen, Musikkapellen (neben der Auflösung von alten) belegen dies. Auch die Zu- wendungen des Staates stiegen – nicht zuletzt durch die Über- tragung von Schulträgerschaften – erheblich. Die Zahl der Be- kennerdeutschen stieg auch beachtlich, auch wenn dies zum Teil auf einen kreativen Umgang mit Kategorien bei der stasti- schen Auswertung der Volkszählungsdaten zurückzuführen ist. Soweit die äußere Verfassung der deutschen Nationalität in Ungarn. Die innere zeigt ein anderes Bild, auch wenn man sich dabei um ein differenziertes Urteil bemühen muss. Zwar ver- zeichneten die Nationalitätengrundschulen und zum Teil die – mittelschulen keinen gravierenden Einbruch bei ihrem Deutsch- angebot, ist das größte Versäumnis der letzten 25 Jahre – trotz den Bemühungen des Ungarndeutschen Pädagogischen Insti- tuts, die Schulen zu unterstützen - dennoch, dass das zwei- und einsprachige Unterrichtsmodell – bis auf wenige Ausnahmen, 2 insbesondere an „Flaggschiffschulen” der LdU – nicht die Regel wurde. Immer noch wird das Angebot beherrscht von der so ge- nannten sprachunterrichtenden Form mit fünf Deutschstunden und einer Volkskundestunde. Warum man in der Wendezeit auf diese fünf Stunden kam, weiß ich nicht, wahrscheinlich, damit man sich brüsten kann, dass die Kinder jeden Tag Deutsch ha- ben. Das SB hat in den letzten vier Jahren eingehend mit der Ar- beit an den Institutionen wie Kindergärten und Grundschulen in der Trägerschaft örtlicher NSVW beschäftigt: Die Palette ist viel- fältig, dennoch wird immer wieder eins klar, was auch von vielen der Gesprächspartnern erkannt und benannt wird: Deutsch wird im Alltag – außerhalb von Kommunikationssituationen im Unter- richt und den Beschäftigungen – kaum als Kommunikationsmittel verwendet, mit dem Hinweis, dass man die Probleme des Kindes nur in der Muttersprache besprechen könnte. Leider Gottes trifft dies auch auf zwei- und einsprachige Einrichtungen (wobei es einsprachige so gut wie keine gibt) zu - Ausnahmen stärken die Regel -, was vielfach mit der sprachlichen Unsicherheit des Lehr- personals erklärt wird. Es geht langsam die Generation in den Ruhestand, die irgendwie noch mit der mittlerweile verlorenen Muttersprache in Berührung gekommen ist. Für die anderen ist Deutsch eine Fremdsprache, so auch für die Kinder. So verwun- dert es einen nicht, dass selbst zweisprachige Angebote – wobei dies hinsichtlich der Stundenzahl eher eine Mogelpackung ist, denn das Deputat in deutscher Sprache erreicht keinesfalls die 50 % - nicht zu einer b