Sonntagsblatt 3/2015 | Page 26

Wievielen Ungarndeutschen ist wohl der Namen Adam Müller-Guttenbrunn bekannt? Wer in Ungarn kennt wohl die Werke des größten donauschwäbischen Schriftstellers? Leider! – Adam Müller-Guttenbrunn wurde uns früher und wird uns auch heute vorenthalten. Warum? Ich kann mich gut erinnern – ich war damals zwölf Jahre alt -, wie meine Mutter von einem Heimabend heimkehrend freudig berichtete: Heute haben wir ein sehr schönes Lied gelernt, „Es brennt ein Weh, wie Kindertränen brennen”. Obwohl ich schon Schüler einer volksdeutschen Schule in (Trianon)Ungarn war, so hat mir dieser Titel nichts gesagt und auch der Urheber des Textes kam nicht zur Sprache. Weil: AMG (gekürzt für Adam Müller- Guttenbrunn) war in Ungarn verboten, seine Werke unbekannt. Erst zwei Jahre später, in einer Schule in der Südbatschka (ehe- mals Jugoslawien, 1941 zu Ungarn „zurückgekehrt”) ist mir aufge - fal len, dass meine Batschkaer Mitschüler dieses Lied als Volks - hymne sangen und ganz selbstverständlich wussten, dass dieses im Roman von AMG „Die Glocken der Heimat” zum erstemal als Gedicht veröffentlicht wurde. Wenn wir im Sonntagsblatt über AMG schreiben (und schon oft und viel geschrieben haben), so werden dadurch nur wenige Lands leute Informationen gewinnen. In der Schule müsste AMG unterrichtet werden, ihn bekannt zu machen sollte Aufgabe der ungarndeutschen Kulturvereine sein. Seine Werke können uns unserer Geschichte näherbringen, uns den Kampf einer Volks - gruppe ums Überleben verständlich machen. Dies würden die Ungarndeutschen benötigen, um sich zur zukunftsorientierten Volkstumsarbeit rüsten zu können. –ri– Adam Müller-Guttenbrunn: „Götzendämmerung – Ein Kulturbild aus Ungarn” Im Spannungsfeld der politischen Krise in Ungarn zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Ein Vortrag im Haus der Ungarndeutschen, Budapest, gehalten von Dr. Hans Dama – 1. Teil) deutsche Haltung ein und er wurde bis 1840 zum „geistigen Füh - rer der Madjaren”, vergleichbar mit František Palacký bei den Tschechen. Sein Ziel war ein einsprachiges, also madjarisch-spra- chiges Ungarn. Széchenyi war für die Vertreibung der Deutschen und Slowaken mit der Begründung, dass diese ja ein Land außer- halb Ungarns hätten, die Madjaren aber besäßen ja nur Ungarn. Man bedenke aber, dass in jener Zeit in Ungarn lediglich 29% Madjaren lebten, der Anteil des madjarischen Adels hingegen 85,5% betragen hatte. Durch die Assimilierung und Aufsaugung aller Nichtmadjaren müsste nach ihm die „madjarische Rasse” in sämtlichen Bereichen – Kultur, Wirtschaft usw. die Führung übernehmen, die Deut - schen Ungarns somit überflügeln, „weil die madjarische Herren - rasse schließlich allen Völkern überlegen sei”. In seinem Werk „Kelet népe” („Volk im Osten”, 1841) geht Graf Széchenyi auf diesen Interessenskonflikt ein und beeinflusste mit seinen Anschauungen die Intellektualität seines Landes. Ab 1840 gewann sein erbitterter Gegner Lajos Kossuth jedoch die Oberhand und überflügelte den Grafen an Popularität. Für Kossuth waren die Ideen und die Haltung des Grafen zu wenig radikal. Kossuth Lajos gewann die madjarische Intellektualität für seine Vorstellungen, was die Ungarndeutschen bald zu spüren bekamen. Deutsche Einrichtungen (Theater, Wirtshäuser, Ge - schäfte u.a.) sowie deutsche Bürger wurden gestürmt bzw. auf offener Straße von madjarischen Kossuth-Nationalisten regel- recht verprügelt. Obwohl Graf Széchenyi dieses Verhalten bzw. diese Vor - gangsweise verurteilt hatte, wich er jedoch keinen Deut von seinen Madjarisierungstendenzen ab, denn diese seien „die höchste Pflicht jedes Madjaren”. Kossuths Getreuen rekrutierten sich in Casinos, die eigentliche Wirkungs- und Ausgangsstätte der Széchenyi-Anhänger, was den Grafen besonders schmerzte. Und weil er, der Graf, sich später im Klaren darüber war, welche Entwicklung er eigentlich ausgelöst hat, findet sich in deutscher Sprache als letzte Eintragung in sein Tagebuch vor seiner Einlieferung in die Irrenanstalt Oberdöbling (Wien 19), am 4. 9. 1848 folgendes: „Nie hat ein Mensch mehr Wirrwarr in die Welt gebracht als ich. O Gott, erbarme Dich mei- ner!”. Fortsetzung folgt O Moderne Sprache Der Dichter schildert in seinem Roman Götzendämmerung die politischen Zustände in Ungarn in den Jahren 1903/6, die Be - strebungen der Kossuthisten um die schrittweise Loslösung Un - garns von Österreich sowie die am 18. 06. 1905 erfolgte Ein - setzung des Königstreuen Beamtenministeriums Géza Fejérváry (=Gömöry), der Ex-Lex-Zustand, d.h. die Vertagung des Reichs - tages im Oktober 1905 und der darauf ausgebrochene nationale Widerstand, dem es darum ging, die Regierung zu schwächen und den König zum Nachgeben zu bewegen – das