Sonntagsblatt 2/2024 | Page 21

SB : Welche Auswirkungen hat der Sprachverlust auf die Identität der Elsässer ?
MZ : Eine schlechte Auswirkung . Die Sprache ist ja ein Teil der Identität und Authentizität des Elsass . Ich kämpfe , dass die Elsässer stolz und nicht beschämt sind , Elsässisch zu sprechen .
SB : Die kulturellen und wirtschaftlichen ( und damit Arbeitsmarkt- ) Beziehungen zu den Nachbarländern Deutschland - allen voran dem Land Baden-Württemberg - und Schweiz sind historisch bedingt eng . Gab es Veränderungen diesbezüglich in den letzten Jahren ? habe in den Familienzusammenkünften : Wenn es eine Person am Tisch gibt , die nicht Elsässisch versteht , sprechen aus Höflichkeit alle französisch . Im Alltag höre ich auch oft Sprachvermischungen . Die Leute sprechen elsässisch , dann ein Wort französisch und wieder elsässisch .
Der Dialekt ist auch weniger zu sehen im Alltag , auch selten in den Medien . Es gibt kaum einen Platz für Artikel und Sendungen im Dialekt . Was meiner Meinung auch problematisch ist , ist die Weise , wie man mit dem zweisprachigen Unterricht in den Schulen umgeht . Ursprünglich waren die zweisprachigen Klassen da , um den Dialekt zu bewahren . Aber es gibt verschiedene Varianten und keine offizielle Schriftstandardisierung des Dialekts . Also schreibt und spricht man in den Klassen Hochdeutsch , was dem Dialekt nicht hilft . Das ist auch ein Grund , warum ich aus dem Schulsystem raus bin , um den Dialekt privat zu unterrichten . Die Experten sind auch nicht einig über diesen Punkt : Manche wollen den Dialekt vorziehen und manche das Hochdeutsche . Das verursacht meiner Meinung nach viele Debatten ( was ja gut ist ), aber keine konkreten Aktionen . Und das Elsass ist ja politisch abhängig von dem „ Grand Est “ ( Region , wozu das Elsass gehört , R . G .) und dessen Teil „ CEA “ ( Collectivité Européenne d ‘ Alsace / Europäische Gebietskörperschaft Elsass ), die viel Zeit brauchen , um einig zu werden über die Sprachpolitik . Aber ich habe den Eindruck , dass es doch langsam vorangeht ...
MZ : Das weiß ich nicht genau . Ich kenne viele Grenzgängerarbeiter , die zwischen 40 und 60 Jahre alt sind , aber wenig jüngere .
SB : Wie Sie berichtet haben , sind Sie auch im künstlerischen Bereich als Selbstständige tätig . „ Hafele und Storichele “ heißt ja das Projekt , womit Sie Kindern die Elsässer Mundart näherbringen wollen - welche Erfahrungen haben Sie dabei gesammelt ?
MZ : Das ist eine der besten Erfahrungen meines Lebens . Ich hätte niemals gedacht , dass ich mal von dem Elsässischen leben kann . Die Kinder mögen Hafele und Storichele und sind sehr offen . Wenn die Kinder Spaß haben , können sie alles lernen . Es hat mir auch erlaubt Zeit zu haben für meine kreativen Projekte ( Theaterstücke , Kinderbücher ). Ich bin sehr vielen Leuten begegnet , seit Hafele und Storichele . Es gibt mehr „ Elsässisch-Aficionados “ ( Liebhaber , R . G .), als ich dachte . Ich habe auch den Eindruck , dass ich etwas Nützliches mache für unsere Sprache und Kultur . Ich spüre irgendwie einen Hoffnungswind , weil auch die jüngeren Generationen Lust haben , sich ihre Kultur und Sprache wieder anzueignen . Ich habe immer viele Ideen und Projekte für die Zukunft , nur die Zeit fehlt mir manchmal . Mein Herz ist voller Hoffnung und „ Elsässischkeit “.
SB : Frau Zanck-Dambach , vielen Dank für das Gespräch !
Das Interview führte Richard Guth .

DAS LEBEN DEM LEHREN ZU WIDMEN

Kroisbach / Fertőrákos gedenkt seines ehemaligen Schulleiters Johann Fuchs ( 1902-1973 )
Von Ágoston Frank
Hiermit möchte ich mich bei Hedwig Huber , der Vorsitzenden der Deutschen Selbstverwaltung Kroisbach , und Magdalena Fuchs , der Tochter von Johann Fuchs , für ihre Hilfe und Informationen herzlichst bedanken !
„ Homines dum docent discunt .“ ( Seneca )
SoNNTAGSBLATT
Die Kirche und die Schule : Für viele Jahrhunderte funktionierten diese Orte oft als alleinige Wissensvermittler für die Individuen . Sprachen , Geschichten und Glaube wurden hier erzählt mit der Absicht , die Perspektive des Einzelnen zu erweitern und seine Weltanschauung nachhaltig zu prägen . Obwohl die Bezeichnung alma mater meist für Universitäten benutzt wird - für viele waren und sind die unteren Stufen des Bildungssystems für ihre Auffassung über die Welt auch von besonderer Bedeutung . Der nährenden Mutter der Volksschulen und Mittelschulen ist eine tiefgreifende
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