gehört, aber von der deutschen Bundesregierung nicht gebührend
gefördert wird.
Das Buch „Edelsteine – 107 Sternstunden deutscher Sprache”
von Max Behland, Reiner Pogarell und Walter Krämer (IFB-
Verlag) beschäftigt sich mit großen Texten, die in Deutsch verfasst
wurden. Zu finden sind nicht nur Goethes Faust, Einsteins Re -
lativitätstheorie oder Texte von Siegmund Freud, Karl May, Mar -
tin Luther und Günter Grass. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch,
die Patentanmeldung des ersten Automobils oder der Beipack -
zettel zur ersten deutschen Antibabypille werden vorgestellt. Letz -
terer „hat zusammen mit dem Produkt, das er beschreibt, das
Verhältnis der Geschlechter zueinander grundlegend verändert”,
ist zu lesen. Sogar die sprachliche Leistung von Erika Fuchs, der
Texterin der deutschen „Micky Maus”-Hefte, wird gewürdigt:
„Das bleibende Verdienst von Dr. Erika Fuchs ist, aus einem Heft
für Kinder eine neue Kunstform geschaffen zu haben.”
O
Neues Buch: „Edelsteine –
107 Sternstunden deutscher Sprache”
von Heiner Schäferhoff
Das ist ein Buch in der Tradition vieler großer Antologien von gro-
ßen Texten in deutscher Sprache. Es versammelt, wie schon die
„Edelsteine” im Titel sagen, sozusagen die Kronjuwelen der deut-
schen Sprache. Aber es sind Kronjuwelen in einem anderen als
dem hergebrachten Sinn, es sind Texte, die „durch ihre sprachliche
Eleganz bestechen, … die Epoche ihrer Entstehung widerspiegeln
und … die Gesellschaft, die Kultur, die Wissenschaft, die Technik
oder die Politik nachhaltig mitgestalten oder mitgestaltet haben.”
So ist es im Vorwort nachzulesen. Die sprachliche Eleganz ist
also nicht das einzige Kriterium, die Wirkung auf die Welt als
ganze zählt genauso mit. Natürlich erfüllen nicht alle Werke wie
et wa Goethes Faust diese Ansprüche in gleicher Weise. „Der
Text”, so ist zu lesen, „ist sprachlich gewaltig, er steht für eine zen-
trale Epoche der europäischen Geistesgeschichte und er hat die
europäische Literatur maßgeblich mitgeprägt”. Daneben offenba-
ren sich dem erstaunten Leser aber auch juristische Texte wie der
Sachsenspiegel oder das Bürgerliche Gesetzbuch, auch eher tech-
nische Dokumente wie die Patentanmeldung des ersten Auto -
mobils oder der Beipackzettel zur ersten deutschen Antibabypille.
„Er hat zusammen mit dem Produkt, das er beschreibt, das
Verhältnis der Geschlechter zueinander grundlegend verändert.
Solche Texte müssen sich nicht reimen. Es sind Edelsteine auch in
ungeschliffener Gestalt”, wie das Vorwort sagt. Ebenfalls vertre-
ten sind daher bewegende Briefe und berühmte Reden, auch
grundlegende Werke der Physik wie Einsteins Relativitätstheorie
oder der Mathematik wie der Gödelsche Unvollständigkeitssatz.
Wichtig dabei ist die deutsche Sprache und nicht die deutsche
Staatsangehörigkeit, auch Werke der großen Psychologen Sieg -
mund Freud aus Österreich und Carl Gustav Jung aus der Schweiz
erfahren hier eine ausführliche Würdigung. Und komplettiert
wird diese Perlenkette der deutschsprachigen Geistesgeschichte
durch große Mediziner, Politiker und Philosophen: Paracelsus,
Friedrich der Große, Bismarck, Rosa Luxemburg, Leibniz,
Nietzsche, Kant und Wittgenstein, Karl Popper und Karl Marx.
Und natürlich Martin Luther als einer der Giganten der deut-
schen Sprachgeschichte. Denn seine Bibelübersetzung gilt vielen
als die eigentliche Geburtsstunde des modernen Deutschen über-
haupt. Wie schon in dem Vorgängerband, den „Sternstunden der
deutschen Sprache”, liegt auch hier der Schwerpunkt auf der schö-
nen Literatur. Dieser Begriff wird aber recht weit gefasst. Denn
außer den üblichen Verdächtigen wie Goethe, Schiller, Lessing,
Wieland, Heine, Kleist und Hölderlin sind hier auch Karl May
oder Erika Fuchs, die Texterin der deutschen „Micky Maus”-Hef -
te vertreten. „Das bleibende Verdienst von Dr. Erika Fuchs ist,
aus einem Heft für Kinder eine neue Kunstform geschaffen zu
haben”, schreibt der bekannte Hannoveraner Germanistikprofes -
sor Wolfgang Sauer in seinem Stichwortartikel, und wenn man sei-
nen Artikel gelesen hat, dann glaubt man das auch. Dergleichen
Aha-Erlebnisse gibt es noch an vielen anderen Stellen dieses
Buches.
An moderneren Autoren findet man u. a. Rilke, Kafka, Hesse,
Arno Schmidt, Robert Gernhardt, Kurt Tucholsky, Thomas Mann
und Günter Grass. Die Vorgangsweise ist dabei in allen Stichwort -
artikeln ähnlich: Im Mittelpunkt steht der Originaltext, von den
Rezensenten in aller Regel liebevoll, seltener auch kritisch, aber
immer ohne Fachjargon und Fußnoten den Lesern dargeboten.
Dieser weitgehende Verzicht auf Gelehrten-Selbstbefriedigung,
die man sonst so oft in dergleichen Sammelwerken antrifft, macht
die Lektüre zu einem nochmals größeren Vergnügen. Offenbar
haben die Herausgeber den oft prominenten Stichwortartikel -
schreibern hier einige leserfreundliche Fesseln angelegt. Heraus -
gekommen ist ein Buch, das man auch ohne ein Studium der
Wissenschafts- und Literaturgeschichte mit wachsender Begeis -
terung verschlingt. Und ein perfektes Weihnachtsgeschenk noch
obendrein. Letzteres wird durch die gediegene Aufmachung
unterstrichen: Das Buch ist selbst ein Edelstein.
„Edelsteine – 107 Sternstunden deutscher Sprache” von Max
Behland, Reiner Pogarell und Walter Krämer, IFB-Verlag 2014,
25 Euro, 672 Seiten, ISBN 978-3-942-409-31-5
Von diesem Buch können Sie unter [email protected] ein
kostenloses Rezensionsexemplar und ein Titelseitenfoto anfordern.
O
Günter Grass
gestorben
Lübeck/Danzig (VDS)
Am 13. April is t der aus
Danzig stammende Schrift -
steller Günter Grass im
Alter von 87 Jahren in einer
Lübecker Klinik gestorben.
Grass erlangte mit seinem
1959 als Teil der Danziger
Trilogie erschienenen Schel -
men- und Epochenroman
„Die Blechtrom mel” Welt -
ruhm. 1999 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Alle Feuil -
letons setzten sich mit dem Leben und Werk „der Stimme der
Nachkriegszeit” auseinander. Die Tagesschau würdigte Grass’
„barocke, prachtvolle, reiche, bisweilen vielleicht überreiche Spra -
che”, die allen seinen knapp 20 Prosawerken das Gepräge gege-
ben habe, von „Katz und Maus” bis „Ein weites Feld”, von „Der
Butt” bis „Im Krebsgang”. Der Literaturwissenschaftler Volker
Neu haus nannte Grass in der „Neuen Osnabrücker Zeitung”
einen „deutschen Weltautor” im Range von Johann Wolfgang von
Goethe und Thomas Mann. Neuhaus hob einen Punkt besonders
hervor: „Grass hatte ein von Liebe geprägtes Verhältnis zur deut-
schen Sprache. Er liebte es, mit Worten zu spielen und ihre Ne -
ben bedeutungen herauszuhören”.
Ein Interview, das unsere Partnerpublikation „Hermannstädter
Zeitung” aus Rumänien schon sehr früh mit Günter Grass führte:
http://www.hermannstaedter.ro/?p=6027
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