Sonntagsblatt 2/2023 | Page 11

Sprachpraxis sicherlich nicht ! Deutsche Vornamen ? Ja ! Das entsprechende Verzeichnis kann jeder auf der Internetseite der LdU herunterladen und bei jedem Standesamt des Landes vorlegen lassen . Im Falle der bereits Geborenen stünde eigentlich nichts im Wege einer offiziellen Namensänderung - einige haben es bereits getan . Aber auch inoffiziell ließe sich doch gerade in der ungarndeutschen Öffentlichkeit die deutsche Vornamensvariante verwenden – selbst bei LdU-Abgeordneten vermisst man oft schmerzlich dieses bewusste „ Ich steh ’ dazu ”. Bei allem Respekt gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen bei der Namenswahl !
Auch im Abschnitt „ Politik ” taucht die Sprache an prominenter Stelle auf : „ Die Vermittlung - bzw . Wiederbelebung - der deutschen Sprachkompetenzen und der damit verbundenen kulturellen Werte ist die unerlässliche Voraussetzung für die Stärkung einer deutschen Identität . Beim Ausbau unserer Bildungsautonomie setzen wir uns deshalb für die Entwicklung des zweisprachigen bzw . einsprachigen Unterrichts ein .”
Sprache und Identität gehen also Hand in Hand . Deshalb ist es nicht verwunderlich , dass dieser Gedanke auch im Teil „ Erziehung und Bildung ” ( in dieser aus meiner Sicht richtigen Reihenfolge ) Kernthema ist , denn : „ Die deutsche Sprache und Kultur erachten wir als unverzichtbare Voraussetzungen für die Erhaltung und Stärkung ungarndeutscher Identität ”. Dabei wird bei der Vermittlung der deutschen Sprache und Identität sowohl dem Elternhaus als auch den Kindergärten und Schulen gleichermaßen eine „ bestimmende Funktion ” zugesprochen . Bei den Indikatoren bekennt sich die Strategie zur ein- und zweisprachigen Form , wobei „ die zweisprachige Unterrichtsform an Bedeutung ” gewinnen soll ( durchaus eine realistische Lageeinschätzung ). Dies wäre insofern ein großer Wurf , denn heute dominiert die „ sprachunterrichtende Form ” - vielfach und immer noch ein Abbild deutschen Fremdsprachenunterrichts - ergänzt um Nationalitäteninhalte . Auch der Anspruch , dass „ im Alltag der ungarndeutschen Erziehungs- und Bildungsinstitutionen die Zweisprachigkeit ” „ charakteristisch ” sein soll , ist ein hoher . Bei der derzeitigen Krisensituation im schulischen Bereich ( geringe Löhne nahe des Existenzminimums , Lehrermangel , hohe Fluktuation , fehlender Nachwuchs , immer rigidere normative Bestimmungen und Beschneiden von Autonomierechten ) stellt sich die berechtigte Frage , inwiefern sich – selbst mit eigenen Institutionen im Rücken – über die bloße Bewahrung des Status quo hinaus deutliche Fortschritte in Richtung des Ausbaus des zweisprachigen bzw . einsprachigen Unterrichts erzielen lassen . Die Versorgung mit DFU-Fachlehrern stellt die Schulen ja schon seit jeher vor große Herausforderungen . Zudem bildet sich das Ganze in vielen Familien in Form von Deutsch versus Englisch ab – Deutsch zieht dabei oft den Kürzeren . Dies müsste eigentlich eine bewusste Entscheidung sein , dabei verkennt man aber , dass für die Mehrheit Deutsch keine Muttersprache mehr darstellt . Dieses als Familiensprache wiederzubeleben - was wiederum Voraussetzung für diese bewusste Entscheidung zugunsten des zwei- oder einsprachigen
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Unterrichts wäre - ist ein schwieriges , wenn auch nicht unmögliches Unterfangen . Das zeigen zahlreiche positive Beispiele ! Dass der LdU die Brisanz der Lage und die begrenzten Möglichkeiten durchaus bewusst sind , zeigt unter anderem , dass man selbst bei Qualitätssicherungsmaßnahmen wie beim Erlangen des Gütesiegels „ Exzellente ungarndeutsche Schule ” auf Freiwilligkeit setzt . Richtig so , denn mit der Brechstange wird man im Bildungssektor keine nachhaltigen Veränderungen erreichen .
Der Begriff „ Sprache ” findet sich in den Abschnitten „ Kultur ” und „ Kommunikation ” bereits seltener , wobei auch im Alltag der Kulturgruppen der in der Präambel formulierte Anspruch der Deutsch- bzw . Zweisprachigkeit Einzug halten müsste . Für „ Religion / Kirche ” gelten folgende Indikatoren : „ Die Zahl der deutschsprachigen Messen und Gottesdienste sowie die der deutschsprachigen Teile von kirchlichen Zeremonien ( Taufen , Hochzeiten , Beerdigungen ) ist erhöht ” und „ das Mitwirken der Jugendlichen bei den deutschsprachen Messen nimmt zu ”. Ersteres lässt sehr viel Interpretationsraum zu , womöglich ist es auch einer realistischen Lageeinschätzung geschuldet . Denn die Generation mit muttersprachlicher Glaubenspraxis stirbt aus und die spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zahlenmäßig ohnehin bescheidenen Gelegenheiten muttersprachlicher Religionsausübung haben in den letzten Jahren eher abgenommen . Denn auch die Priester mit Deutsch als Muttersprache sind mit ihren Gemeinden gealtert , für die Jüngeren , falls es überhaupt noch welche gibt , ist Deutsch keine Muttersprache mehr - falls sie dann überhaupt ein Pfarramt in einer ungarndeutschen Gemeinde innehaben . Die großen Kirchen , insbesondere die dominante Katholische Kirche , scheinen dabei kaum Interesse an der Förderung muttersprachlichen Glaubenslebens zu haben , was auch an der diesmal tatsächlich oft mangelnden Nachfrage nach deutschsprachigen Gottesdiensten , Taufen , Hochzeiten und Beerdigungen liegt . Auch der niedere Klerus tut sich weiterhin oft schwer , dem Verlangen der Gemeindemitglieder danach zu entsprechen . Einen Fels in der Brandung stellen in solchen Zeiten Initiativen wie die wiederbelebte deutsche Messe in Fünfkirchen unter Beteiligung von jungen Leuten dar .
Es ist sicher kein Zufall , dass die Strategie mit dem Abschnitt „ Jugend ” endet . Neben dem Anspruch einer Netzwerkbildung im In- und Ausland , Nachwuchsförderung in den Organisationen und der Öffnung zur Moderne findet sich auch die Sprache , wenngleich nur an einer Stelle : ” Die ungarndeutschen Jugendlichen betrachten Deutsch immer mehr als ihre Muttersprache .” Dies zielt sowohl auf eine praktische als auch emotionale Ebene ab . Wie hehr das Ziel ist , darauf habe ich bereits hingewiesen ! Trotzdem führt kein Weg daran vorbei , wollen wir in 50 oder 100 Jahren immer noch als Gemeinschaft mit nicht ( vornehmlich ) folkloristischen Eigenarten bestehen .
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