Sonntagsblatt 2/2019 | Page 20

Was die Sprachkenntnisse der Jüngeren anbelangt, äußert er Zweifel, wenngleich Kindergarten und Schule auch nach Aus- sagen meiner Gesprächspartner zweisprachig sind. „Gut Drei- viertel der Kinder in Kindergarten und Schule sind Kinder von Neuzugezogenen. Unser Problem ist, dass wir zu wenige Kinder haben. Früher war das anders, die Bauernfamilien hatten zehn- zwölf Kinder, von denen ja zwar einige im Kindesalter verstor- ben sind, aber die Familien waren so viel größer als heute”, so der ehemalige Versicherungskaufmann. „Das größte Problem ist das Fehlen von Arbeitsplätzen. Aus der Umgebung von Ober- wart pendeln jeden Tag mit Bus und Bahn 3800 Menschen nach Wien. Es gibt zwar auch immerhin 460 Arbeitsplätze in den hiesigen Industrie- und vor allem Dienstleistungsunternehmen, aber nicht alle sind Vollzeitstellen. Die meisten Betriebe sind im Gemeindegebiet Unterwart angesiedelt, was der Gemeinde Ein- nahmen bringt”, so der 82-Jährige. Sein Werdegang zeigt auch die Strukturschwäche des Ortes, denn er selbst arbeitete jahr- zehntelang im Wiener Süden. „Nur wenige haben das Glück, vor Ort eine einträgliche Anstellung zu finden”, ergänzte er. Abwan- derung sei dabei ein historisches Phänomen in dieser Region: Er berichtet davon, dass lange die gräfliche Familie Erdődy der größte Arbeitgeber des Ortes war – die Familie besaß nach An- gaben des 82-Jährigen 11 Meierhöfe in der Umgebung; seine Großeltern hätten noch beim Grafen gearbeitet. Das geringe An- gebot an Arbeitsmöglichkeiten führte auch zur Auswanderung nach Amerika, 87.000 Menschen insgesamt verließen nach sei- nen Angaben das Burgenland. „Ich habe mehr Verwandte in den USA als hier”, schmunzelt er. Und in der Tat begegne ich auf Schritt und Tritt Menschen über 50-60 Jahre, die meisten sind aber wohl im Rentenalter – was natürlich kein repräsentatives Ergebnis ist, sondern ein flüchtiger Eindruck. Nach Angaben meines 88-jährigen Gesprächspartners bemühe sich die Bürgermeisterin Klara Liszt, selber ehemalige Schulleiterin in Wien, Stellung und den zweisprachigen Charak- ter der Bildungseinrichtungen zu stärken. Im Dorf trifft man auf Schritt und Tritt auf ungarischsprachige Inschriften und Informa- tionen: So sind das Ortsschild, die Aufschriften auf öffentlichen Gebäuden, die Straßenschilder sowie viele Aushänge an den Bildungseinrichtungen, dem Ungarischen Medien- und Informa- tionszentrum und der Kirche zweisprachig. Offizielle Bekannt- machungen sowie kommerzielle Aufschriften und Informationen sind hingegen fast ausschließlich auf Deutsch verfügbar, was dem Gebrauch der ungarischen Sprache doch Grenzen setzt. partner mit Respekt spricht, nicht weniger respektvoll spricht er von Ireneus Galambos, der 25 Jahre lang Pfarrer in Unterwart war und genauso dem Orden der Benediktiner angehört wie der jetzige Pfarrer Adalbert Gáspár. Der Friedhof, meine letzte Station, zeugt auch vom Gebrauch der ungarischen Sprache in Unterwart: Die Mehrheit der Grabmäler sind auf Ungarisch, mit einer gewissen Tendenz zum Deutschen. Reisenotizen (8) Gornji Senik - Unterzemming Von Richard Guth Es ist nicht mein erster Besuch im Slowenischen Raabgebiet, wie man das auf Ungarisch „Vendvidék” genannte Gebiet im Dreiländereck im Südwesten Ungarns auf Deutsch nennt. Die Ureinwohner, die ungarländischen Slowenen, nennen dieses Gebiet im Übrigen Slovensko Porabje. Ihre Zahl schätzt man in diesem Gebiet auf etwa 3000 und sie stellen trotz Bevölkerungs- bewegungen wie Zu- und Abwanderung sicherlich immer noch die Mehrheit der Bevölkerung. Eine Landschaft empfängt den Besucher, die eher an Öster- reich und Slowenien erinnert als an Ungarn – und in der Tat, das Slowenische Raabgebiet zählt man zum Voralpenland. Auch die Siedlungsstruktur mit kleinen Kerndörfern und zerstreuten Bauernhöfen mit großen Grundstücken verstärken diesen Ein- druck. Wenn der Besucher von Slowenien aus das Slowenische Raabgebiet ansteuert, dann fällt auf, was sich im Übrigen auch statistisch belegen lässt: Das Raabgebiet auf der slowenischen Seite ist wohlhabender als auf der ungarischen Seite. Dies mag sicherlich auch historische Gründe haben, war das Grenzgebiet besonders ungarischerseits streng bewacht – also ganz schön abgelegen, was beispielsweise in der DDR zum Sterben ganzer Landstriche in der so genannten Todeszone bedeutete. Im Vergleich zu Ungarn scheint die Möglichkeit des Gebrauchs der ungarischen Sprache im religiösen Leben viel größer zu sein. Jeden Sonntag findet eine Messe auf Ungarisch statt, die Sprache der Werkstagsmessen bestimme derjenige, für dessen Angehörige die Messen gelesen werden, so mein 88-jähriger Gesprächspartner. Viele der Aushänge sind zweisprachig, der Pfarrer ein Siebenbürger Madjare, von dem mein Gesprächs- WIR Bedanken UNS bei Allen unseren LANDSLEUTEn IN UNGARN, Die DAS 1 % IHRER STEUER UNSEREM VEREIN ZUKOMMEN Ließen. jakob bleyer GEMEINSCHAFT e . V . 20 Lebensmittelgeschäft in Oberzemming Gornji Senik, zu Deutsch Oberzemming, gilt gemeinhin als Zentrum der ungarländischen Slowenen. So wird das Dorf von zweisprachigen Schildern gesäumt, man hört hier und da ein slowenisches oder - wie es hier heißt - wendisches Wort. Der Ort verfügt über eine zweisprachige Grundschule, aber wie unter meinen Gesprächspartnern eine junge Frau Anfang 30 erzählt, die Jugendlichen würden sich auch in dieser Hochburg der Slo- wenen vornehmlich der ungarischen Sprache bedienen. Eine junge Dame Anfang 20, die auch in der slowenischen Jugend- arbeit aktiv ist, liefert eine mögliche Erklärung dafür: Bis vor fünf Jahren sei diese Schule nur dem Namen nach zweisprachig ge- wesen, in der Wahrheit habe man fünf Slowenischstunden pro Woche gehabt, Fachunterricht hingegen nur auf Ungarisch er- teilt. Im Kindergarten habe man hingegen stets Wert auf das Mo- SoNNTAGSBLATT