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Ungarndeutscher Funktionär in der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft

LEITARTIKEL

DAS GROSSE INTERVIEW MIT ARMIN STEIN

Ungarndeutscher Funktionär in der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft
Die Deutsche Weltallianz ( DWA ) führt ihre Interviewserie mit Herrn Armin Stein , Ungarndeutscher und Funktionär in der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft , fort . Das Interview führt DWA-Präsident Dr . Peter Wassertheurer .
Wassertheurer : Sie sind in der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft tätig . Können Sie diese Organisation vorstellen und auch etwas zum Namenspatron sagen . Was sind die Ziele und Aufgaben ?
Jakob Bleyer (* 25 . Januar 1874 in Tscheb ; † 5 . Dezember 1933 in Budapest ) war ein ungarndeutscher Germanist und Nationalitätenpolitiker . Aus der Perspektive der ungarndeutschen Gemeinschaft war es sein größter Verdienst , sich für die nationale Identität der Ungarndeutschen einzusetzen . Dieser Tätigkeit entstammt auch die auf Bleyer gemünzte Bezeichnung „ Erwecker der Ungarndeutschen ”. Der Erste Weltkrieg hatte bei vielen Ungarndeutschen ein Erweckungserlebnis verursacht : Das Zusammentreffen mit anderen Deutschen hatte sie ihrer deutschen Nationalität bewusst gemacht . Kurz darauf folgte jedoch der schicksalshafte Trianon-Vertrag , der die Ungarndeutschen auf drei Staaten ( Ungarn , Jugoslawien , Rumänien ) verteilte , in denen sie einen noch kleineren Teil der Bevölkerung ausmachten als zuvor in Großungarn . Diese neuen Staaten waren ihren deutschen Minderheiten gegenüber nicht immer gut gesinnt : In Rumpfungarn bedeutete die Horthy-Ära die Fortsetzung des mit dem Ausgleich 1867 begonnenen Abbaus des ungarndeutschen Bildungssystems und der Zwangsmagyarisieung vieler Familiennamen . In dieser schwierigen Zeit hat Jakob Bleyer als Abgeordneter im ungarischen Repräsentantenhaus für die Rechte der Ungarndeutschen gekämpft . Er hat 1921 das Sonntagsblatt für das deutsche Volk in Ungarn und 1923 den Ungarländischen Deutschen Volksbildungsverein gegründet . Seine katholischkonservative Politik wurde einerseits vom aufkeimenden ( groß ) deutschen Radikalismus andererseits vom Assimilierungsdruck des Magyarentums herausgefordert .
Das Ungarndeutschtum hat seitdem viele Schicksalsschläge überstehen müssen : Verschleppung , Vertreibung und Unterdrückung haben die Gemeinschaft stark verändert . Erst nach der demokratischen Wende von 1989 konnte die Jakob-Bleyer-Gemeinschaft von Georg Krix neu gegründet werden . Das Ziel ist seitdem unverändert : Es geht um die Bewahrung , Förderung und Pflege der
Muttersprache sowie des Identitätsbewusstseins der Deutschen in Ungarn . Wichtigstes Organ und Sprachrohr ist das Neue Sonntagsblatt , das ebenfalls seit 1993 eine Plattform für den Austausch und Diskurs innerhalb der ungarndeutschen Gemeinschaft bildet .
Das Sonntagsblatt erscheint als Printzeitschrift alle 3 Monate , während auf der Facebook-Seite wöchentlich drei neue Artikel und wichtige Informationen rund um das Ungarndeutschtum und seinen Makrokosmos geteilt werden . Da Printmedien stetig an Popularität verlieren , befindet sich das Medium unter einem starken Reformdruck . Seit einem halben Jahr erscheint das Sonntagsblatt in einem erneuerten , dreifarbigen Gewand . Doch Aussehen ist nicht alles , es muss auch der Drahtseilakt bezüglich der Zeitungsinhalte gemeistert werden , denn die langen , analytischen Artikel bilden ein Unikat innerhalb der ungarndeutschen Medienlandschaft , während das Medium - besonders um passivere und junge potentielle Leser anzusprechen - auch im Bereich der neuen Medien und des visuellen Angebots aktiver werden muss . Die weiteren Ambitionen und Projekte der Jakob- Bleyer-Gemeinschaft lassen sich in zwei Kategorien einteilen . Einmal wollen wir die ungarndeutsche Volksgruppe in Ungarn sichtbarer machen . Dazu gehören Kampagnen , die darauf abzielen , auch den deutschen Familiennamen im Personalausweis führen zu dürfen und Schilder bzw . Gedenktafeln an Orten aufzustellen , die für die Gemeinschaft wichtig sind . Die zweite Zielsetzung soll dafür sorgen , dass innerhalb der ungarndeutschen Gemeinschaft ein konstruktiver Diskurs über Sprachgebrauch , Identität und Erinnerung geführt wird .
Wassertheurer : Wie viele Deutsche leben heute noch in Ungarn und wo liegen die Zentren der deutschen Volksgruppe ?
Die genaue Zahl der Ungarndeutschen lässt sich nicht genau bestimmen , aber anhand der Daten aus verschiedenen Volkszählungen definieren sich zwischen 150.000 und 250.000 Personen als Ungarndeutsche . Diese Zahl stieg in den letzten 20
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