Sonntagsblatt 2/2019 | Page 2

„Jawohl, meine Herren! Wir wollen ein neues deutsches Blatt sein für das Volk, für diejenigen, mehr Hunderttausende, die sich als Ungarn und loyale Staatsbürger fühlen, aber gleichzeitig sind sie darauf stolz, dass sie deutsche Bürger sind, wessen Väter für dieses Land bluteten und arbeiteten.” -Edmund Steinacker s Leitartikel Die Jakob Bleyer Gemeinschaft erklärt das Jahr 2019 zum Edmund-Steinacker-Gedenkjahr Vor 180 Jahren geboren und vor 90 Jahren verstorben Von Stefan Pleyer Edmund Steinacker, die vorbildliche ungarndeutsche Persön- lichkeit hat sein ganzes Leben zum Wohle des ungarländischen Deutschtums geopfert. Unter anderem war er der erste und größ- te Verfechter einer gemeinsamen deutschen Identität im Karpa- tenbecken - von Deutschwestungarn bis nach Siebenbürgen, von der Zips bis in die Batschka. Sein Name geriet zu Unrecht in Vergessenheit, dies will die Jakob Bleyer Gemeinschaft än- dern und im Jahre 2019 seine vielfältige Tätigkeit der ungarn- deutschen und der breiteren Öffentlichkeit vorstellen. Während des ganzen Jahres werden neue Projekte und Programme in dem Themenbereich „Edmund Steinacker und seine Ära” or- ganisiert, der Höhepunkt werden das für den Herbst geplante Sonntagsblatt-Magazin und das nach Edmund Steinacker be- nannte Stipendium sein. Als erster Schritt hat die Jakob Bleyer Gemeinschaft eine Kranzniederlegung am Grabe Steinackers in Klosterneuburg, Niederösterreich, veranstaltet, wo Vorstandsmit- glied Stefan Pleyer Steinacker im Rahmen einer würdigen Rede gedachte. Die Vertreter der JBG am Grabe Steinackers Im Weiteren finden Sie die Gedenkrede: Geehrte Anwesende der Jakob Bleyer Gemeinschaft, liebe Landsleute, in der ungarndeutschen Erinnerungsgeschichte, wenn wir sie überhaupt so nennen dürfen, bringt der heutige Tag etwas Neu- es: Das wird nicht nur das Leben unseres Vereins, sondern auch das des gesamten Ungarndeutschtums beeinflussen – ich will um Gottes willen nicht zu pathetisch werden, aber unseres Wis- sens nach haben sich zum ersten Male ungarländische deutsche Landsleute hier im unterennsischen Klosterneuburg beim Gra- be Edmund Steinackers versammelt, um vor Ort in Körper und Geist einer großen und bisher leider für die breitere Öffentlichkeit vergessenen historischen Persönlichkeit Respekt zu zollen. Wir 2 stehen bei den Gebeinen eines solchen Mannes, der genauso wert wäre, Namensgeber unserer Organisation zu sein wie der Batschkaer Jakob Bleyer. Nicht zufällig haben wir den heutigen Tag und das jetzige Jahr für die Gedenkveranstaltung ausgewählt. Vor genau 90 Jahren, am 19. März 1929, verstarb Edmund Steinacker in der neben uns liegenden Klosterstadt Klosterneuburg. Aber bevor wir seinen Lebenslauf mit seinem Tode abschließen, lasst uns erzählen, wie der ungarländische Archetyp des Bürgers lebte und wirkte und warum er unseren Dank verdient. Auch sein Geburtsjahr gibt Grund für die jetzige Erinnerungs- feier: Im Jahre 1839 kam Edmund Steinacker in der ostunga- rischen Cívis-Stadt Debrezin zur Welt. Er stammte aus einer wahrlich europäischen Familie: Die väterliche Familie verortete seine Wurzeln im Quedlinburger Gebiet, also in Altsachsenland, in der Pfalz der ersten sächsischen Könige, wo der Vater Ot- tos des Großen als Stammvater der sächsischen Dynastie die Grundsteine des frühdeutschen Staates im Rahmen des Heili- gen Römischen Reiches Deutscher Nation legte. Diese Symbolik erschien gewiss in der Familie Steinacker. Edmund Steinackers Mutter, Aurelia Westher, stammte aus der Zips, noch genauer aus Käsmark. Nicht nur die Familiengeschichte weist auf die Zu- gehörigkeit der Steinackers zur Schicht der Bürger hin: Gustav Steinacker war als evangelischer Theologe und Lehrer tätig. Er übte seinen Beruf im Debreziner Mädelgymnasium aus und in dieser Position galt er als ein angesehener Cívis unter den De- brezinern. Später kamen die konfessionellen Unterschiede her- vor, infolge deren die Familie 1842 ins Zipserland, nach Gölnitz, weiterziehen musste. Aus persönlichen Gründen waren sie da- nach erneut gezwungen, ihr Zuhause zu verlegen, diesmal nach Triest, wo der Vater Verwandtschaft hatte. Mittendrin in diesem kosmopolitischen Milieu wurde die Identität des jungen Edmund geformt: Einerseits war er häufig mit ver- schiedenen Menschen und verschiedenen Kulturen konfrontiert, was ihm neue Perspektiven eröffnete: Er eignete sich einen si- cheren Auftritt im Ausland an, andererseits wurde in Debrezin, Gölnitz und Triest sein deutsches Bekenntnis geformt und ge- festigt. In den 1850er Jahren lebten die Steinackers im schwä- bischen Stuttgart, wo Edmund Ingenieurwissenschaft studierte. Neben der Universität wurde sein Studentenleben durch Kon- takte zur Studentenverbindung Corps Teutonia zu Stuttgart be- reichert. Nach dem Studium leistete Steinacker, wie Goethes Wilhelm Meister, Wanderjahre in Europa, nämlich in Frankreich und Eng- land. Er blieb dem ungarischen Vaterlande treu. Diese Liebe erbte Steinacker von seinem Vater, der ebenfalls ein großer Be- fürworter des Hungarus-Bewusstseins war. In Ungarn und Kroa- tien setzte er zuerst die technischen Erfahrungen in klingende Münze um. Der Wind der Veränderung des politischen Status Quo 1867 in Ungarn erreichte auch ihn: In der Debatte zwischen den politischen Frontlinien spielte auch die Nationalitätenfrage eine markante Rolle. Steinacker erkannte diese Unzulänglichkei- ten im noch im Aufbau befindlichen Staatssystem und nahm die Probleme des Ungarndeutschtums im Spiegel des Nationalitä- tengesetzes 1868 unter die Lupe. Sein Sprachrohr war zuerst die Pressburger Zeitung, wo er die ersten Diagnosen in der Artikel- reihe „Das Bürgertum im politischen Leben Ungarns” aufstellte - grundsätzlich unter dem Aspekt der bürgerlichen Klasse, in der auch der frisch gebackene Publizist heimisch war. Im Jahre 1875 ging er in die Politik, um sich für Verbesserungen im Leben des Ungarndeutschtums einzusetzen. In diesem Jahr wurde er Abgeordneter des ungarischen Landtags, er vertrat dennoch nicht das deutsche Volk in Ungarn, sondern im Komi- tat Szeben/Hermannstadt, nachdem die sächsische Universitas 1876 im Rahmen der Verwaltungsreform abgeschafft worden war. Natürlich vertrat er weniger die Belange der Sebener, son- dern vielmehr die Interessen des deutschen Bürgertums. 1880 SoNNTAGSBLATT