Sonntagsblatt 2/2018 | Page 11

Zeitgeschehen - Geschichte
Umbruchsjahr 1918
Von Dr . Bruno Burchhart
Einen bedeutenden Einschnitt in Europa brachte das Jahr 1918 , weswegen ein Gedenken daran durchaus sinnvoll ist : Das Ende des Ersten Weltkrieges war auch gleichzeitig das Ende der jahrhundertelangen monarchischen Ordnung mit dem Zerfall der großen europäischen Monarchien und damit auch dem Zerfall der Donaumonarchie . Gleichzeitig war es der Beginn der meist republikanischen Ordnung mit den demokratisch beschlossenen Verfassungen . Es war aber auch der durch die Friedens-Diktate der Pariser Vororte ( Versailles , St . Germain , Trianon und Sevres ) bewirkte tiefe Einschnitt in das Leben des deutschen Volkes , weil viele Teile desselben unter fremde Herrschaft gerieten und somit Minderheiten wurden .
Es soll in Erinnerung gebracht werden , dass in der k . u . k österreichisch-ungarischen Monarchie doch sehr viele Völker zumeist friedlich in einem gemeinsamen Staat lebten . Nach der Bürgerlichen Revolution von 1848 , bei der es auch um die Durchsetzung bürgerlicher Interessen gegenüber der absoluten Herrschergewalt „ von Gottes Gnaden “ ging , gab es erste Auseinandersetzungen im Sinne des erwachenden Nationalbewusstseins . Im Rahmen der Donaumonarchie kam es 1867 zum bekannten „ Ausgleich “ mit einem der ehrwürdigen Stephanskrone zugeteilten Transleithanien ( z . B . heutiges Ungarn , Kroatien , Serbien , Slowakei und Teile Rumäniens ) und dem cisleithanischen Teil ( z . B . heutiges Österreich , Tschechien , Slowenien ). Schon zu Ende der Weltkriegs-Kampfhandlungen strebten die einzelnen Völker auseinander und wollten ihren eigenen Staat gründen . Da der unselige letzte Kaiser Karl erst nach zähen Verhandlungen den „ Verzicht auf seinen Anteil an den Staatsgeschäften “ deklarierte ( 11.11.1918 in Schönbrunn bezüglich Cisleithanien und 13.11.1918 in Eckartsau bezüglich Transleithanien ) konnten die neuen Staaten in Wien und Budapest ihren Wirkungskreis beginnen : Verkündigung der Republik Deutsch-Österreich am 12.11.1918 vor dem Wiener Parlament . Verkündigung Ungarns als demokratische Republik durch Mihály Károlyi in Budapest , nachdem schon am 31.10.1918 die Los-lösung von der Donaumonarchie dort beschlossen worden war . Polen , Tschechen und Südslawen hatten schon Deklarationen für einen eigenen Staat beschlossen .

Entscheidende Einschnitte für all diese neuen Staats-Pläne brachten dann die Verträge der o . a . Pariser Vororte : Nach Bekanntwerden der dortigen Beschlüsse ( Verhandlungen wie bei früheren Kriegsenden gab es ja nicht , es wurde von den Siegermächten diktiert ) musste die Regierung Károlyi abtreten , es folgte unter Béla Kun die kommunistische Räterepublik , die jedoch auch nur kurz währte . Die nachfolgende autoritäre Regierung des „ Königs-Reichs-Verwesers “ Miklós Horthy mußte am 4.2.1920 unterzeichnen , wodurch Ungarn zwei Drittel des Stephanskronen-Terri-toriums verlor : Von den deutsch-westungarischen Komitaten Pressburg / Pozony , Wieselburg / Moson und Eisenburg / Vas kam zwar nur das Burgenland ( Ausnahme Ödenburg / Sopron ) zu Österreich , Kroatien , Slawonien , Slowakei , Siebenbürgen , Karpatoukraine , Banat und Woiwodina gingen an andere Staaten „ verloren “. s

1918 bedeutete durch die Pariser Verträge aber auch eine enorme Änderung für die Angehörigen des deutschen Volkes in Europa . Im Gegensatz zu den Polen , Tschechen und Südslawen wurde den Angehörigen des deutschen Volkes weitgehend das versprochene „ Selbstbestimmungsrecht der Völker “ vorenthalten und verboten ! Zwar gab es Regionen , wo es zu Abstimmungen kam : Allenstein und Marienwerder stimmte ebenso wie Oberschlesien für das neue Deutsche Reich ( Weimarer Republik ), kam später unter polnische Herrschaft , ebenso wie das für Ungarn stimmende Ödenburg . Das norddeutsche Schleswig wurde nach einer manipulierten Abstimmung geteilt . Nur Kärnten konnte durch die infolge des Abwehrkampfes errungene Volksabstimmung vom 10.10.1920 dauerhaft dem deutschen Volksund Kulturraum erhalten werden .
Ohne Möglichkeit einer Volksabstimmung wurde das mehrheitlich deutsche Eupen-Malmedy-Gebiet Belgien zugeschlagen , Elsass-Lothringen kam an Frankreich , Westpreußen , Posen und Pommern kamen an Polen , Süd-Tirol an Italien , ebenso das Kanaltal , das gesamte Sudetenland ( Deutsch-Böhmen , Deutsch-Mähren , Österreichisch-Schlesien ) und die ehemals translethanischen Karpatendeutschen der Slowakei gingen an die Tschechoslowakei , die deutsche Sprachinsel Gottschee kam ebenso wie die Untersteiermark an das neue SHS- ( Srbski , Hrvatski-Slovenski ) -Jugoslawien , wohin auch ein großer Teil der Donauschwaben des heutigen Kroatien und Serbien geriet . Das verkleinerte transleithanische Ungarn behielt die Deutschen von Westungarn , der Gegend um Budapest , der Branau und Schomodei . Im neuen Groß-Rumänien befanden sich erstmals in dieser volksdeutschen Gemeinsamkeit die Siebenbürger Sachsen , die Zipser Deutschen , die Banater Schwaben , die Berglanddeutschen , die Landler , die Buchenlanddeutschen , die Sathmarer Schwaben , die Bessarabien- , Regats- und Dobrutscha-Deutschen .
Alle diese mussten sich in ihren neuen Herbergsstaaten zurechtfinden und organisieren in einer zum Teil völlig gehässigen Umwelt ( Tschechoslowakei , Polen , Jugoslawien , Dänemark ) und Assimilierungspolitik ( Ungarn ). Eine gewisse Verbesserung für die meisten Volksdeutschen , auch Auslandsdeutsche genannt , ergab sich in der Zwischenkriegszeit durch das Erstarken des Deutschen Reiches , dessen Politik-Ausrichtung vor allem für die jüngere Generation auch eine Anziehungskraft entwickelte . Durch die Ereignisse zu Ende des Zweiten Weltkrieges kam es infolge von Einkerkerung , Flucht , Vertreibung und Genozid zu einer massiven Dezimierung des deutschen Volkes . Die bekannten Benesch ( Tschechei ) - , Avnoj ( Jugoslawien ) - und Bierut ( Polen ) -Dekrete , die alle Deutschen nur wegen ihrer Volkszugehörigkeit kollektiv ohne Schuldnachweis für rechtlos , besitzlos und vogelfrei erklärten , taten ihr Übriges . Das wurde noch verstärkt durch die kommunistischen Diktaturen in den Ostblock-Staaten , wo für die relativ wenigen verbliebenen Deutschen ein striktes , unter Strafandrohung gestelltes Verbot für die deutsche Muttersprache galt . Auch Versammeln oder Organisieren der Deutschen war streng untersagt .
Vertreibungen gab es aber auch in Dänemark , Frankreich und Rumänien . Auch in Ungarn kam es noch vor Regierung der Kommunisten zur zwangsweisen „ Aussiedlung “ und Abtransport der Deutschen aus dem Land . „ Die Schwaben sind mit einem Beutel gekommen , mit einem Beutel sollen sie wieder gehen “ war das Motto . Das Denkmal im Deutschen Haus in Fünfkirchen / Pécs demonstriert dies .
Eine Änderung ergab sich im Bereich der Ostblockstaaten erst , als diese nach dem Fall der kommunistischen Diktaturen in die Gemeinschaft der freien Völker der Europäischen Union drängten . Dafür mussten sie aber die Anerkennung ihrer zahlreichen Minderheiten durchführen , also auch ihrer Deutschen . In den meisten geschah dies auch , nur in Slowenien ist die verfassungsmäßige Deutschen-Anerkennung bis heute nicht erfolgt . In Ungarn war es nach den Diskriminierungen vor dem Ungarnaufstand von 1956 zu einer Auswanderungswelle der ungarländischen Deutschen gekommen , unter dem „ Gulaschkommunismus “ des János Kádár gab es gewisse Möglichkeiten der Gründung von Chören , Tanzgruppen , etc . Aber erst nach der Wende von 1989 , dem Fall des Eisernen Vorhanges und des Kommunismus konnte eine bedeutendere Sammlung der Deutschen im Magyarenland erfolgen . Die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen nahm ihre Tätigkeit als politische und kulturelle Organisation zum Erhalt der deutschen Sprache , Kultur , Tradition und Identität auf . Trotz der überaus zahlreichen kulturellen deutschen Vereine , der vielen politischen und organisatorischen Leistungen ist die Vermittlung der deutschen Sprache nach einer „ stummen “ ( nicht deutsch sprechenden , s . o .) Generation das größte Problem . Auf Einzelheiten der deutschen Universitäten in Budapest , die deutschen Bildungszentren in Budapest , Baja und Fünfkirchen , die Lehrerausbildung , den bilingualen
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