Sonntagsblatt 2/2017 | Page 12

Ab diesem Jahr ist auch Karfreitag ein staatlicher Feiertag in Ungarn
scher Relation ist diese Aussage besonders grotesk , da Deutsch die Muttersprache der größten europäischen Bevölkerungsgruppe ist und bis zum 2 . Weltkrieg als lingua franca der Region galt und auch heute weit verbreitet ist .
3 ) „ Warum kehrt ihr nicht nach Hause zurück ?” – fragt unser Mann ( Frau ?), der sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen kann , dass nicht nur ein ungarischer Muttersprachler , sondern auch alle anderen mit gleichem Recht die Heimat ihrer Eltern , ja ihrer Vorfahren als ihr eigenes Heimatland betrachten dürfen . Mal abgesehen davon , wenn man im obigen Kommentar das Wort Deutsch mit Ungarisch ersetzen würde , was für ein Aufschrei das in den Kreisen der Gleichgesinnten auslösen würde . Das ist etwas anderes !, wäre die tiefgründige Antwort , wie mir vor einiger Zeit einer meiner Gesprächspartner , der unlängst noch im Minis ter - sessel saß , gesagt hat .
4 ) Und zuletzt das alles entscheidende Argument : Schuld am heutigen Elend sind nicht wir . Die Verantwortung für unser Schicksal liegt nicht bei uns , sondern immer bei anderen . Bei den Deutsch – Römern , den Habsburgern und den Nazis . Armes , ausgeplündertes , unterdrücktes Land , vom Schicksal verfolgt . Davon abgesehen , dass dies offensichtlicher Blödsinn bzw . primitive Geschichtsverfälschung ist , das richtig Bedrohliche daran ist , dass diese unreife Mentalität , Sichtweise ziemlich weit verbreitet ist . Dies ist die bedauerliche Folge der Jahrhunderte langen Volksver - dummung bzw . die lang andauernde beschwerliche Lage von weiten Teilen der Gesellschaft , die untergeordnet , in feudaler Abhän - gigkeit gehalten wurde . Geschlechtsreife , freie Bürger sind daran gewöhnt , dass sie ihr Schicksal weitgehend bestimmen können . Es kann passieren , dass sie mal nicht Herr der Lage sein können , aber dies ist die Ausnahme und nicht die Regel . Typisches Selbstbild und Erfahrung eines Knecht-Volkes ist die Abhängigkeit , die auch der Wahrheit entspricht , aber nicht in der Form , wie es von der eigenen „ Elite ”, die eigentlich die Unterdrücker sind , vorgegaukelt wird , nämlich , dass sie die eigene Unterdrückerrolle auf andere , auf Fremde schieben .
Es wäre höchste Zeit , dass wir in eigenem Interesse mit dem alten Irrglauben endlich aufhören und der Wahrheit ins Auge sehen , weil ohne dies werden wir die gleichen Fehler begehen und die gleichen Konsequenzen ertragen müssen . Wie gerade jetzt . Obwohl – ich sage es jetzt – uns niemand dazu zwingt . Es gibt keine Bedrohung von außen , auch nicht , wenn das gerade herrschende Regime , den Traditionen folgend , uns das Gegenteil einreden will . Unsere Probleme sind selbstgemacht wie auch deren Lösung an uns liegt , auch wenn uns unsere Herrscher , durch nationalistische Propaganda das Gegenteil glauben machen möchten . Es dient dem einzigen Zweck , nämlich , dass wir für das Scheitern , für unsere missliche Lage nie sie , sondern immer fremde Sünden - böcke verantwortlich machen sollen .

Ab diesem Jahr ist auch Karfreitag ein staatlicher Feiertag in Ungarn

Das Volk Ungarns – insbesondere unsere Schwaben – haben den Karfreitag immer schon als Feiertag gehalten , auch in Zeiten , wo er offiziell nicht als solcher gegolten hat .
Nun hat auch der Staat hier eingeschwenkt : der Karfreitag wurde nämlich vom ungarischen Parlament mit 163 Ja-Stimmen , 0 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen zum gesetzlichen Feiertag erklärt . Damit gibt es bei uns insgesamt 11 Feiertage . Bereits ab diesem Jahr hat man also einen freien Tag mehr und auch ein verlängertes Osterwochenende .
Der Karfreitag zählt zu den strengsten Fastentagen der katholischen Kirche :
An diesem Tag ist für Katholiken eine einmalige Sättigung am Tag erlaubt und man nimmt auch kein Fleisch zu sich . Es ist der Tag des Leidens und Sterbens von Jesus Christus am Kreuze . Liturgisch gesehen gehört der Karfreitag zum Zeitraum zwischen dem letzten Abendmahl und der Auferstehung Christi , also zum Triduum Sacrum , zu den so genannten österlichen drei Tagen . In der evangelischen Kirche ist Karfreitag der Tag der Kreuzigung Jesu . Am Karfreitag wird auch traditionell der Kreuzweg gebetet .

Das große Dilemma

( Erklärung : Es soll dieser Aufsatz keine Jeremiade sein , kein Ge - jam mer und Flennen . Es ist eine Lagebeschreibung – ein Einblick in die ( traurige ) Gegenwart des Ungarndeutschtums . Ein Blick hinter den Vorhang der offiziellen Berichterstattung .)
In der Weihnachtsnummer des Sonntagsblattes 2016 führte der Leitartikel die Überschrift ETWAS STIMMT NICHT . Die - se Aussage bezog sich auf die Minderheitenpolitik in Ungarn , bzw . auf die Lage der Minderheiten , genauer : auf die Lage der deutschen Minderheit in Ungarn .
Man hat mir dieser Tage vorgeworfen , ich habe mich mit dieser Aussage / Feststellung ( Etwas stimmt nicht ) übernommen , da ich sie nicht mit genügend überzeugenden Argu men - ten untermauert habe . Zugegeben , ich war vielleicht etwas wortkarg , bin nicht auf Einzelheiten eingegangen , weshalb ein ’ Außenstehender ’, der unsere Lage nur aus Berichten der ( linientreuen ) Medien kennt , nicht eben klug werden kann .
Deshalb sage ich jetzt : Pardon ! Ich korrigiere :
VIELES stimmt nicht !
Ja , bei den Ungarndeutschen . Hinsichtlich der Lage der Volks - gruppe der heutigen Deutschen in Ungarn , der offiziellen Lagebe - urteilung bezüglich Sein und Werden dieser „ ungarländischen Schwaben ”. Und was soll da nicht stimmen ? Wie schon in der Überschrift betont : VIELES stimmt nicht . Womit soll ich die Aufzählung meiner Argumente zu dieser
Feststellung beginnen ?
Ich nenne ( als Beispiel und Ausgangspunkt ) eine Bemerkung aus einem mir zugesandten e-Brief der letzten Monate : „ Wenn wir was mit der heutigen ungarndeutschen Jugend … machen wollen , sollten wir nicht „ Deutsche in Ungarn ” schreiben , da sie sich nicht als Deutsche in Ungarn identifizieren … Gestern musste ich darüber streiten , dass das Tanzen / die Tanzgruppen allein nicht genug für die Jugend sind . Und sie sind / waren doch diejenigen , die etwas machen . So tragisch ist die Lage ...”
Warum ist die Jugend ( und – leider – nicht nur die Jugend ) ge - gen die Benennung „ Deutsche in Ungarn ”? Ist „ Ungarndeutsche ” besser ( oder klingt es schöner )? Was ist der Unterschied ? Auch im Ungarischen sehe ich keinen Unterschied : Magyarországi németek = Németek Magyarországon . Doch anscheinend wollen viele un - serer Landsleute die zwei Benennungen ( eigentlich ein Begriff !) verschieden deuten / verstehen . Sie meinen , Ungarndeutsch ist et - was anderes , etwas besseres , in Ungarn etwas „ edleres ” als Deutsch / Deutscher . Aber wie und warum ? Ja , eben von diesem Dilemma ausgehend ergibt sich die Frage :
Wer / was sind wir ? Wir Menschen , deren Ahnen einst aus deutschen Gauen nach Ungarn kamen und die zwei , ja drei Jahr - hunderte hindurch Deutsch zur Muttersprache hatten und dementsprechend sich ( nur ganz einfach ) als Deutsche fühlten und auch amtlich so eingestuft wurden ( ganz abgesehen davon , ob sie sich im Alltag als Deutschungaren oder Ungarndeutsche , einfach
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