Sonntagsblatt 2/2018 | Page 18

dern bzw . einen eigenen Status ? In Deutschland gibt es zum Beispiel Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln , zum Teil mit deutscher , doppelter oder nur türkischer Staatsangehörigkeit .
Das ist ein heikles Thema . Mit der Erweiterung der Europäischen Union nach Osten sind schon diverse Minderheiten-Situationen in das Blickfeld geraten . Die Gründe dafür liegen oft in den Grenzziehungen nach dem 1 . Weltkrieg . Was türkische Minderheiten betrifft , so gibt es eine solche Minderheit in Griechenland , die auch von FUEN vertreten wird . Wir müssen da von Fall zu Fall die Lage genauestens ansehen um unsere Kernausrichtung nicht zu verlassen .
In Deutschland wird viel von „ Integration “ gesprochen und diese von Zuwanderern erwartet . Aber was ist , wenn eine Gruppe die Haltung einnimmt : Wir wollen uns nicht integrieren , sondern wollen Minderheit sein und entsprechende territoriale , kulturelle oder sprachliche Rechte daraus ableiten .
Es muss irgendwo natürlich ein Strich gezogen werden . Was bedeutet eigentlich „ Minderheit “? Wir verstehen ihn vor einem geschichtlichen Hintergrund , meinen also autochthone Minderheiten . Die in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln können also nicht unter unser Minderheiten-Verständnis fallen . Generell ist es wichtig , dass die Mehrheit in einer Gesellschaft keine Angst hat , auch Unwissenheit über „ die anderen “ führt zu Angst . Dann fühlt sich die Mehrheit bedrängt , obwohl sie Zuversicht darin brauchte , mit „ den anderen “ friedlich zusammenleben zu können . Es hängt aber von beiden Seiten ab , damit das gelingt . In Südtirol ist es bis heute gelungen !
Vielen Dank für das Gespräch !
Quelle : http :// www . theeuropean . de / daniel-alfreider / 13916-interview-mit-daniel-alfreider
Reisenotizen ( 5 ) Roggendorf
Von Richard Guth
April 2018 - Es gibt Orte , die man – wie so „ schön ” heißt – links liegen lässt , oft zu Unrecht . Zu diesen Ortschaften zählt ohne Zweifel Roggendorf , auf Ungarisch Kiszsidány , früher Németzsidány , unweit der Stadt Güns . Dass der Ort links liegen bleibt , ist unter anderem darauf zurückzuführen , dass er ein Sackgassendorf ist , wohl aber an einer Kreisstraße gelegen , die das kroatische Siegersdorf / Hrvatski Židan mit Tschapring / Csepreg verbindet . Das Dorf selbst bietet ein gemischtes Bild : Bewohnte und unbewohnte , gar verfallene Häuser wechseln sich , es herrscht an diesem Ostermontag wenig Betrib auf Straßen und Plätzen . Auffallend sind die Familien , die wohl hier gebliebene Verwandtschaft besucht , und einige Autos mit österreichischen Kennzeichen , was aber in dieser Region nichts Ungewöhnliches ist .
Dass aber Vorurteile wie dieses „ Links liegen lassen ” blitzschnell widerlegt werden können , erfahre ich kurz nach meiner Ankunft , als ich einer Dame aus Budapest begegne , die nach ihrer Pensionierung nach Wichs / Bük zog , „ unter anderem wegen der wunderschönen Landschaft am Fuße des Günser Gebirges ”. Die 78-Jährige besucht nach eigenem Bekunden oft das Dorf , um dem Brunnen am Rande des Dorfes glasklares Wasser zu entnehmen . Auch über die Vergangenheit und Gegenwart des Dorfes scheint sie Bescheid zu wissen und begründet den massiven Bevölkerungsschwund im einst rein deutschen Roggendorf mit den fehlenden Möglichkeiten im ehemals streng bewachten Grenzstreifen .
„ Wir sind nur noch gut 80 Einwohner geblieben ”, so meine nächste Gesprächspartnerin im selben Alter . Auch sie ist keine Alteingesessene , sondern eine , die aus Schützen / Lövő eingeheiratet hat , „ ganz madjarisch ”, wie sie sagt . Das Dorf sei von der Vertreibung verschont geblieben und erwähnt das Beispiel ihrer Schwiegereltern , wo der eine Elternteil aus einer kroatischen Siegersdorfer Familie stammte . Mit der Zeit sei alles anders geworden , Jüngere seien weggezogen , die Alten verstorben . „ Es gibt gerade noch zwei Kinder im schulpflichtigen Alter , die man mit dem Schulbus abholt , weil es hier seit langem keine Schule mehr gibt ”. Auch das deutsche Wort sei nicht mehr gegenwärtig und die Dame fängt an aufzuzählen , wer im Dorf noch Deutsch sprechen würde , obwohl sich bei der letzten Volkszählung noch über 50 % der Einwohner zur deutschen Volkszugehörigkeit bekannt haben . Neben dem Ortsschild weist nur die Aufschrift „ Gemeindehaus ” auf die deutschen Wurzeln der Gemeinde hin .
Vom langen Dahinsiechen berichtet auch eine Rentnerin , die mit ihrem Bekannten auf den Günser Bus wartet : „ Noch in den Sechzigerjahren hatte das Dorf über 300 Einwohner gehabt .”„ Von diesen sind viele weggezogen , nicht wenige nach Österreich und Deutschland . Wir sind gerade noch knapp hundert ”, ergänzt der Mann Mitte 50 . Eine Entwicklung , die die Dörfer auf beiden Seiten der Grenze betrifft , wie es mein Besuch in Großwarasdorf Sommer letzten Jahres zeigte . Aber einige Neuzugezogene gäbe es auch in Roggendorf , sogar aus der Ukraine , womit er wahrscheinlich Madjaren aus der Karpatoukraine meint . Daneben hätten sich einige Deutsche ein Ferienhaus zugelegt und meint damit die herausgeputzten , aber verwaisten Häuser in der Dorfmitte .
Der einzige Dorfladen habe schon länger zugemacht und zeigen auf das leerstehende Gebäude gegenüber der Bushaltestelle . „ Man kann in den großen Lebensmittelmärkten viel günstiger einkaufen . Es gibt einmal pro Woche eine direkte Busverbindung zu Tesco ”, so der Mann . „ Das ist aber leider kein Einzelfall , dass der Dorfladen zumacht , es gibt viele Beispiele dafür in der Umgebung ”, ergänzt die Rentnerin .
Eine Stimmung zwischen Resignation und Anpassungswillen , jedenfalls im krassen Gegensatz stehend zur erwachenden Natur .
18
„ MIT MUT UND WAHRHEIT FÜR DIE ZUKUNFT DES UNGARNDEUTSCHTUMS !”
sonntagsblatt