Sonntagsblatt 3/2015 | Page 18

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Ordnung in den Hofraum zu bringen , so gut es eben ging . Die russische Offiziersfrau sah dem Treiben aus der Glastür ungläubig zu . Wahrscheinlich war sie überrascht , vielleicht auch fasziniert vom Fleiß und Ordnungssinn der drei „ Germanski – Frauen ”.
Am schlimmsten hatte es aber unser „ Heisl ( Klo )” erwischt , wel ches von Großmutter immer sehr sorgsam gehegt und gepflegt wurde . Ausgerechnet Oma hatte als erste entdeckt , was mit ihrem „ Schmuckstück ” geschehen war . Unter Schock kam sie vom Standort des Objektes zurück und forderte Großvater umgehend auf , das „ Häuschen ” sofort abzubrechen , denn eine Reinigung sei nicht mehr möglich . Opa , Vater und Onkel machten sich sogleich an die Arbeit , was nicht ganz einfach war , denn die Soldaten hatten auch die ganze Umgebung des Objektes mit ihrer andersartigen Kultur markiert . Nach dem Abbau wurden die Holzteile im hintersten Teil des Hofraumes , wo sich auch der Dunghaufen befand , verbrannt . Großvater hatte in der „ Schupfen ” noch einen Stapel Bretter versteckt , welche von den Soldaten nicht verfeuert worden waren . Der Fleiß der drei Männer schaffte es , dass am Abend das neue Häuschen samt neuer Türe stand , gedeckt mit „ Apatiner ” Dachziegeln . Großmutter war eine sehr couragierte schwäbische Hausmut - ter . Am nächsten Morgen wagte sie es , der russischen Offiziers - familie den Gebrauch eines „ Häusl ’ s ” zu demonstrieren – ein mutiges Unterfangen , was nachdenklich – aber ohne Proteste – angenommen wurde !! So konnten dann wieder die allzumenschlichen Bedürfnisse von den Hausbewohnern befriedigt werden !!
Es war schon dunkel geworden bis wir unser Zimmer mit den verbliebenen Habseligkeiten eingerichtet hatten . Vor allem Vater und ich waren von diesem anstrengenden Tag „ geschafft ”. Nach einem kalten Abendessen – man wollte erst morgen wieder die Kochmöglichkeiten schaffen – kam langsam das ganze Haus zur Ruhe . Von den Sowjets war ebenfalls nichts mehr zu hören . Sie hatten übrigens das beste Los in unserem Haus gezogen , denn die „ Paradestube ” war noch voll möbliert verlassen worden , und of - fen sichtlich war hier nichts davongetragen worden – zumindest war das unsere Vermutung , konnten wir doch nicht in sie hineingehen . In den nächsten Tagen verbrachten die Männer ihre Zeit mit Aufräumarbeiten und Besuchen bei den Nachbarn , um Erfah - rungen auszutauschen und Neuigkeiten zu hören und zu verbreiten . Es gab wenig gute Kunde . Vor allem die Bauern in unserer Gemeinde waren sehr beunruhigt und besorgt , denn die Früh - jahrsbestellung der Felder musste jetzt unbedingt in Angriff ge - nommen werden , wenn man nicht einen Totalausfall der Ernte 1945 in Kauf nehmen wollte . Die Hauptarbeiten auf den Feldern hätten eigentlich um diese Zeit schon fast abgeschlossen sein sollen .
Vor allem zeigte sich jetzt als Problem Nummer eins das Fehlen der Pferde , und ohne Zugtiere konnte auf den Feldern nichts be - wegt werden . Auch war es noch sehr gefährlich auf den Feldern des gesamten „ Hotters ” ( Gemarkung ). Denn überall wimmelte es von Rotarmisten , die sich in den Kellern der Weingärten oder in den kleinen Wäldchen aufhielten . Sie terrorisierten die zur Feld - arbeit angetretenen Bauern und nahmen ihnen sogar das mitgeführte Essen und Trinken ab , wohl deshalb , weil sie selbst von keiner zuständigen Einheit versorgt wurden .
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Bei diesen zum Teil sehr heftigen Auseinandersetzungen zwischen den schwäbischen Bauern und den Soldaten der Sowjet- Armee kamen auch einige unserer Mitbürger zu Tode . Ich erinnere mich noch an ein für unsere Straße sehr dramatisches Ereig nis , als man einen Nachbarsbauern von der anderen Straßenseite auf einem Bauernwagen tot nach Haus brachte . Die ganze Straße , ja die ganze „ Untere Gegend ” lief in Trauer und Wut zusammen , ob dieser schrecklichen Tat . Was hatte der Mann , sein Sohn war auf dem Feld dabei , getan ? Eine Gruppe von russischen Soldaten wollte ihm sein in einer ungarischen Nachbargemeinde erworbenes Pferd ausspannen und mitnehmen . Dagegen hatte sich der Mann gewehrt , worauf es zu einem Handgemenge kam , in dessen Verlauf ein Soldat mit seiner Kalaschnikow auf das Opfer feuerte . Dazugeeilte Bauern von den Nachbarsfeldern wollten helfen , wuss ten aber Gott sei Dank die Situation richtig einzuschätzen , und so kam es nicht zu einem möglichen Blutbad !! Die Soldaten wussten natürlich ganz genau , dass das Dorf von Germanski ’ s bewohnt war , und das waren allesamt ihre Feinde !!
Großmutter war zu Hause zusammen mit meiner Mutter und meiner Tante damit beschäftigt , unser Haus und den Hof wieder in einen kultivierten Zustand zu bringen . Dabei stellten sie fest , dass viele Gegenstände abhanden gekommen waren . Manches fand sich in den Häusern und Hofstellen der Nachbarschaft und gute Nachbarn brachten die fehlenden Haushaltsutensilien oft wieder zu den ursprünglichen Besitzern zurück .
Große Sorgen bereitete den Frauen aber die Versorgung unserer drei Familien mit Nahrungsmitteln . Vor allem mein kleiner Cousin mit etwa einem Jahr konnte nicht entsprechend ernährt werden . Neben diesen Alltagssorgen kamen noch die beengten räumlichen Verhältnisse und die allgemeine Unsicherheit unserer Situation dazu .
Eine weitere Aufgabe bekamen die Frauen von unseren russischen Mitbewohnern zugeteilt : Sie mussten für die Offiziers fa mi - lie und auch einigen Soldaten die Wäsche waschen . Dies war nicht ganz einfach und stellte die Wäscherinnen vor besondere Aufga - ben , denn die Familie und auch die Soldaten befanden sich seit langer Zeit Seite an Seite im Einsatz gegen die „ Faschisten ” – auch wir wurden von ihnen so bezeichnet !
Der hygienische Zustand aller war entsprechend . Großmutter beobachtete einmal durch die Glastür der vorderen Stube , die wie alle Türen in einem schwäbischen Bauernhaus auf den Gang führte , wie die Frau des Offiziers aus den Haaren ihres Töchterchens das Ungeziefer herauskämmte ! Wir hatten natürlich alle Angst , dass auch wir davon befallen werden könnten ! Unter den gegebenen Umständen hätte dies leicht passieren können . Interessant war die Morgentoilette des Mannes . Großmutter musste ihm jeden Morgen warmes Wasser machen und in einer „ Lavoir ” ( Waschschüssel ) bereitstellen . Er wusch sich aber nicht wie wir dies üblicherweise machten , sondern hatte eine eigenartige Methode . Dabei nahm er Wasser in seinen Mund , spritzte es auf seine Hände und wusch sich so sein Gesicht !!
Die Frauen unserer „ Großfamilie ” mussten auch täglich etwas für die Familie und weitere Soldaten , die täglich beim Offizier Mel dung machten , kochen . Manchmal hatten die Russen von ir - gendwoher Rindfleisch – war wohl vom Pferd ! – und Mehl organisiert ( sabralni !!). Unter der Regie von Oma wurde dann eine große „ Rei ’ n ” Pörkölt mit einer Unmenge „ Nockerln ” gekocht . Dies schmeckte den Rotarmisten sehr , besonders wenn es scharf gewürzt war . Deshalb wurde das Gericht immer wieder ge - wünscht , so dass Oma dafür sogar Lob und Dank erfahren durfte .
Das Verhältnis zu den Besatzern änderte sich bald zum Positi - ven , denn auch die Soldaten hatten langsam begriffen , dass diese „ faschistischen Germanski ’ s ” eigentlich ganz normale Menschen waren und sich durchaus human verhielten .